Unliebsamer Gast im Magen |
Annette Rößler |
11.07.2023 07:00 Uhr |
Das gramnegative Stäbchenbakterium Helicobacter pylori überlebt im sauren Milieu des menschlichen Magens und ruft eine chronische Gastritis hervor. / Foto: Getty Images/Science Photo Library/Heather Davies
Erst wollte ihnen kaum jemand glauben. Als der Pathologe Robin Warren und der klinische Mikrobiologe Barry Marshall im Juni 1983 in einem Brief an den Herausgeber des Fachjournals »The Lancet« ein »nicht identifiziertes, gekrümmtes Bakterium« beschrieben, das sie auf dem Magenepithel von Patienten mit aktiver chronischer Gastritis gefunden hatten und im einen die Ursache des anderen vermuteten, war die Skepsis der Fachwelt groß. Zu lebensfeindlich sei das saure Milieu im Magen, als dass sich dort Bakterien einnisten könnten, so die Auffassung der meisten Mediziner. Doch Warren und Marshall beharrten auf ihrer These, konnten sie schließlich beweisen – und wurden dafür 2005 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.
Der Beweis gelang Marshall mit einem riskanten Selbstversuch. Er ließ zunächst per Gastroskopie feststellen, dass er noch nicht mit Helicobacter pylori infiziert war. Dann trank er eine Bakterienkultur mit dem Erreger, den er von einem seiner Patienten isoliert hatte. »Etwa fünf Tage danach setzte bei mir anfallsartiges Erbrechen ein«, berichtete er später in einem Interview. Eine erneute Gastroskopie bestätigte, dass sein Magen massiv mit Helicobacter pylori besiedelt war und dass quasi keine Magensäure mehr vorhanden war. Durch die Einnahme von Antibiotika konnte er die Bakterien aus seinem Magen eradizieren; seine Symptome verschwanden und kehrten auch nicht zurück.
Heute weiß man, dass Helicobacter pylori sein Überleben im Magen sichert, indem er mithilfe des Enzyms Urease Harnstoff in Ammoniak und Kohlendioxid umwandelt. Der Ammoniak neutralisiert die Magensäure, sodass in unmittelbarer Umgebung des Bakteriums ein neutraler pH-Wert herrscht. Der basische Ammoniak schädigt das Magenepithel, gleichzeitig provozieren die Urease und andere bakterieneigene Enzyme eine starke Immunantwort, sodass es schließlich zu einer Entzündung (Gastritis) kommt. In der Folge kann sich ein Magen- oder auch Zwölffingerdarmgeschwür (peptisches Ulkus ventrikuli oder duodeni) bilden. Auch für die Entstehung eines Magenkarzinoms und eines bestimmten schleimhautassoziierten Non-Hodgkin-Lymphoms (MALT-Lymphom) stellt eine Infektion mit Helicobacter pylori einen Risikofaktor dar.