Unliebsamer Gast im Magen |
Annette Rößler |
11.07.2023 07:00 Uhr |
Die Durchseuchung mit Helicobacter pylori ist recht hoch – in Deutschland sind schätzungsweise 30 bis 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung infiziert, in manchen anderen Ländern sind es sogar mehr als 90 Prozent –, aber nur etwa 20 Prozent der Infizierten entwickeln ernsthafte Symptome. Bis vor einem Jahr empfahl die S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGSV) daher die Eradikation nicht generell bei jedem Erregernachweis, sondern nur für Patienten mit bestimmten Risikofaktoren. Das hat sich nun geändert, wie Privatdozentin Dr. Kerstin Schütte vom Marienhospital in Osnabrück kürzlich beim Internistenkongress in Wiesbaden darlegte.
Seit der Aktualisierung der Leitlinie im vergangenen Jahr lautet die Empfehlung: Jeder Erwachsene, bei dem eine Helicobacter-pylori-Infektion nachgewiesen wurde, soll eine Eradikationstherapie erhalten. »Das war ein Paradigmenwechsel«, sagte Schütte. Die Leitliniengruppe habe damit auf das sogenannte Kyoto-Konsensuspapier reagiert, in dem der Umgang mit der Helicobacter-pylori-Gastritis weltweit festgelegt wurde (»Gut« 2015, DOI: 10.1136/gutjnl-2015-309252). Demnach ist eine Helicobacter-Gastritis stets als Infektionskrankheit zu betrachten, und zwar unabhängig davon, ob sie Symptome oder Komplikationen hervorruft.
Wann ist ein Test auf Helicobacter pylori angezeigt? Dazu gibt es mehrere Soll-Empfehlungen in der Leitlinie. Sie umfassen unter anderem ein peptisches Ulkus ventrikuli oder duodeni, ein gastrales MALT-Lymphom, Dyspepsie, eine ungeklärte Eisenmangelanämie, aber auch bei Vorliegen weiterer Risikofaktoren eine (geplante) Dauermedikation mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) oder mit einem anderen nicht steroidalen Antirheumatikum (NSAR).
»Seit 1994 ist Helicobacter pylori von der Weltgesundheitsorganisation als Klasse-I-Karzinogen anerkannt«, sagte Schütte. Das Bakterium sei global betrachtet der wichtigste Krankheitserreger, der zur Krebsentstehung beitrage. Weltweit gebe es jährlich mehr als 2,2 Millionen infektionsassoziierte Krebsfälle und für mehr als ein Drittel davon (770.000) sei Helicobacter pylori verantwortlich.
»Warum screenen wir also nicht die gesamte Weltbevölkerung und eradizieren im Fall eines Nachweises?« Untersuchungen hätten gezeigt, dass das funktioniere und auch kosteneffektiv sei, aber nur in Regionen, in denen nicht nur die Prävalenz der Helicobacter-pylori-Infektion hoch ist, sondern auch die Magenkrebs-Inzidenz intermediär oder hoch ist. »Dazu gehört die Bundesrepublik Deutschland nicht«, konstatierte die Gastroenterologin. Hierzulande sollten aber Risikopatienten getestet werden, zum Beispiel erstgradige Verwandte von Patienten mit einem Magenkarzinom oder Patienten mit entsprechender Risikoanamnese. Außerdem sollten laut Leitlinie auch Personen, die in betroffenen Gebieten wie Asien, Osteuropa oder Mittel- und Südamerika geboren und/oder aufgewachsen sind, auf Helicobacter pylori gescreent werden.
Zum Nachweis einer Infektion stehen dem Arzt verschiedene Methoden zur Verfügung, die alle Vor- und Nachteile haben. Für Apotheker wichtig zu wissen ist, dass das Risiko für ein falsch negatives Testergebnis unter einer Therapie mit einem Protonenpumpeninhibitor (PPI) steigt. »Deshalb soll bei der Testung laut Leitlinie zwei Wochen Abstand zu einer PPI-Therapie und vier Wochen Abstand zu einer Antibiotika-Therapie eingehalten werden«, informierte Schütte.