Verantwortlicher Einsatz statt rücksichtsloser Absatz |
17.03.2003 00:00 Uhr |
Die Meinungen prallten aufeinander, auch mit gegenseitigen Vorwürfen wurde nicht gespart. Die Argumente reichten von „zu lang, zu kurz, zu wenig umfassend, zu unverständlich, zu akademisch, zu seicht, zu wenig progressiv, zu wenig fordernd“ bis hin zur Warnung „vor dem Spiel mit dem Feuer. Hände weg von der Arzneimittelpreisverordnung“ und „Wir sollten ,mehr Vorsicht walten lassen bei der Schlachtung bislang heiliger Kühe“.
Ergebnis der engagierten Debatte unter Moderation von BAK-Präsident Johannes M. Metzger, war eine gestraffte und zum Teil neuformulierte Fassung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des außerordentlichen Deutschen Apothekertages stimmten ihr mit nur einer Gegenstimme zu. Sie geht nunmehr als Botschaft an Politiker und Medien. ABDA-Vizepräsident Heinz-Günter Wolf hatte zuvor Positionen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände zur Gesundheitsreform vorgestellt.
Paradigmenwechsel gefordert
Mit der Einführung von Diagnosis Related Groups - DRGs, sprich: Fallpauschalen. sowie Disease Management Programmen - DMPs wurden mehrere Paradigmenwechsel eingeläutet, konstatierte er. Auch für die Apotheker muss die Zeit der reinen Arzneilieferverträge nach jetzigem Muster Geschichte werden, wollen sie nicht das Risiko eingehen, auf die Rolle als Arzneimittelhändler begrenzt zu werden, zeigte Wolf sich überzeugt.
Statt der bislang vertraglich nur verwaltungstechnischen Regelung der Arzneimittelversorgung soll in Zukunft die komplette pharmazeutische Versorgung der Patienten in ein vertraglich abgesichertes Fundament gegossen werden. Wolf definierte die Pharmazeutische Vollversorgung durch die wohnortnahe Apotheke, die ihren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag in eigenverantwortlicher freiberuflicher Tätigkeit auf qualitativ hohem Niveau erfüllt, als oberstes Ziel.
Gegen Import von Problemen
Entgegen den Reformbestrebungen der Politik habe die ABDA „andere, bessere und vor allem taugliche Instrumente“ zur Weiterentwicklung der pharmazeutischen Versorgung der Bevölkerung erarbeitet, betonte er. So votieren die Apotheker für die Weiterentwicklung der Arzneimittelpreisverordnung zu einem dynamischen Kombimodell im GKV-Bereich, bei dem preisunabhängige und preisabhängige Komponenten sinnvoll kombiniert werden. Damit sollen einerseits eine stärkere heilberufliche Orientierung ermöglicht, andererseits kaufmännische Erfordernisse gewährleistet werden, so Wolf. Im Nicht-GKV-Bereich müsse die Preisverordnung gegebenenfalls in modernisierter Form erhalten bleiben.
„Versandhandel ist überflüssig. Versandhandel geht mit der Zerstörung der jetzigen Apothekenlandschaft einher. Versandhandel spart kein Geld. Versandhandel ist nur europaweit und nicht national möglich, daher ist die Qualität und Überwachung der Arzneiversorgung bei Einführung dieser Vertriebsform nicht mehr gewährleistet“: Mit aller Deutlichkeit unterstrich Wolf einmal mehr, dass die Apotheker die Freigabe des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln ablehnen. Ob Arzneimittelfälschungen oder mangelnde Verbraucherinformation: Probleme würden importiert, die im Rahmen der deutschen strengen Gesetzgebung bislang nicht aufgetaucht sind.
Gesamtbeurteilung notwendig
Die Apotheker bieten statt dessen ein Hausapothekenmodell inklusive eines Home-Service-Systems an. Sie sind dem Versandhandel sowohl unter Aspekten der Kosten, Arzneimittelsicherheit und Versorgungsqualität als auch der „Convenience“ überlegen. Wolf: „Wir werden immer wieder aufgefordert, uns fit zu machen für Europa. Genau das machen wir“. Es sei streng im Kontext mit dem Versandhandelsverbot zu sehen, dass die Apotheker eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes ablehnen. Eine solche Aufhebung hätte zwangsläufig eine Industrialisierung der Arzneimittelversorgung zur Folge. Der jetzige Grundsatz, dass jeder freiberufliche Apothekenleiter persönlich für Qualität und Versorgung haftet, sei dann nicht mehr gegeben.
Wolf führte weiter aus, dass die Apotheker die Bemühungen des BMGS um eine sinnvolle Einführung der Telematik im Gesundheitswesen, also eine Patientengesundheitskarte unterstützen. Auch der Prüfung der Versorgung mit bedarfsgerechten Arzneimittelmengen stünden die Apotheker aufgeschlossen gegenüber. Wolf: „An sinnvollen Kosten-Nutzen-Bewertungen von Arzneimitteln werden wir uns beteiligen“. Nach seiner Auffassung habe sich die Bewertung der Arzneimittel besonders in der Politik viel zu sehr auf den Preis, das heißt auf das Arzneimittel als Kostenfaktor für die Krankenkassen, reduziert. Ein gesamtwirtschaftliche Beurteilung sei notwendig, auch wenn diese nicht im Interesse und zum Nutzen der Krankenkassen sei.
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