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Südafrika

Telemedizin als Brückenbauer

Mobile E-Health-Lösungen sind in Südafrika weitverbreitet, um medizinisch unterversorgte Gebiete besser erreichen zu können. Noch ist die IT-Landschaft sehr zersplittert. Die Regierung plant jedoch Reformen. Auch Medikamentenautomaten kommen zum Einsatz.
Jennifer Evans
18.09.2018  16:03 Uhr

Südafrika hat bereits vor einigen Jahren eine E-Health-Strategie entwickelt. Kernpunkt dieser ist der Aufbau eines landesweiten am Patienten orientierten Gesundheitsinformationssystems. Es soll mit Echtzeitdaten arbeiten und unterschiedliche Einrichtungen und Kliniken miteinander vernetzen. Derzeit existiert zwischen den IT-Systemen im Gesundheitssektor nahezu kein Austausch. Laut dem 36 Seiten langen Strategiepapier fehlt es vor allem an Koordination und Interoperabilität. Zudem existieren noch viele per Hand geführte Krankheitsakten, die künftig ebenfalls in das neue System integriert werden sollen.

Um der geografischen Schieflage medizinischer Versorgung Rechnung zu tragen, hat Gesundheitsminister Aaron Motsoaledi in diesem Juli zwei Gesetzentwürfe vorgelegt. Teil seiner Reformpläne ist neben der Einführung einer umfassenden Gesetzlichen Krankenversicherung die Modernisierung der IT-Infrastruktur. Außerdem hat der Minister vor, künftig private und öffentliche Gesundheitsakteure zu vernetzen und eine Quersubventionierung einzuführen. Einer Regierungsstatistik zufolge arbeiten nämlich etwa 70 Prozent der südafrikanischen Ärzte im privaten Sektor. Aber knapp 85 der Bevölkerung sind auf das öffentliche Gesundheitssystem angewiesen. Zudem will Motsoaledi, dass reiche, gesunde und junge Menschen künftig die armen, kranken und alten unterstützen.

Ein Erfolgsprojekt mit Blick auf eine bessere Medikamentenversorgung hat das südafrikanische Gesundheitsministerium bereits 2016 zusammen mit dem Mobilfunkanbieter Vodacom ins Leben gerufen. Das sogenannte Stock Visibility System (SVS) dient der Verwaltung von Arzneimitteln innerhalb der Primary Health Care Clinics, den ländlichen Gesundheitszentren. Bei der Abgabe von Arzneimitteln ist es dort in der Vergangenheit immer wieder zu Engpässen gekommen, besonders bei HIV- und Tuberkulose-Präparaten. Nach Angaben von Motsoaledi checkt das SVS-Verfahren nun in Echtzeit mithilfe von mobilen Barcode-Scannern den lokalen Bestand einer Clinic und meldet diesen an die zentrale Behörde National Surveillance Centre. Sie ist für die Bedarfsplanung zuständig. Muss ein Präparat nachbestellt werden, sendet das System automatsch eine Nachricht an mehrere Verantwortliche innerhalb der Lieferkette. Auch meldet es, wenn das Verfallsdatum eines Medikaments naht. Selbst bei Netzausfall soll es Motsoaledi zufolge keine Datenverluste geben, weil die Informationen kontinuierlich gespeichert werden. Das SVS habe die Verfügbarkeit von wichtigen Arzneimittel verbessert und folglich auch die Therapie für Patienten, bilanziert der Politiker.

Arznei vom Automaten

Für Chroniker auf dem Land könnte die Arzneimittelmittelversorgung bald zu einem großen Teil telemedizinisch ablaufen, wie aus einem Bericht der Nachrichtagentur Reuters hervorgeht. Das südafrikanische Gesundheitsministerium hat demnach zusammen mit der Organisation Right to Care im März den ersten Arzneimittel-Automaten Afrikas in Johannesburgs Township Alexandra aufgestellt. Er soll beispielweise HIV-Kranken oder Diabetikern lange Anfahrtswege und nervenaufreibende Wartezeiten von bis zu zwölf Stunden in den Gesundheitszentren ersparen. Die so verlorenen Arbeitsstunden stellen nämlich auch ein wirtschaftliches Problem dar. Am Automaten können die Patienten nun per Video direkt mit einem Apotheker sprechen. An die nächsten Abholtermine erinnert sie dann ein Cloud-basiertes SMS-System. Die Robotik-Technologie dieser sogenannten Pharmacy Dispensing Units ist im Rahmen des Projekts Pharmacy of the Future in Deutschland entwickelt worden.

Ein Vorteil für die Gesundheit der Menschen am Kap ist auch die gute Mobilfunkabdeckung. Schätzungen der Regierung zufolge werden bis 2019 gut 80 Prozent der Bevölkerung ein Handy besitzen. Schon jetzt können werdende Mütter, die in abgelegenen Gebieten wohnen, eine Initiative des Gesundheitsministeriums nutzen und in einer der elf offiziellen Landessprachen kostenfrei Tipps rund um die Schwangerschaft per SMS erhalten. Auch medizinisches Fachpersonal antwortet ihnen via Kurznachricht auf Fragen. Nicht nur die Patienten auf dem Land profitieren von ihren Mobiltelefonen. Auch das medizinische Personal in den Gesundheitszentren. Eine App, die ebenfalls das Gesundheitsministerium entwickelt hatt, bietet ihnen seit 2015 Richtlinien und Handlungsempfehlungen im Umgang mit HIV- und Tuberkulose-Patienten.

Diagnose per Video

Telemedizin macht es außerdem möglich, dass bestimmte Untersuchungen in ländlichen Gesundheitseinrichtungen überhaupt erst stattfinden können. Denn dort arbeiten nur wenige voll ausgebildete Mediziner. Einige Clinics schließen daher elektronische Stethoskope, Blutdruckmess-, Ultraschall- oder Röntgengeräte an eine Kommunikationsplattform an. In einem entfernten virtuellen E-Health-Zentrum stellt dann ein Arzt per Videokonferenz die Diagnose. Die anschließende Behandlung übernehmen die Clinic-Mitarbeiter auf dem Land. Das Projekt stammt vom Unternehmen Africa Healthcare. Nach Angaben von dessen Chefin Lynette Moretlo Molefi haben sich so 75 Prozent der Kranken den oft langen und beschwerlichen Weg zum Arzt erspart, weil sie den Spezialisten gar nicht persönlich treffen mussten. Auch zu virtuellen Nachuntersuchungsterminen seien mehr Patienten erschienen, weil die lange Anreise entfiel.

 

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