Ursprung von SARS-CoV-2 wohl nicht mehr zu rekonstruieren |
Theo Dingermann |
15.11.2022 09:00 Uhr |
Mehr als ein Dutzend eng mit SARS-CoV-2 verwandte Viren wurden bisher aus Fledermäusen und Schuppentieren isoliert. Um ihre Verwandtschaft mit SARS-CoV-2 zu bestimmen, verglichen Forscher bisher meist ihre gesamten Genome, die etwa 30.000 Nukleotide lang sind.
So konnten sie zeigen, dass das Virus mit der Bezeichnung BANAL-52 am nächsten mit SARS-CoV-2 verwandt zu sein scheint. Dieses Virus, das in Laos aus Fledermäusen isoliert wurde, besitzt ein Genom, das zu 96,8 Prozent mit dem von SARS-CoV-2 übereinstimmt. Ein weiterer enger Verwandter ist RaTG13, der in Yunnan in Südchina isoliert wurde. Dessen Genom ist zu 96,1 Prozent mit dem von SARS-CoV-2 identisch.
Der Unterschied von 3 bis 4 Prozent zwischen den Genomen dieser beiden Coronaviren aus Fledermäusen und SARS-CoV-2 legt nahe, dass etwa 40 bis 70 Jahre Evolution vergangen sind, seit diese Viren einen gemeinsamen Vorfahren hatten.
Dies zeigt, dass ein Vergleich ganzer Genome nicht zum Ziel führt. Der Ansatz, den die Forschenden von der University of California in San Diego verfolgen, scheint daher erfolgversprechender. Diese Wissenschaftler berücksichtigen die hohe Rekombinationsaktivität der Coronaviren. Sie zerlegten das SARS-CoV-2-Genom in 27 Segmente. Jedes dieser einige hundert bis einige tausend Nukleotide langen Segment kann eine andere Evolutionsgeschichte besitzen.
Die Forschenden verglichen jedes dieser Segmente mit Sequenzen verwandter Viren, um abzuschätzen, wie ein gemeinsamer Vorfahre unter den Coronaviren aus dem Tierreich ausgesehen haben könnte.
Die Analyse ergab, dass einige Segmente noch vor wenigen Jahren einen gemeinsamen Vorfahren mit SARS-CoV-2 hatten. Für die meisten Fragmente wurde ein gemeinsamer Vorfahre postuliert, der um 2007 kursierte. Ein kleines Fragment von etwa 250 Nukleotiden könnte auf einen gemeinsamen Vorfahren hindeuten, der im Jahr 2016 aus Fledermäusen isoliert wurde, und ein weiteres 550 Nukleotide langes Fragment stimmt mit dem entsprechenden Fragment aus einem Virus aus dem Jahr 2015, also nur wenige Jahre bevor SARS-CoV-2 beim Menschen identifiziert wurde, überein.
Die jüngsten Fragmente stammten von Fledermäusen, die in Yunnan und Laos beprobt wurden. Dies legt nahe, dass Südchina und Südostasien Hotspots für die Vorfahren von SARS-CoV-2 gewesen sind, sagt Spyros Lytras, ein Evolutionsvirologe an der Universität Glasgow, Großbritannien, gegenüber »Nature«, der die Arbeit in Singapur vorgestellt hatte.
»Das ist ein cleverer Ansatz«, sagt Professor Dr. Edward Holmes, Evolutionsvirologe an der University of Sydney in Australien über die Analyse. Er weist jedoch auch darauf hin, dass einige Fragmente, die die Forschenden zur Verwandtschaftsanalyse einsetzten, ziemlich kurz sind, was die Schätzungen nur bedingt zuverlässig macht.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.