Viele Fachkräfte verlassen das Gesundheitswesen |
| Lukas Brockfeld |
| 24.10.2025 14:00 Uhr |
Gesundheitsberufe können sehr belastend sein. / © Getty Images/ER Productions Limited
Im deutschen Gesundheitswesen fehlen Arbeitskräfte. Das betrifft auch die Apotheken. Laut der jährlichen Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit gehören Apotheker zu den sogenannten »Engpassberufen«. Bei den PTA sieht es nur etwas besser aus – der Beruf ist zwar seit Kurzem kein Engpassberuf mehr, steht aber weiter »unter Beobachtung«.
Eine neue Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt jetzt, dass die Engpassberufe vor allem mit einer hohen Abwanderung an Arbeitskräften zu kämpfen haben. Demnach verließen zwischen 2022 und 2023 etwa 191.000 Personen den Engpassbereich zugunsten von Jobs ohne Fachkräftemangel. Nur rund 167.000 kamen aus diesen Bereichen neu dazu. Unterm Strich fließt also Personal ab.
»Die aktuelle Wechseldynamik zwischen Jobs verschärft die ohnehin schon schwierige Situation in Bereichen wie der Pflege oder dem Handwerk. Wenn wir 24.000 Fachkräfte in einem Jahr verlieren, dann entspricht dies der Einwohnerzahl einer Kleinstadt. Wir müssen diesen Trend umkehren«, erklärt Luisa Kunze, Arbeitsmarktexpertin bei der Bertelsmann Stiftung.
Laut der Studie wechseln Menschen aus Engpassberufen häufig in für sie fremde Berufe. Mehr als ein Drittel ändert die berufliche Ausrichtung beim Wechsel komplett. Das gilt ganz besonders für Beschäftigte, die den Gesundheits- und Pflegebereich verlassen. Dort orientieren sich sogar rund zwei Drittel komplett um.
183 von 522 besonders relevanten Berufen hat die Bundesagentur für Arbeit 2023 als Engpassberufe eingestuft, rund 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten derzeit in solchen Berufen mit messbarem Fachkräftemangel – besonders häufig in der Kranken- und Altenpflege, in vielen Bau- und Handwerksberufen sowie in der IT.
Arbeitnehmer im Engpassbereich sind laut der Auswertung tendenziell jünger als Beschäftigte in anderen Berufen. Angesichts des demografischen Wandels könnten sie nach Einschätzung der Autoren in den betroffenen Berufen eine solide Fachkräftebasis bilden. Zumindest, wenn es gelingt, sie dort zu halten.
Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Entspannung der Situation könnte eine bessere Bezahlung sein. Derzeit ist das Lohnniveau im Engpassbereich im Schnitt niedriger als in anderen Berufen. Die Untersuchung zeigt: Liegt der eigene Lohn um fünf Prozent unter dem beruflichen Durchschnitt, ist die Wahrscheinlichkeit, im Job zu bleiben, drei Prozentpunkte niedriger als bei anderen Arbeitnehmern.
»Hier haben Unternehmen Gestaltungsmöglichkeiten: Mit dem richtigen Mix aus höheren Löhnen, Entwicklungsperspektiven und reduzierter Arbeitsbelastung können sie Mitarbeitende halten. Möglichkeiten zur Aufstiegsqualifizierung helfen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Kompetenzen ausbauen und in Mangelberufen bleiben«, sagt auch Luisa Kunze.
Doch im Gesundheitswesen ist die Abwanderung nicht allein durch die Bezahlung zu erklären. Laut den Studiendaten verdienen die Beschäftigten in den von Engpässen besonders betroffenen Gesundheitsberufen einen durchschnittlichen Tageslohn von 93,94 Euro. In den Gesundheitsberufen, die keine Engpassberufe sind, lag der Lohn mit 87,83 Euro sogar niedriger. Die Daten zeigen allerdings auch, dass die Arbeitszufriedenheit in den Engpassberufen geringer ist als in den Nicht-Engpassberufen.