Verwirrung um die Substitutionsausschlussliste |
Kerstin A. Gräfe |
23.05.2020 08:00 Uhr |
Zumindest bei einem Rezept der Ersatzkassen können Apotheker bei Wirkstoffen, die auf der Substitutionsausschlussliste stehen, nach Rücksprache mit dem Arzt auf ein anderes als das verordnete Arzneimittel ausweichen ohne Retaxierungen befürchten zu müssen. / Foto: Getty Images/Tom Werner
Um es vorweg zu nehmen, die Antwort lautet: Nein. Rechtsanwalt und Kammerjustitiar Laut informierte im Webcast über die rechtlichen Hintergründe. Die SARS-CoV-2-Eilverordnung stamme vom Bundesgesundheitsministerium (BMG), die Substitutionsausschlussliste hingegen vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Im Falle einer Überlagerung hätte das BMG explizit darauf hinweisen müssen.
Ein weiteres starkes Rechtsargument dafür, dass die Eilverordnung die Substitutionsausschlussliste nicht überlagert, sei ein Beschluss vom G-BA zu den Arzneimittelrichtlinien vom 19. Mai 2020. Dieser gehe detailliert auf die SARS-CoV-2-Epidemie und die dazugehörige Verordnung ein. Der Beschluss führe eine Fülle von Rechtsvorschriften auf, bei denen GBA-Beschlüsse durch diese Maßnahme geändert werden. »Die Substitutionsausschlussliste wird dort aber nicht genannt«, stellte Laut klar. Die ABDA könne zwar an den G-BA herantreten und um eine andere Einschätzung bitten. Fakt sei aber: »Im Moment gilt die Liste«.
Lediglich aus Sicht des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) scheine die jetzt schon geltende Regelung auch den Umgang mit Wirkstoffen der Substitutionsausschlussliste abzudecken. Zumindest habe der vdek eine entsprechende Erklärung abgegeben. »Dies führt zwar aus meiner Sicht nicht zu einer Veränderung der Beschlüsse des GBA, könne aber durchaus als ein Retaxverzicht verstanden werden«, so Laut. Er betonte, dass diese Sichtweise ausdrücklich auf den vdek beschränkt sei. Seine Empfehlung laute daher: »Gehen Sie mit dem Problem um wie vor der Krise. Suchen Sie den Kontakt mit dem Arzt und dokumentieren Sie die Veränderung auf der Verordnung.«
Eine Kurzumfrage unter den Webcast-Teilnehmer ergab übrigens, dass das Problem durchaus häufig in der Offizin vorkommt. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (52 Prozent) gab an, mehrmals täglich mit Verordnungen von auf der Liste stehenden und nicht lieferbaren Arzneimitteln konfrontiert zu sein.
Des Weiteren ging Laut auf zwei aktuelle Verordnungen im Zusammenhang mit dem Zweiten Bevölkerungsschutzgesetzes ein. Zum einen hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Verordnungsentwurf vorgelegt, mit dem die Ausbildung zu PTA während der Coronavirus-Pandemie erleichtert werden soll. »Diese Eilverordnung gilt zwar nur aufgrund der epidemischen Lage und auch nur für diese Zeit. Aber es sind hier Dinge geregelt, die man auch durchaus im normalen Beschulungsalltag gebrauchen kann«, so der Rechtsanwalt.
Zudem wurde im Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz kurzfristig noch eine Flexibilisierung der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) verankert. Noch sei diese Verordnung nicht in Kraft und selbst wenn das Gesetz in Kraft sei, sei noch keine Verordnung des BMG da. Aber die werde kommen, ist sich Laut sicher: »Dann obliegt es der Phantasie und Kreativität aller Beteiligten, einschließlich der Studenten und Pharmaziepraktikanten, Vorschläge zu machen, wie die Ausbildung zukunftssicher und Epidemie-fest gemacht werden kann«.
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