US-Zulassung für Givinostat |
Sven Siebenand |
10.04.2024 15:30 Uhr |
Die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne wurde bereits im 19. Jahrhundert von Guillaume-Benjamin Duchenne beschrieben. / Foto: Adobe Stock/hafakot
Die Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) ist eine schwere neuromuskuläre Erbkrankheit, die durch fortschreitende Muskelschwäche und -degeneration gekennzeichnet ist. DMD wird durch Mutationen im Dystrophin-Gen verursacht, die dazu führen, dass kein funktionsfähiges Dystrophin-Protein vorhanden ist. Ohne Dystrophin sind die Muskelfasern sehr verletzungsanfällig. Die ständigen Muskelverletzungen führen zu chronischen Entzündungen, Beeinträchtigung der Muskelregeneration und Ersatz der Muskeln durch Binde- und Fettgewebe. Die Krankheit betrifft vor allem Jungen, da sie X-chromosomal-rezessiv vererbt wird.
Die ersten Symptome der Erkrankung treten in der Regel zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr auf. Sie verschlimmern sich im Lauf der Zeit und beeinträchtigen die Gehfähigkeit. Schließlich werden auch die Herz- und Atemmuskulatur in Mitleidenschaft gezogen, was die beiden Hauptursachen für einen vorzeitigen Tod sind. Die Häufigkeit von DMD liegt weltweit bei etwa einer von 3500 bis 6000 männlichen Geburten.
Nachdem sich die EMA Anfang des Jahres erneut für die Marktrücknahme des DMD-Medikaments Ataluren (Translarna®) ausgesprochen hatte, gab es aber auch in diesem Jahr schon Positives zu berichten. Einer der neuen Arzneistoffe des Jahrgangs 2024 ist das modifizierte Corticosteroid Vamorolon (Agamree®), das bei DMD-Patienten ab einem Alter von vier Jahren zugelassen ist.
Mit Givinostat könnte es bald einen weiteren Arzneistoff für die Indikation DMD geben. In den USA ist die Zulassung bereits erfolgt. Der oral verfügbare Wirkstoff darf ab einem Alter von sechs Jahren zum Einsatz kommen. Er soll weniger Nebenwirkungen haben als klassische Corticosteroide, die bei DMD verwendet werden.
Givinostat ist – wie das beim Multiplen Myelom zugelassene Panobinostat – ein Inhibitor von Histon-Deacetylasen, der die deregulierte Aktivität dieser Enzyme, die eine Hauptfolge des Dystrophinmangels bei DMD ist, im Muskel moduliert. Dank des Wirkstoffs wird die pathologische Überaktivität von Histon-Deacetylasen gebremst und damit eine weitere Kaskade von Ereignissen, die zur Muskelschädigung führen. So kann der Krankheitsverlauf zumindest verlangsamt werden.
EPIDYS war der Name der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie, an der 179 gehfähige Jungen mit DMD im Alter von mindestens sechs Jahren teilnahmen. Sie erhielten zusätzlich zu einer Glucocorticoid-Behandlung entweder zweimal täglich Givinostat oder Placebo. Die mittlere Veränderung der Zeit für das Überwinden von vier Treppenstufen vom Ausgangswert bis zum Monat 18 (primärer Endpunkt) betrug plus 1,25 Sekunden bei Patienten im Givinostat-Arm versus plus 3,03 Sekunden unter Placebo. Der Endpunkt wurde damit erreicht. Im Fachmagazin »Lancet Neurology« sind die Ergebnisse kürzlich veröffentlicht worden.