Viele Krebsmedikamente werden zu hoch und zu lange dosiert |
Theo Dingermann |
14.03.2024 18:00 Uhr |
Die Tablettenlast kann bei einer oralen Krebstherapie sehr hoch sein. / Foto: Getty Images/FatCamera
Sind die für die Patienten teils extrem belastenden Tumortherapien hinsichtlich ihrer Dauer und Dosierung tatsächlich angemessen ausgelegt? Dieser Frage widmet sich eine kleine, aber wachsende Gruppe von Ärzten und Forschenden. In einem Feature im Wissenschaftsjournal »Nature« gibt die Medizinjournalistin Sofia Moutinho die Diskussion wieder.
Der Onkologe und Pharmakologe Professor Dr. Mark Ratain von der Universität Chicago etwa verweist auf eine Studie mit Sotorasib (Lumykras®), das 2022 in der EU zugelassen wurde. Demnach erzielte eine Wirkstoffdosis von 240 mg statt der zugelassenen Dosis vom 960 mg ein nahezu identisches klinisches Outcome – in beiden Gruppen verlängerte sich das progressionsfreie Überleben nach der Therapie um fünf Monate. Allerdings mussten die Patienten mit der niedrigen Dosis nur zwei statt acht Tabletten pro Tag einnehmen und erlebten deutlich weniger toxische Wirkungen. Durch die geringere Tablettenanzahl sanken auch die hohen Therapiekosten von 24.000 US-Dollar (22.061 Euro) pro Monat deutlich.
Dieses Beispiel sei längst kein Einzelfall, schreibt Moutinho. So hätten Ratain und Kollegen im Jahr 2018 eine Arbeit publiziert, in der sie 56 oral einzunehmende Krebstherapeutika identifizierten, deren Kosten durch eine alternative Verschreibung um mindestens 33 Prozent gesenkt werden könnten. Im Extremfall hätten sich durch eine Anpassung der Dosis die Kosten ohne Beeinträchtigung der Therapieergebnisse um bis zu 89 Prozent senken lassen. Ratain wagt gegenüber »Nature« die Aussage, dass die wichtigsten Medikamente in der Onkologie alle in zu hohen Dosen zugelassen wurden.
Kosten lassen sich nicht nur durch niedrigere Dosierung einsparen. Beispielsweise könnten viele Medikamente, darunter Abirateron (Zytiga®) gegen Prostatakrebs und Lapatinib (Tyverb®) gegen Brustkrebs, deutlich niedriger dosiert werden, wenn sie zu den Mahlzeiten statt wie bislang laut Zulassung nüchtern eingenommen würden, da dies die Bioverfügbarkeit erhöht. Zum Teil wurden diese modifizierten Einnahmeempfehlungen auch bereits von nationalen Leitlinien übernommen.