Vier Tipps zu Statinen im Medikationsplan |
Daniela Hüttemann |
17.06.2025 18:00 Uhr |
Statine haben zu Unrecht einen schlechten Ruf und viele Patienten nehmen sie ungern ein – Apotheker sollten daher bei diesen Medikamenten besonders auf ihre Wortwahl in der Beratung achten. / © Getty Images/ArtMarie/Maria Pavlova
Statine haben keinen guten Ruf, dabei sind sie – langfristig konsequent eingenommen – lebensrettende Medikamente. Aus diesem Grund werden sie überaus häufig verordnet, von den Patienten aber nicht gern genommen. »Ich habe gleich immer vier Punkte im Hinterkopf, wenn ich einen Medikationsplan vor mir habe, auf dem Statine stehen«, verriet AMTS-Expertin Dr. Katja Renner beim Fortbildungswebinar »pDL Campus live!«, zu dem sich am Montagabend mehr als 660 Apothekerinnen und Apotheker zugeschaltet hatten.
Bei den Statinen sind das:
Diese vier Punkte können helfen, sich bei einer Medikationsanalyse auf das Wesentliche zu fokussieren. Zusätzlich fielen beim mitgebrachten Patientenfall vor allem das Teilen von Tabletten von zwei Blutdruckmedikamenten (»hier war wohl der Sparfuchs unterwegs«) und eine Pseudo-Doppelmedikation auf. Im Medikationsplan stand bereits Simvastatin 80 mg einmal abends täglich nach dem Essen, verordnet von der Hausärztin des 75-jährigen Herzpatienten. Zusätzlich hatte der Kardiologe das Kombipräparat Atorimib mit 40 mg Atorvastatin und 10 mg Ezetimib einmal täglich abends neu verschrieben.
Da der angestrebte Zielwert nicht erreicht wurde, hatte der Kardiologe das zweite Medikament angesetzt, aber wohl nicht ausreichend mit dem Patienten und der Hausärztin kommuniziert. »Der Patient wusste nicht, wofür er es nehmen sollte und dachte, es wäre ein neues Herzmedikament«, berichtete Renner aus ihrem Gespräch. Er hatte seine Apothekerin zuvor schon gefragt, »ob das denn sein muss mit diesem Cholesterinsenker«. Er klagte über gelegentliche Muskelschmerzen, machte sein Statin dafür verantwortlich und hatte sich selbst mit Magnesium aus dem Drogeriemarkt versorgt.
»In der Medikationsanalyse sollten wir unseren Fokus auf die Hauptbaustellen legen, wie hier die Pseudo-Doppelmedikation, aber auch die Erwartungen und Wünsche der Patienten einbeziehen«, riet Renner. In diesem Fall war eine Stärkung der Adhärenz auch für seine restliche Medikation nötig, unter anderem durch eine Vereinfachung der Einnahme und eine Einordnung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses.
Ein ausgeprägter Nocebo-Effekt bei Statinen ist wissenschaftlich belegt, erläuterten die Professoren Dr. Ulrich Laufs und Dr. Martin Schulz. Kardiologe Laufs betonte in seinem Vortrag die im positiven Sinne erdrückende Evidenz zum Nutzen der Statine. Auch wenn es immer wieder anders lautende Artikel und Fernsehdokumentationen geben würde: Ein erhöhter LDL-Cholesterinwert gilt als kausal für Herzerkrankungen. Zahllose Studien zeigen: »Je niedriger der LDL-Spiegel, desto geringer das kardiovaskuläre Risiko«, so Laufs, Leiter der Kardiologie am Uniklinikum Leipzig. Und: je länger man ein Statin einnimmt, desto größer wird die relative Risikoreduktion. Aber auch ältere Patienten profitieren noch.
Ärzte müssen vor der Verordnung eines Lipidsenkers das individuelle Risiko des Patienten ermitteln, in den kommenden zehn Jahren ein Ereignis wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder sogar daran zu versterben. Dabei werden unter anderem Alter, Geschlecht, Lebensstilfaktoren, Vorerkrankungen und genetische Disposition berücksichtigt. Danach erfolgt eine Einteilung in Risikoklassen und damit verbunden ein anzustrebender LDL-Zielwert.
Mittel der Wahl sind und bleiben die Statine, die eine wirklich harte Evidenz haben. Simvastatin wird zwar immer noch häufig verordnet (2023 waren es in Deutschland 798 Millionen Tagesdosen), doch zu recht mit abnehmender Tendenz, erläuterte Schulz, Geschäftsführer Arzneimittel bei der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Simvastatin habe einige Nachteile und umgekehrt Atorvastatin (1976 Millionen Tagesdosen) und Rosuvastatin (667 Millionen Tagesdosen) einige Vorteile bei mittlerweile vergleichbar günstigen Kosten.
Atorvastatin und Rosuvastatin gelten als potentere LDL-Senker. Zudem haben sie ein geringeres Interaktionspotenzial und eine längere Halbwertzeit als Simvastatin. Schulz empfahl die morgendliche Einnahme für alle drei (ob vor, zum oder nach dem Essen ist egal). Aus Studien wisse man, dass die Adhärenz morgens am besten und zur Nacht am schlechtesten sei. Simvastatin werde zwar allgemein wegen seiner nur dreistündigen Halbwertzeit abends empfohlen, da nachts die Cholesterin-Synthese hochfährt und es so stärker wirken soll. Dieser etwaige Vorteil wird allerdings zunichte gemacht, wenn die regelmäßige Einnahme nicht gewährleistet ist.
»Um die Adhärenz des Patienten zu steigern, sollte die Einnahme immer vereinfacht werden, mit möglichst wenigen Einnahmezeitpunkten«, riet Schulz, also am besten nur morgens und falls nötig abends, nicht noch mittags oder zur Nacht; und nicht vor, zum und nach dem Essen, wenn es nicht unbedingt nötig ist, sondern gemeinsam.
Vom Tablettenteilen riet Schulz dringend ab: Schnell zerbröseln sie, sodass die Dosiergenauigkeit nicht mehr gegeben ist. Viele Patienten seien damit überfordert. Zudem schmeckten Statine extrem bitter und viele Präparate dürften aus galenischen Gründen nicht geteilt werden. Falls etwas nicht lieferbar sein sollte, erinnerte Schulz an die Äquivalenz-Dosistabellen der AMK, die den Austausch erleichtern.
Wenn ein Statin allein den LDL-Wert nicht ausreichend senkt, sollte man frühzeitig Ezetimib zusätzlich geben, statt die Statin-Dosis zu verdoppeln. Da Statine die HMG-CoA-Reduktase kompetitiv hemmen, schwächt sich ihr Effekt ab, erklärte Pharmazeut Schulz. Ezetimib wirkt dagegen über einen anderen Mechanismus, was mehr bringe.
Schulz betonte, dass am besten Fixkombi-Präparate verordnet werden sollten, um die Tablettenlast nicht zu erhöhen. Doch das werde trotz offizieller Empfehlung noch viel zu selten umgesetzt. »Das können Sie bei fast jeder Medikationsanalyse mit Statin und Ezetimib, aber auch Blutdrucksenkern vorschlagen«, so Schulz. »Man kommt auf maximal 70 bis 80 Euro Mehrkosten pro Jahr, es verbessert aber deutlich die Einnahmetreue und damit die Wirksamkeit. Die Mehrkosten sollten bei so einem großen Nutzen keine Rolle spielen.«
Reicht diese Kombi nicht aus, können Bempedoinsäure oder PCSK-9-Hemmer hinzukommen. Zunächst aber sollte noch einmal die Adhärenz überprüft werden. »Wenn der LDL-Wert unter Statin plus Ezetimib nicht fällt, werden die Tabletten nicht genommen«, brachte es Kardiologe Laufs auf den Punkt.
Da keine Symptome, sondern der Blutfettwert behandelt wird, fehlt laut Renner manchmal die Therapieeinsicht beziehungsweise gibt es Zweifel am Sinn der Therapie. Noch entscheidender: Negative Erwartungen und Ängste vor Nebenwirkungen durch Statine sind weitverbreitet. Statin-bedingte Myopathien sind jedoch deutlich seltener, als von Patienten angenommen, betonte Laufs.
Bei neun von zehn Fällen liege keine Kausalität vor. Man sollte erst einmal nach anderen möglichen Ursachen und Interaktionen suchen, wobei Laufs einschränkte, es sei eine Herausforderung, die seltenen kausalen Fälle zu finden, da es leider keinen einfachen serologischen oder bildmorphologischen Test für eine Statin-bedingte Myopathie gebe. Nur sehr selten sei die Kreatininkinase erhöht; dann sei es eindeutig.
Was also tun? Der Arzt kann den Patienten anweisen, sein Statin für drei bis vier Wochen zu pausieren. »Dann müssten die Muskelschmerzen verschwinden«, so Laufs. »Wenn sie nicht weggehen, gibt es eine andere Ursache, die man abklären muss.« Muskelschmerzen würden allerdings nun einmal auch mit zunehmendem Alter öfter auftreten.
Wurde eine Statin-bedingte Myopathie ausgeschlossen, sollte erneut mit einem Statin in sehr niedriger Dosierung gestartet werden – aus Compliance-Gründen mit einem anderen, riet Laufs. »Dafür gibt es keine pharmakologische Rationale, hier geht es darum, dem Patienten eine Exitstrategie zu ermöglichen.« Dann wird langsam aufdosiert (alle zwei Wochen) bis zur maximal tolerablen Dosis. Ist der LDL-Wert immer noch zu hoch, erfolgt die Kombination mit Ezetimib und gegebenenfalls weiteren Lipidsenkern.
Laufs warnte: »Negative Pressemeldungen korrelieren mit weniger Abgaben in den Apotheken, was sich tatsächlich in mehr Herzinfarkte und kardiovaskuläre Todesfälle übersetzt.« Er riet zu einer äußerst sensiblen Kommunikation mit dem Patienten auch in der Apotheke. Schon kleine Bemerkungen und Fragen könnten der Adhärenz schaden.
Umgekehrt könnte das pharmazeutische Personal auch viel Gutes bewirken: Neben der Adhärenzförderung könnten aus seiner Sicht Apotheken auch eine wichtige Rolle bei der Prävention und Therapiekontrolle chronischer Erkrankungen spielen. »Apotheken sind die am meisten frequentierten Einrichtungen unseres Gesundheitswesens. Viele konstruktive Projekte zeigen, wie wir uns gut ergänzen können.« Damit meinte er auch die unterschiedlichen Blickwinkel von Ärzten (Hauptsache, es wirkt) und Apothekern (mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen). Beides sei wichtig, entscheidend sei eine gute Kommunikation.
Vor allem komme bei den Ärzten gut an, wenn Apotheken Vorschläge machen, die die Adhärenz fördern, ist Apothekerin Renners Erfahrung. In ihrem Patientenfall hatte sich die Hausärztin über die Information zur Pseudo-Doppelmedikation bedankt und den Patienten noch einmal einbestellt. Die Muskelschmerzen könnten tatsächlich daran gelegen haben, glaubt Renner.