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Aducanumab

Umstrittene US-Zulassung für ersten Antikörper bei Alzheimer

Gestern Abend hat die US-Arzneimittelbehörde FDA dem monoklonalen Antikörper Aducanumab die Zulassung bei Alzheimer erteilt – der erste neue Wirkstoff in dieser Indikation seit fast 20 Jahren. Das Medikament sorgt jedoch bereits seit Jahren für Schlagzeilen, denn sein Nutzen ist umstritten.
Daniela Hüttemann
08.06.2021  12:00 Uhr
Umstrittene US-Zulassung für ersten Antikörper bei Alzheimer

Es war ein langer Weg zur Zulassung, trotz beschleunigten Verfahrens: Am Montagabend unserer Zeit hat die US-Arzneimittelbehörde den Firmen Biogen und Eisai die Zulassung für Aducanumab (Aduhelm™) zur Behandlung von Alzheimer-Patienten erteilt – ohne Einschränkung für die Schwere oder das Stadium der Erkrankung. Vorausgegangen waren Jahre mit widersprüchlichen Studienergebnissen und Monate interner Streits der FDA-Experten zum Nutzen-Risiko-Verhältnis des humanen monoklonalen Antikörpers.

Es handelt sich zweifelsohne um eine Innovation: Aducanumab ist das erste zugelassene Alzheimer-Medikament, das nicht rein symptomatisch wirkt, sondern in die Pathophysiologie eingreifen soll. Entwickelt wurde die Substanz ursprünglich von der Firma Neurimmune. Der Antikörper richtet sich gegen die aggregierte Form von β-Amyloid – den Eiweißverklumpungen im Gehirn, denen eine Mitschuld an der Alzheimer-Entwicklung zugeschrieben wird. Durch die »Markierung« durch den Antikörper wird der Abbau der Verklumpungen angeregt. Das zeigt sich in einer Verringerung der sogenannten Amyloid-Plaques in der Bildgebung. Dieser Surrogatmarker war im Rahmen des beschleunigten Zulassungsverfahrens ausschlaggebend für die Zulassung, nicht die Besserung der Symptome.

Die FDA begründet ihre Entscheidung damit, dass in drei unabhängigen doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studien mit insgesamt 3482 Alzheimer-Patienten Aducanumab die β-Amyloidplaques im PET-Scan zeit- und dosisabhängig reduzieren konnte. Im Kontrollarm unter Placebo blieben die Plaques unverändert.

Äußerst bemerkenswert ist, dass die FDA keine Einschränkung in Bezug auf Schwere oder Stadium der Alzheimer-Erkrankung macht. Denn an den Studien hatten nur Probanden im frühen Alzheimer-Stadium teilgenommen, also mit milder kognitiver Beeinträchtigung und milder Demenz. Hier extrapoliert die FDA eine Wirksamkeit auch bei Alzheimer-Patienten im fortgeschrittenen Stadium – ein Novum.

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