Uralte Keime als moderne Gefahr |
Christina Hohmann-Jeddi |
16.08.2023 07:00 Uhr |
Ähnlich sehe es auch bei den Viren aus, heißt es in dem Review. Die am häufigsten vertretenen Phagen seien per se nicht humanpathogen. Zudem könnten im Eis konservierte Viren den Auftauprozess schlecht überstehen. So wurden etwa Variola-Viren, die Erreger der Pocken, in aufgetauten menschlichen Überresten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert entdeckt. Das Genom der DNA-Viren war aber hochgradig zerstört. Obwohl humanpathogene DNA-Viren in Permafrostböden nachgewiesen wurden, sei das Risiko für Infektionen durch sie daher sehr gering, schreiben die Autoren um Wu. Bislang sei auch noch kein entsprechender Fall von Virusinfektionen aus dem auftauenden Permafrost bekannt geworden.
Verschiedene Vertreter der Riesenviren (links) konnte man aus dem Permafrost auftauen. Sie sind größer als Bakterien (Mitte) und normale Viren (rechts). / Foto: Adobe Stock/BSIP
Mit RNA-Viren, zu denen etwa die Grippeviren zählen, verhält es sich ähnlich: Auch hier nimmt das Genom Schaden. So sind Versuche aus den 1990er-Jahren, das Pandemievirus der Spanischen Grippe Influenza-A(H1N1) aus menschlichen Überresten im Permafrost zu rekonstruieren und reaktivieren, gescheitert, weil die RNA stark zersetzt war.
Erfolgreich war man allerdings mit zwei Vertretern der Riesenviren, Pithovirus sibericum und Mollivirus sibericum. Sie wurden 2014 beziehungsweise 2015 aus 30.000 Jahre altem sibirischen Permafrostboden isoliert und wiederbelebt. Nach dem Auftauen konnten sie eine moderne Version ihres Wirts infizieren. Die von einigen Medien als »Zombieviren« betitelten Viren stellen jedoch keine Bedrohung für Menschen und andere Tiere dar, da ihre natürlichen Wirte Mikro-Eukaryoten wie Protisten und Algen sind. Inzwischen konnte das französisch-russisch-deutsche Team 13 weitere Viren, alles Riesenviren, aus dem Permafrost reaktivieren (»Biorxiv« 2023).
Das Fazit der Review-Autoren: Obwohl durch tauenden Permafrost freigesetzte Krankheitserreger ein potenzielles Infektionsrisiko für die etwa fünf Millionen Menschen in Polarregionen darstellen, sei die Gefahr durch die zeitreisenden Pathogene insgesamt gering. Es sei aber noch viel Forschungsarbeit notwendig, um die Risiken, die von den freigesetzten Pathogenen ausgehen, besser einschätzen zu können.
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