»Unser Portal muss nach Apotheke riechen« |
Benjamin Rohrer |
22.02.2022 09:30 Uhr |
Aufsichtsratvorsitzender der Gedisa Peter Froese sprach im Interview mit der PZ über die weiteren Pläne für das Verbändeportal. / Foto: PZ/Berg
Im November letzten Jahres hatten 16 Landesapothekerverbände die Gesellschaft für digitale Services der Apotheken mbH (Gedisa) gegründet. Ihre Aufgabe besteht darin, das »Verbändeportal« zu betreuen, welches sich aus dem apothekenseitigen »Apothekenportal« sowie dem »Apothekenmanager« für Kunden zusammensetzt.
Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) hat sich als einziger Landesverband nicht direkt als Gesellschafter an der Gründung beteiligt und sich zuletzt auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung auch dagegen entschieden, nachträglich beizutreten. Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Verbands, kritisierte im Interview mit der PZ, dass es ein Informationsdefizit seitens des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) gebe, welcher dem Vorstand des AVWL »keine genügenden Informationen zur validen Beurteilung einer Beteiligung als Gesellschafter an der Gedisa zur Verfügung gestellt« habe.
Vor diesem Hintergrund hat die PZ Peter Froese, den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Gedisa, zu den Zukunftsplänen der Gesellschaft sowie des Portals befragt.
PZ: Herr Froese, warum war es nötig, für den Betrieb und die Weiterentwicklung des Portals der Apothekerschaft eine GmbH auszugründen? Der DAV hatte das Portal doch intern entworfen – hätte die Standesvertretung nicht einfach weiter daran arbeiten können?
Froese: Nein. Uns war immer klar, dass wir den Portalbetrieb irgendwann in andere Hände geben müssen. Ein Verband hat eigentlich ganz andere Aufgaben: Er ist für das politische Lobbying zuständig. Um operativ flexibel und agil zu sein, musste ein eigenes Unternehmen gegründet werden. Hinzu kommt, dass der Deutsche Apothekerverband auf politischer Ebene in der Gematik ja die strukturpolitischen Weichen für die Digitalisierung stellt. Dass der DAV parallel auf Dauer ein eigenes Portal betreibt, ist vor diesem Hintergrund schwierig. Hinzu kommt auch, dass das Portal in den kommenden Jahren mehr Arbeit erzeugen wird, die die Geschäftsstelle neben ihrer politischen Arbeit nicht leisten könnte. Nachdem das Grundgerüst des Portals also intern aufgebaut worden war, mussten wir das operative Geschäft nun ausgliedern.
PZ: Kommen wir zur Struktur des Unternehmens Gedisa. Geben Sie uns gerne einen kurzen Einblick in den Status quo der Aufbauphase. Welche Gremien gibt es? Wie viele Mitarbeiter hat die Gedisa?
Froese: Wir stehen ganz am Anfang. 16 Verbände haben das Unternehmen als Gesellschafter ins Leben gerufen. Der Gesellschaftervertrag steht, die 16 Gesellschafter sind dem Vertrag beigetreten, die Geschäftsführung wurde ernannt – Sören Friedrich, ehemals Abteilungsleiter in der ABDA, ist erster Gedisa-Geschäftsführer. Gleichzeitig haben wir einen Aufsichtsrat bestellt, der die Aufgabe hat, die Geschäftsführung zu beraten und über die Geschäftsentwicklung zu wachen. Dem Aufsichtsrat gehören nicht nur Standesvertreter, sondern auch Personen an, die nicht aus dem Apothekensystem stammen – es war uns wichtig, hier auch Expertinnen und Experten mit externem Blick einzubinden, um andere Perspektiven zuzulassen. Die Mitarbeiter-Suche ist in vollem Gange. Da wir uns aber im sehr kompetitiven EDV-Umfeld befinden, ist die Personalsuche schwer.
PZ: Viele Apotheker fragen sich nach den Anfangsinvestitionen in die Gedisa, was nun mit ihrem Geld passiert. Wann wird die Arbeit der Gedisa für die Apotheker erlebbar? Welche Vorteile werden sich wann ergeben?
Froese: Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass ich in der Öffentlichkeit keine konkreten Unternehmenspläne und Pläne zu Produktentwicklungen offenlegen werde. Der Markt der Plattformen ist durch starken Wettbewerb geprägt – wer seine Ideen zu früh preisgibt, wird allzu schnell kopiert. Zudem ist mir wichtig zu sagen, dass die Apotheker schon jetzt deutliche Vorteile von dem Portal haben – seit Monaten werden Millionen-Umsätze darüber generiert. Hinzu kommt, dass wir, beispielsweise mit Blick auf die stetige Weiterentwicklung der Zertifikate, ja jetzt schon am Portal arbeiten.
PZ: Im Vergleich zur Apothekenseite des Portals ist die Kundenseite, der Apothekenmanager, nicht so weit entwickelt. Wann wird die Gedisa hier die ersten Innovationen und Vorteile – auch gegenüber Wettbewerbern – erarbeiten?
Froese: Auch hier gilt, dass ich unsere Pläne nicht vollumfänglich mitteilen will. Wir haben das Ziel, das Branchenportal Nummer eins zu werden – mit einer anderen, einer neuen Richtung. Es muss nach Apotheke »riechen«. Wir wollen die Kunden für ihre Apotheke begeistern und sie so über das Portal an die Apotheke ihrer Wahl binden. Und da wären wir schon beim wesentlichen Vorteil: Die großen Portale wollen die Kunden an sich selbst binden und nicht an den eigentlichen Anbieter des Produktes. Die einzige Marke, die bei uns gespielt wird, ist das rote Apotheken-A – und das hilft allen Apotheken in Deutschland. Aus meiner Sicht hat unser Angebot aber noch weitere Vorteile.
PZ: Welche wären das?
Froese: Viele Portale werden verkauft, wenn sie eine attraktive Größe erreicht haben. Das wird bei unserem nicht der Fall sein. Was passiert denn, wenn ein Portal von einem Großkonzern übernommen wird? Entwicklungen aus anderen Ländern zeigen, dass insbesondere die von Portalen gesammelten Daten und vor allem Kundenbeziehungen für Übernahmen von Interesse sind. Am Ende wird es also nur um die Frage gehen, wer die Arzt-, Apotheken- und Kundendatenstämme an wen verkauft. Bei uns ist das ausgeschlossen. Weder der Kunde und seine Daten noch die Apotheke und ihre Daten sind für uns freie Handelsware.
PZ: Zurück zur Apothekenseite des Portals. Mehrfach wurde die Idee aufgeworfen, dass Drittanbieter Schnittstellen zum Apothekenportal bekommen. Dass beispielsweise Großhändler, die »Pharma Mall« oder andere Unternehmen, mit denen die Apotheken in Kontakt stehen, ihre Services direkt über das Portal anbieten. Wie weit sind Sie da?
Froese: Das gilt nach wie vor. Einerseits entwickeln wir eigene Dienstleistungen und Services, von denen Apotheken und Patienten profitieren. Andererseits wollen wir den Markt einladen, über Schnittstellen Dienstleistungen über das Portal anzubieten. Dass dieser Ansatz funktioniert, sieht man am aktuellen Stand, beispielsweise haben wir die Anbindung an die Impfsurveillance des RKI über eine Schnittstelle. Und gleichzeitig die Telematik für die Sicherheitsinfrastruktur, sogar mit einer zweiten Schnittstelle in Richtung E-Rezept. Übrigens werden sich durch die künftige Ausgestaltung der Telematikinfrastruktur in diesem Bereich sehr viele Möglichkeiten für unser Portal ergeben.
PZ: Wie meinen Sie das?
Froese: Eines der letzten Gesetze der vergangenen Legislaturperiode enthielt einen Passus zur TI 2.0. Derzeit ist unsere Telematikinfrastruktur auf einem aus heutiger Sicht veralteten technologischen Stand aufgebaut. Man bindet sich via Karten an, identifiziert sich ebenfalls über gesteckte Karten und Konnektoren. In der TI 2.0 werden GKV-Versicherte digitale Identitäten erhalten und Leistungserbringer werden sich auch ohne Konnektoren anbinden können. Unsere Portalstruktur ist bestens darauf vorbereitet und ermöglicht Schnittstellen zu allen denkbaren Entwicklungen.
PZ: Für eine technische Weichenstellung wurde der DAV häufig kritisiert. Insbesondere mit Blick auf die Kundenseite des Portals haben viele nicht verstanden, warum das Angebot der Apothekerschaft nur als Web-App, nicht aber als Native App in den App-Stores verfügbar ist. Geht das nicht an der Nutzer-Realität vorbei?
Froese: Unser Ziel ist es, alle Menschen in Deutschland zu erreichen. Über einen Webbrowser erreichen sie alle Menschen, weil Browser mit jedem Device angesteuert werden können. Egal ob Smartphone, PC oder anderes. Bei nativen Apps wird es immer einen Bevölkerungsanteil geben, der keinen Zugriff hat. Hinzu kommen Probleme mit der Datentransparenz bei nativen Apps, außerdem ist die Wartung auch schwerer. Was die Datenverwendung betrifft, gilt für uns das Grundprinzip: Sauber lebt länger! Und in Web-Apps ist die Datenverwendung für alle Seiten besser kontrollierbar.
PZ: Ein Grund für den Apothekerverband Westfalen-Lippe, der Gedisa nicht beizutreten, waren die Kosten. Die Gedisa hat für die kommenden drei Jahre einen Pauschalbetrag eingefordert. Wird sie damit auskommen? Oder werden die Apotheken über weitere Gebühren zur Kasse gebeten?
Froese: Die Gedisa arbeitet wie ein Start-up – und jedes Start-up benötigt eine Anschubfinanzierung. In diesen drei Jahren gilt nun das solidarische Prinzip: Alle Gesellschafter beteiligen sich gleichermaßen an der Entwicklung der Gedisa – und natürlich auch an dem Risiko, das bei jeder normaler Firmengründung nun einmal besteht. Die Aufgabe der Gedisa-Geschäftsführung ist es nun, in diesen drei Jahren mit Hilfe der Anschubfinanzierung ein nachhaltiges Geschäftsmodell aufzubauen.
PZ: Bleiben wir kurz bei der AVWL-Entscheidung. Wie schätzen Sie die Diskussionen ein, die auch nach der Abstimmung bekanntwurden, beispielsweise zur Beziehung des AVWL zu »No Q«?
Froese: Ich möchte vor allem Eines festhalten: Der AVWL ist jederzeit herzlich willkommen. Ich persönlich habe die Hoffnung und bin optimistisch, dass der Verband irgendwann beitritt.
Dr. Peter Froese ist Apotheker und Besitzer der Mastbrook-Apotheke in Rendsburg, Schleswig-Holstein. Seit 2001 ist er Vorsitzender des Apothekerverbandes in seinem Bundesland. Im November 2021 kündigte er jedoch an, dass er bei der anstehenden, turnusgemäßen Neuwahl nicht erneut für den Vorstand kandidieren wolle. Auf Bundesebene ist Froese nach wie vor Mitglied der AG Digitalisierung der ABDA sowie nun auch Vorsitzender des neu gebildeten Aufsichtsrates der Gedisa. Zudem ist er Vorstandsvorsitzender des Treuhand-Verbands Deutscher Apotheker, der die berufsspezifischen Interessen seiner etwa 800 selbstständigen Mitglieder insbesondere im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit und betrieblichen Organisation vertritt.