Teprotumumab zur Zulassung empfohlen |
Brigitte M. Gensthaler |
29.04.2025 14:00 Uhr |
Ein typisches Symptom der Autoimmunerkrankung Morbus Basedow (Graves’ Disease) sind hervortretende Augäpfel. Dieser Exophthalmus wird als endokrine Orbitopathie bezeichnet. / © Getty Images/Veronique Beranger (Symbolbild)
Eine endokrine Orbitopathie (EO) ist bei sehr vielen Patienten mit Morbus Basedow nachweisbar. Es ist eine Autoimmunerkrankung der Orbita (Augenhöhle), bei der es zur Entzündung und Volumenvermehrung von Muskeln, Fett und Bindewebe um und hinter dem Auge kommt. Die Augen treten hervor (Exophthalmus oder Proptosis). Die Betroffenen klagen häufig über Trockenheit, Druck- und Fremdkörpergefühl im Auge, haben Augenschmerzen und sehen Doppelbilder. In schweren Fällen drohen Sehnervschäden und Sehverlust.
Die Erkrankung verläuft in aktiven und inaktiven Phasen. Eine aktive Erkrankung erfordert meist eine systemische immunmodulatorische Therapie, zum Beispiel mit Prednisolon-Infusionen oder Immunsuppressiva (alle off Label). Dies gilt auch für Antikörper gegen am Entzündungsprozess beteiligte Rezeptoren wie Rituximab (Anti-CD20), Tocilizumab (Anti-Interleukin-6-Rezeptor) sowie Teprotumumab, das sich gegen den Rezeptor für IGF-1R (Insulin ähnlicher Wachstumsfaktor Rezeptor 1) richtet. Der Überexpression des IGF-1-Rezeptors in den retrobulbären Fibroblasten und den B- und T-Zellen kommt eine zentrale Rolle bei der Orbitopathie zu.
Zur Therapie der aktiven Erkrankung ist Teprotumumab seit 2020 in den USA zugelassen. Das Medikament wird alle drei Wochen intravenös infundiert. Jetzt hat die EMA die Zulassung von Tepezza® in Europa empfohlen (Amgen Europe).
Die Entscheidung der Experten basiert auf drei randomisierten, placebokontrollierten Studien mit insgesamt 225 Patienten mit aktiver Erkrankung und einer Studie mit 62 Patienten mit chronischer EO. Nach 24 Wochen war die Augenvorwölbung aus der Augenhöhle unter Verum (initial 10 mg/kg Körpergewicht, dann 20 mg/kg KG, insgesamt acht Dosen) signifikant zurückgegangen (–2 bis –2,3 mm). Entzündungszeichen und Beschwerden, gemessen mit dem Clinical Activity Score (CAS), hatten sich signifikant verbessert. Bei Patienten mit chronischer Erkrankung war der Rückgang des Exophthalmus geringer (–1,5 mm).
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Muskelkrämpfe, Magen-Darm-Probleme, Alopezie, Hyperglykämie, Fatigue und Kopfschmerzen. Schwerwiegender sind Hörminderung und Hörverlust, die bei manchen Patienten anhalten können. Präklinische Studien zeigten ein mögliches Risiko für die fetale Entwicklung an.
Wie häufig die Hörschäden sind, wird intensiv diskutiert. In einer kleinen Studie fanden die Autoren um Dr. Andrea Kossler von der Stanford University School of Medicine in Menlo Park, Kalifornien, bei 13 von 28 Patienten (46 Prozent) otologische Symptome.
Dass die Behandlung langfristig nützt, zeigte eine 2024 publizierte Langzeitstudie. Die Forschungsgruppe um George J. Kahaly von der Johannes Gutenberg Universität Mainz hat die insgesamt 112 Patienten, die in einer Phase-II-Studie, der Phase-III-Studie OPTIC und der Verlängerungsstudie OPTIC-X je sieben bis acht Teprotumumab-Infusionen erhalten hatten, bis Woche 72 weiter beobachtet und zusätzlich bis zu Woche 120 nachverfolgt, ob im Verlauf zusätzliche Alternativtherapien notwendig wurden.
Zu Woche 72 wiesen immer noch 91 Prozent ein Therapieansprechen mit Verbesserung im CAS-Score auf. Fast 73 Prozent profitierten weiter bei den Doppelbildern und 68 Prozent beim Exophthalmus. Letztlich hatten rund 70 Prozent eine inaktive Erkrankung. Zudem brauchten 82 Prozent der Patienten keine zusätzliche Augentherapie über 99 Wochen nach der letzten Teprotumumab-Dosis.