Antikörper gegen hervortretende Augäpfel |
Sven Siebenand |
21.09.2023 14:00 Uhr |
Die hervortretenden Augäpfel bei Morbus Basedow werden als endokrine Orbitopathie bezeichnet. / Foto: Adobe Stock/Andriy Blokhin
Anlässlich einer Pressekonferenz der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft informierte Professorin Dr. Anja Eckstein vom Universitätsklinikum Essen über Morbus Basedow, die dabei auftretenden Augensymptome, die sogenannte endokrine Orbitopathie, sowie die alten und neuen Behandlungsmöglichkeiten.
Morbus Basedow wurde erstmals im Jahr 1840 beschrieben (siehe Kasten). Heute weiß man, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Autoantikörper binden nicht nur an den TSH-Rezeptor (TSHR) in der Schilddrüse. Sie binden auch an TSHR auf Bindegewebszellen der Augenhöhle. Die Autoantikörper stimulieren zudem den Wachstumsfaktorrezeptor IGF1R (Insulin ähnlicher Wachstumsfaktor Rezeptor 1). Wie Eckstein erklärte, wird über diese Mechanismen die Produktion von Hyaluronsäure zu stark angekurbelt. In der knöchern begrenzten Augenhöhle sei ein Zuviel an Hyaluronsäure fehl am Platz. Die Volumenvermehrung schiebt die Augäpfel dann nach vorne. Zudem vertragen auch die Augenmuskeln die Hyaluronsäure nicht. Sie verdicken und vernarben. Dadurch wird wiederum die Beweglichkeit der Augäpfel schlechter. Und da nicht alle Augenmuskeln gleichzeitig befallen sind, stehen die Augen dann oft in einer Schielstellung. Die Folge kann dann ein Doppeltsehen sein.
Im Jahr 1840 beschrieb Carl Adolph von Basedow in Merseburg die später im deutschsprachigen Raum nach ihm benannte Krankheit. Die kennzeichnenden Merkmale werden in der Medizin bis heute als Merseburger Trias bezeichnet. Sie umfasst die hervortretenden Augäpfel, die vergrößerte Schilddrüse und den beschleunigten Herzschlag bei den Betroffenen.
Die bisherigen Behandlungsstrategien bei endokriner Orbitopathie sind immunsuppressive Maßnahmen, etwa Corticoide und Mycophenolat. Sie haben im Wesentlichen einen antientzündlichen Effekt. »Der proliferative Umbau wird damit aber nicht bereinigt«, stellte die Expertin klar. Aus diesem Grund müssen bisher bei stärker Betroffenen später im Verlauf – wenn die Krankheitsdynamik zum Stillstand gekommen ist – Korrekturoperationen durchgeführt werden.
Zukünftig werden laut Eckstein viele Operationen voraussichtlich nicht mehr nötig sein. Sie bezeichnete den in den USA schon zugelassenen Antikörper Teprotumumab (Tepezza®) als Gamechanger. Der alle drei Wochen intravenös zu infundierende Antikörper blockiert den IGF1-Rezeptor und kann damit die übermäßige Hyaluronsäureproduktion bremsen. Laut der Medizinerin bilden sich die Augäpfel meist schon nach vier Infusionen des Antikörpers wieder in die Augenhöhlen zurück. In der Regel werde über 24 Wochen therapiert (acht Infusionen). Ein Relapse trete nur bei wenigen Patienten auf.
Eckstein ging auch auf mögliche Nebenwirkungen der Antikörpertherapie ein. Die Blockade des IGF1-Rezeptors könne zum Beispiel auch insulinähnliche Wirkungen blockieren, sodass der Blutzucker ansteigen kann.
Bislang ist Teprotumumab in der EU noch nicht zugelassen. Die Referentin rechnet aber damit, dass sich dies in den kommenden 12 bis 18 Monaten ändern könnte. Abschließend informierte sie, dass weitere Therapeutika zur Behandlung der endokrinen Orbitopathie in der Entwicklung sind. Eines davon ist ein niedermolekularer Antagonist am IGF1-Rezeptor, Linsitinib. Dieser ist oral verfügbar und soll nun in einer Phase-IIb-Studie bei endokriner Orbitopathie untersucht werden.