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Tag der seltenen Erkrankungen

Tausende Orphan Drugs in der Pipeline

Eigentlich ist der Tag der seltenen Erkrankungen der 29. Februar, doch natürlich soll jedes Jahr auf die sogenannten Waisenkinder (Orphans) der Medizin hingewiesen werden. Die Zahl spezifischer Medikamente wächst, auch wenn angesichts der schätzungsweise mehr als 8000 seltenen Erkrankungen noch ein großer Bedarf besteht.
PZ
28.02.2022  07:00 Uhr

In der EU ist eine Erkrankung als selten definiert, wenn maximal fünf von 10.000 Menschen daran leiden. Bislang sind etwa 8000 dieser sogenannten Orphan Diseases bekannt. In Deutschland sind schätzungsweise vier Millionen Menschen von einer dieser Erkrankungen betroffen – insgesamt sind die seltenen Erkrankungen also gar nicht so selten.

Die Forschung und Entwicklung spezifischer Medikamente wird seit dem Jahr 2000 in der EU speziell gefördert, da sie sich sonst für die Pharmaunternehmen nicht rentiert. Mittlerweile  gibt es laut Angaben des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa) 200 Wirkstoffe als Orphan Drugs, von denen 94 Prozent auch in Deutschland verfügbar seien. Die Zulassungen beziehen sich auf etwa 150 seltene Erkrankungen, darunter 41 Prozent für Krebs- und 22 Prozent für Stoffwechselerkrankungen. 2021 war etwa jedes vierte neu in Deutschland eingeführte Medikament ein Orphan Drug.

»Nachdem sich über Jahrzehnte viel zu wenig bei Therapien für Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen getan hatte, sehen wir endlich Schwung in diesem Sektor«, teilte vfa-Chef Han Steutel kürzlich in einer Pressemitteilung mit. Es gebe noch viel zu tun. Daher plädiert der vfa für die Beibehaltung der aktuellen Regelungen zum Orphan-Drug-Status. Die gegenwärtige Regelung funktioniere gut und sollte nicht angepasst werden, was angesichts der hohen Therapiekosten zum Teil gefordert wird. 

Unter anderem der AOK-Bundesverband sieht dies ganz anders. Orphan Drugs würden »wegen des hohen Therapiebedarfs oft auf der Grundlage kleiner oder unvollständiger Studien beschleunigt zugelassen«. Mit Bezug auf ein IQWiG-Gutachten moniert die Krankenkasse, »dass nur bei jedem zweiten dieser Medikamente am Ende ein Nutzen nachgewiesen werden kann«. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Dr. Carola Reimann, forderte deshalb, die Ausnahmeregelungen für Orphan Drugs abzuschaffen.

Zahlreiche weitere Orphan Drugs finden sich in der Entwicklung. Der vfa spricht auf seiner Website von etwa 2400 Medikamenten (Stand November 2021). 16 Prozent der Arzneimittelprojekte der vfa-Mitgliedsunternehmen in fortgeschrittener klinischer Entwicklung hätten einen Orphan-Drug-Status. 

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