Väter der Checkpoint-Inhibitoren geehrt |
Die Nobelpreisträger erhalten 9 Millionen schwedische Kronen (knapp 871.000 Euro) und diese Medaille. Foto: Imago/Imagebroker
Die Forschungsergebnisse der beiden Immunologen seien ein Meilenstein im Kampf gegen Krebs, hieß es von der Nobelpreis-Jury. Die Entdeckung der beiden Mediziner nutze die Fähigkeit des Immunsystems, Krebszellen zu bekämpfen, indem die Bremsen der Immunzellen gelöst werden. Die Therapie mit den sogenannten Checkpoint-Inhibitoren habe die Behandlung von Krebs revolutioniert, twitterte das Nobelpreis-Komitee.
In den 1990er-Jahren arbeitete James Allison an der University of California in Berkeley an T-Zellen. Er entdeckte, dass das T-Zell-Oberflächenprotein CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte-Associated Protein 4) als Bremse für T-Zellen fungiert. Andere Forschungsgruppen nutzten diese Erkenntnis, um einen Ansatz zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen zu entwickeln.
Illustration: Nobel Media AB 2018/Niklas Elmehed
Allison hatte ein anderes Ziel: Er wollte die Bremse lösen und dadurch das Immunsystem aktivieren, um gegen Tumorzellen vorgehen zu können. Er hatte bereits einen Antikörper entwickelt, der CTLA-4 blockiert. Erste Tierversuche mit dem Antikörper im Jahr 1994 lieferten spektakuläre Ergebnisse: Die Therapie konnte Mäuse von ihrer Krebserkrankung heilen. Trotz geringen Interesses vonseiten der Pharmaindustrie arbeitete Allison weiter an dieser Therapieoption. Ergebnisse erster klinischer Versuche führten dazu, dass das Wirkprinzip doch schließlich die Patienten erreichte. Als erster Vertreter dieser Klasse kam der gegen CTLA-4 gerichtete Antikörper Ipilimumab (Yervoy® von Bristol-Myers-Squibb) 2011 auf den europäischen Markt.
1992 entdeckte der japanische Immunologe Tasuku Honjo von der Universität Kyoto ein weiteres Oberflächenprotein von T-Zellen, das PD-1-Protein (Programmed Cell Death 1), das ebenfalls als Bremse funktioniert, allerdings über einen anderen Mechanismus als CTLA-4. Auch Honjo konnte zeigen, dass die Blockade dieses Proteins zur Bekämpfung von Krebs genutzt werden kann. In klinischen Untersuchungen zeigten Antikörper gegen PD-1 dramatische Ergebnisse. Zum Teil konnten Patienten mit metastasierten Krebsformen geheilt werden, was zuvor als unmöglich galt.
Illustration: Nobel Media AB 2018/Niklas Elmehed
Die ersten zugelassenen PD-1-Inhibitoren waren Nivolumab (Opdivo®) und Pembrolizumab (Keytruda®), die 2015 in der EU auf den Markt kamen. Es folgten auch Antikörper gegen den Liganden von PD-1 (PD-L1), nämlich Avelumab (Bavencio®) und Atezolizumab (Tecentriq®).
Die Immuntherapie mit diesen Checkpoint-Inhibitoren habe das Behandlungsergebnis von Krebspatienten gerade mit metastasierten Formen fundamental geändert, schreibt das Nobel-Komitee in einer Mitteilung. Von den zwei Therapiestrategien habe sich die gegen PD-1 gerichtete als effektiver erwiesen. Neue klinische Studien deuten aber darauf hin, dass die Kombination aus beiden Strategien noch effektiver ist als eine allein.
Eine ganze Reihe von klinischen Untersuchungen sei noch auf dem Weg und weitere Proteine würden als mögliche Targets geprüft. Für mehr als 100 Jahre hätten Forscher versucht, das Immunsystem in den Kampf gegen Krebs einzubeziehen – mit mäßigem Erfolg. Erst die Entdeckungen der beiden Preisträger hätten dies möglich gemacht, schreibt das Nobel-Komitee.
dpa / Mit der Stiftung der Nobelpreise wollte der schwedische Forscher und Großindustrielle Alfred Nobel (1833-1896) einen Konflikt lösen, der sein Leben bestimmte: Der Dynamit-Erfinder konnte es nicht verwinden, dass viele seiner Entdeckungen für den Krieg genutzt wurden. Daher vermachte er sein Vermögen einer Stiftung, aus deren Zinsen Preise für jene finanziert werden sollten, die «im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben».
Nobel selbst hatte über 350 Patente angemeldet. Den Grundstock für die Stiftung legte Nobel in der Nähe von Hamburg. Dort baute er eine Fabrik für das bereits bekannte Nitroglycerin, die bald darauf explodierte. Danach erfand er einen Sprengstoff aus Nitroglycerin und Kieselgur, der unempfindlich für Erschütterungen war. Nobel ließ Dynamit 1867 in mehreren Ländern patentieren und gründete später zahlreiche Dynamit-Fabriken weltweit.
Die Nobelpreise werden seit 1901 vergeben. Die Dotierung beträgt derzeit 9 Millionen Kronen (870.000 Euro). Neben drei wissenschaftlichen Preisen für Neuerungen in der Physik, Chemie, und Medizin gibt es Auszeichnungen für Literatur und Friedensbemühungen. Der Friedensnobelpreis kann auch an Organisationen verliehen werden. Neben den eigentlichen Nobelpreisen wird seit 1969 eine Ehrung für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Alfred Nobel verliehen. Sie wurde 1968 von der Schwedischen Reichsbank gestiftet. Überreicht werden alle Preise am 10. Dezember, dem Todestag von Nobel.
Am Dienstag und Mittwoch werden die Jurys die Preisträger für Physik und Chemie bekanntgeben. Am Freitag wird der Friedensnobelpreisträger in Oslo gekürt. Am Montag darauf (8.10.) ist dann der Preis für Wirtschaft an der Reihe. Die Vergabe des Literatur-Nobelpreises ist für dieses Jahr nach einem Belästigungs- und Korruptionsskandal abgesagt worden.
dpa / Der Medizin-Nobelpreis wird seit 1901 verliehen. Die erste Auszeichnung ging damals an den deutschen Bakteriologen Emil Adolf von Behring für die Entdeckung der Serumtherapie gegen Diphtherie. Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre waren:
2017: Die US-Forscher Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young für die Erforschung der Inneren Uhr.
2016: Der Japaner Yoshinori Ohsumi, der das lebenswichtige Recycling-System in Körperzellen entschlüsselt hat.
2015: Die Chinesin Youyou Tu, die den Malaria-Wirkstoffs Artemisinin entdeckt hat. Sie teilte sich den Preis mit dem gebürtigen Iren William C. Campbell und dem Japaner Satoshi Omura, die an der Bekämpfung weiterer Parasiten gearbeitet hatten.
2014: Das norwegische Ehepaar May-Britt und Edvard Moser sowie John O'Keefe (USA/Großbritannien) für die Entdeckung eines Navis im Hirn: Sie fanden grundlegende Strukturen unseres Orientierungssinns.
2013: Thomas Südhof (gebürtig in Deutschland) sowie James Rothman (USA) und Randy Schekman (USA) für die Entdeckung von wesentlichen Transportmechanismen in Zellen.
2012: Der Brite John Gurdon und der Japaner Shinya Yamanaka für die Rückprogrammierung erwachsener Körperzellen in den embryonalen Zustand.
2011: Bruce Beutler (USA) und Jules Hoffmann (Frankreich) für Arbeiten zur Alarmierung des angeborenen Abwehrsystems. Ralph Steinman aus Kanada entdeckte Zellen, die das erworbene Immunsystem aktivieren. Er war kurz vor der Verkündung gestorben und bekam den Preis posthum.
2010: Der Brite Robert Edwards für die Entwicklung der Reagenzglas-Befruchtung.
2009: Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak (alle USA) für die Erforschung der Zellalterung.
2008: Harald zur Hausen (Deutschland) für die Entdeckung der Papilloma-Viren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen, sowie die Franzosen Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier für die Entdeckung des Aidserregers HIV.