Überblick über die an BA.1 angepassten Impfstoffe |
Theo Dingermann |
31.08.2022 11:00 Uhr |
Bald wird es für die meisten Menschen in Deutschland wieder Zeit, die Coronaimpfung aufzufrischen. Erste an die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe, mit denen der Booster erfolgen könnte, stehen unmittelbar vor der Zulassung. / Foto: Getty Images/Bloomberg Creative
Sowohl Modernas Covid-19-Impfstoff Spikevax® als auch Comirnaty®, der analoge Impfstoff von Biontech/Pfizer, enthalten eine synthetische, nukleosidmodifizierte Boten-RNA (mRNA), die in Lipid-Nanopartikel verkapselt ist und für das präfusionsstabilisierte Spike-Protein (S-Protein) des Wildtyps von SARS-CoV-2 (Wuhan-Hu-1-Isolat) in voller Länge kodiert. Beide Firmen haben an Omikron angepasste Impfstoffe entwickelt, deren Zulassung in der EU kurz bevorsteht. Die Anpassung erfolgte zunächst an die Omikron-Untervariante BA.1.
Es handelt sich in beiden Fällen um bivalente Vakzinen, die neben der mRNA gegen das Omikron-BA.1-S-Protein auch mRNA gegen das S-Protein des Wildtyps enthalten. Sie wurden aber teils auch als monovalente an Omikron angepasste Impfstoffe charakterisiert. Das von der Impf-mRNA abgeleitete S-Protein der Omikron-Variante enthält im Vergleich zum Wildtyp-S-Protein folgende 37 Mutationen: A67V, H69del, V70del, T95I, G142del, V143del, Y144del, Y145D, N211del, L212I, ins214EPE, G339D, S371L, S373P, S375F, K417N, N440K, G446S, S477N, T478K, E484A, Q493R, G496S, Q498R, N501Y, Y505H, T547K, D614G, H655Y, N679K, P681H, N764K, D796Y, N856K, Q954H, N969K und L981F.
Die hier zusammengefassten Charakteristika der angepassten Impfstoffe wurden Präsentationen entnommen, die Moderna und Biontech/Pfizer mit der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA diskutiert hatten.
Moderna, dessen ursprünglicher Covid-19-Impfstoff den Entwicklungsnamen mRNA-1273 trägt, hat seinen BA.1-angepassten Impfstoff mRNA-1273.211 genannt. Der bivalente Impfstoff, der also mRNA-1273 plus mRNA-1273.211 enthält, heißt mRNA-1273.214. Als Booster-Dosis sind sowohl beim mono- als auch beim bivalenten Impfstoff 50 µg vorgesehen. Das bedeutet, dass eine Booster-Dosis im Fall von mRNA-1273.214 jeweils 25 µg mRNA-1273 plus mRNA-1273.211 enthält und im Fall des monovalenten Impfstoffs 50 µg mRNA-1273.211.
Biontech/Pfizers ursprünglicher Covid-19-Impfstoff BNT162b2 trägt als BA.1-angepasste Variante den Entwicklungsnamen BNT162b2 OMI (BA.1). Geboostert wird in diesem Fall mit 30 µg (monovalenter Impfstoff) beziehungsweise mit jeweils 15 µg BNT162b2 plus BNT162b2 OMI (BA.1), also insgesamt ebenfalls mit 30 µg beim bivalenten Impfstoff.
Hinsichtlich der Charakterisierung präsentieren die Unternehmen Daten zu teils deutlich unterschiedlichen Aspekten, sodass die einzelnen Impfstoffe nicht mehr direkt miteinander verglichen werden können. Beide Unternehmen machen aber Angaben zu den wichtigen Kenngrößen GMT, GMR und GMFR. Was steckt dahinter?
Zum besseren Verständnis zwei Beispiele: Induziert ein nicht angepasster Impfstoff einen GMT von 455 und der entsprechende angepasste Impfstoff eine GMT von 1014, errechnet sich daraus eine Geometric Mean Ratio (GMR) von 2,23. Sie besagt, dass der modifizierte Impfstoff mehr als doppelt so viel Antikörper gegen ein bestimmtes Antigen induziert. Somit erlaubt die GMR, zwei verschiedene Impfstoffe miteinander zu vergleichen.
Demgegenüber erfährt man über den GMFR-Wert, wie gut eine Impfung mit einem bestimmten Impfstoff die Immunantwort auffrischt. Liegt der GMT vor der Impfung bei 208,6 und steigt dann durch die Impfung auf 1810,2, errechnet sich daraus ein GMFR-Wert von 8,7. Das bedeutet, dass der mittlere geometrische Titer durch die Impfung um den Faktor 8,7 gestiegen ist.
Sowohl in den Unterlagen von Moderna als auch von Biontech/Pfizer werden GMR-Werte für die modifizierten Impfstoffe im Vergleich zu den nicht modifizierten Impfstoffen gegen das Wildtypvirus und gegen die Omikron-BA.1-Variante angegeben. Die Unterlagen enthalten zudem Angaben zur GMFR. Klinische Daten des angepassten bivalenten Impfstoffs zur Wirksamkeit gegen die Omikron-Untervarianten BA.4/BA.5 liegen bisher nur für den Moderna-Impfstoff vor.
Moderna | Biontech/Pfizer | |
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GMR des monovalenten angepassten Impfstoffs bezogen auf Omikron BA.1 | 2,23 | |
GMR des bivalenten Impfstoffs bezogen auf Omikron BA.1 | 1,75 | 1,56 |
GMR des bivalenten Impfstoffs bezogen auf das Wildtypvirus | 1,22 | 1,41 |
GMR des bivalenten Impfstoffs bezogen auf Omikron BA.4/BA.5 | 1.69 | |
GMFR des angepassten monovalenten Impfstoffs bezogen auf Omikron BA.1 | 13,5 | |
GMFR des angepassten bivalenten Impfstoffs bezogen auf Omikron BA.1 | 7,8-fach (< 65 Jahre) bis 8,1-fach (> 65 Jahre) | 9,1-fach |
GMFR des nicht angepassten (Original-)Impfstoffs bezogen auf Omikron BA.1 | 4,11-fach (< 65 Jahre) bis 4,8-fach (> 65 Jahre) | |
GMFR des angepassten bivalenten Impfstoffs bezogen auf Omikron BA.4/5 | 6,3-fach | |
GMFR des nicht angepassten (Original-)Impfstoffs bezogen auf Omikron BA.4/5 | 3,5-fach | |
GMFR des angepassten bivalenten Impfstoffs bezogen auf das Wildtypvirus | 4,7-fach (< 65 Jahre) bis 4,8-fach (> 65 Jahre) | 6,9-fach |
GMFR des nicht angepassten (Original-)Impfstoffs bezogen auf das Wildtypvirus | 3,4-fach (< 65 Jahre) bis 4,0-fach (> 65 Jahre) | 8,7-fach |
Diese Daten lassen erkennen, dass man bei den bispezifischen Impfstoffen mit einer etwa doppelt so guten Wirksamkeit hinsichtlich der spezifischen Immunantwort gegen die Omikron-Untervariante BA.1 rechnen kann. Das ist weniger als viele Experten gehofft hatten. Dafür gibt es mehrere potenzielle Gründe, über die die PZ bereits berichtet hat.