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Schilddrüse

Taktgeber für den Stoffwechsel

Das Multitalent Schilddrüse beeinflusst mit seinen Hormonen fast den ganzen Organismus. Entsprechend wichtig ist, dass es sich im Gleichgewicht befindet. Sowohl eine Über- als auch Unterfunktion schränken die Lebensqualität ein. Viele Patienten müssen lebenslang Medikamente einnehmen.
AutorKontaktNicole Schuster
Datum 03.09.2020  11:00 Uhr

Das Leichtgewicht wiegt nur bis zu 25 g und ist in etwa so groß wie eine Walnuss. Es liegt im Bereich des Kehlkopfs und besteht aus rund drei Millionen winzigen Bläschen, den Follikeln.

Die Schilddrüse steuert etliche Körperfunktionen. Ob Herz-Kreislauf-System, Verdauung, Knochenaufbau, Nerven- und Muskelfunktion, Sexualität und Fruchtbarkeit, das Heranreifen des ungeborenen Lebens während der Schwangerschaft oder die Psyche: Ohne die Hormone der Schilddrüse gerät einiges aus dem Gleichgewicht.

Hypothalamus und Hypophyse steuern die Hormonproduktion. Der Hypothalamus schüttet stoßartig das Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) aus. TRH regt die Hypophyse dazu an, das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) freizusetzen, das wiederum die Produktion und Freisetzung der Schilddrüsenhormone steigert. Unter dem Einfluss von TSH nimmt die Drüse mehr Iod aus dem Blut auf. Enzyme werden aktiv und stellen aus der Hormonspeicherform Thyreoglobulin und vier Iodatomen Thyroxin (T4) her sowie aus Thyreoglobulin und drei Iodatomen das biologisch wirksamere Triiodthyronin (T3). Dazu knüpfen sie vier beziehungsweise drei Iodatome an die Tyrosin-Anteile der Speicherform an.

T3 und T4 gelangen eiweißgebunden über die Blutbahn zu ihren Wirkorten, den übrigen Zellen des Körpers. In die Zellen gelangen sie durch spezifische Transporterproteine. Menschen, denen wegen eines Gendefekts bestimmte Transporterproteine fehlen, leiden unter schweren neurologischen Störungen, die sich bereits früh in der Entwicklung bemerkbar machen (1, 2). Ein Beispiel ist die seltene, X-chromosomal vererbte Erkrankung Allan-Herndon-Dudley-Syndrom. Das AHDS macht sich durch schwerste geistige Entwicklungsverzögerungen und Störungen der Motorik und des Muskelaufbaus bemerkbar. Als Ursache haben Forscher Mutationen in einem Gen identifiziert, das für den Monocarboxylat-Transporter 8 (MCT8) kodiert, der spezifisch für das Hormon T3 ist (3).

Ohne Iod geht es nicht

Essenziell für die Produktion von T3 und T4 ist Iod. Der Bedarf an diesem Spurenelement beträgt für einen Erwachsenen gemäß der Deutschen Gesellschaft für Ernährung etwa 180 bis 200 µg täglich (4). Normalerweise lässt sich der Bedarf durch die Ernährung und die Verwendung von Iodsalz decken; eine Substitution sollte mit einem Arzt besprochen werden. Symptome wie eine höhere Infektanfälligkeit, eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Müdigkeit können auf einen Iodmangel und infolgedessen einen Mangel an T3 und T4 hindeuten (1, 2).

Auch verschiedene benigne Erkrankungen der Schilddrüse können zu einem Mangel oder Überschuss an Schilddrüsenhormonen führen. Ob eine Funktionsstörung vorliegt, erkennt der Arzt an spezifischen Blutwerten. »Für die meisten Patienten ist die Konzentration an TSH der wichtigste Marker«, sagt Professor Dr. Lars Möller, Oberarzt der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel am Universitätsklinikum Essen, im Gespräch mit der PZ.

Gute Iodquelle für die Ernährung: Meersalz / Foto: Adobe Stock/Thierry RYO
Gute Iodquelle für die Ernährung: Dorsch / Foto: Adobe Stock/Piotr Wawrzyniuk

Hyperthyreose: Symptome und wichtige Ursachen

Eine latente Hyperthyreose (Überfunktion) diagnostizieren Ärzte, wenn nur das TSH erniedrigt ist (5). Bei der manifesten Hyperthyreose sind zusätzlich die Spiegel von Thyroxin und Triiodthyronin erhöht und ihre Effekte machen sich verstärkt bemerkbar. Betroffene fühlen sich unruhig und nervös, bemerken einen Gewichtsverlust bei gesteigertem Appetit, Wärmeintoleranz und verstärktes Schwitzen. Sie können möglicherweise schlecht schlafen, ermüden schnell und nehmen gelegentlich Störungen wie Haarausfall, häufige Darmentleerungen (Diarrhö), Muskelschwäche und Kraftlosigkeit wahr. Auch ein arterieller Hypertonus und tachykarde Herzrhythmusstörungen können auftreten (1, 5).

Eine der häufigsten Ursachen für eine Hyperthyreose ist die Schilddrüsen-Autonomie, vor allem bei älteren Menschen. Dabei bilden sich Bereiche innerhalb des Organs, die nicht von der hypothalamisch-hypophysären Achse reguliert werden und losgelöst vom Regelkreis (»autonom«) Hormone produzieren. Die autonomen Bereiche stellen so viele Hormone her, dass eine Hyperthyreose resultiert.

Als Ursache nehmen Experten einen chronischen Iodmangel an. In Regionen mit schlechter Iodversorgung tritt die Krankheit entsprechend häufiger auf. Zur Diagnose dient eine Schilddrüsenszintigrafie, also ein spezielles bildgebendes Verfahren beim Arzt (6, 7).

Die zweithäufigste Ursache für eine Schilddrüsen-Überfunktion ist die Autoimmunkrankheit Morbus Basedow. Die meisten Menschen erkranken im mittleren Lebensalter, Frauen sind in der Überzahl. Die Betroffenen bilden Antikörper, die gegen den TSH-Rezeptor gerichtet sind und diesen stimulieren (TSH-R-AK). Faktoren wie Stress, Nikotin oder auch eine übermäßige Einnahme von Iod können zum Ausbruch der Krankheit führen. Klassische Merkmale sind eine Organvergrößerung (Struma), Exophthalmus (»Glupschaugen«) und Tachykardie (Herzrasen). Heute wird die Erkrankung oft so früh diagnostiziert, dass das Organ noch gar nicht vergrößert ist.

Patienten mit Morbus Basedow leiden an den typischen Symptomen einer Schilddrüsen-Überfunktion (Tabelle 1). Im Krankheitsverlauf können sich eine Augenhöhlenerkrankung mit Entzündung (endokrine Orbitopathie) und Lichtscheu sowie das Sehen von Doppelbildern entwickeln (8, 9).

Organsystem, Funktion Unterfunktion Überfunktion
Augen Schwellungen um die Augenhöhle, zu Schlitzen verengte Augen Morbus Basedow: Hervortreten der Augäpfel (Exophthalmus), starrer Blick mit Lidschwellungen und Bindehautentzündung
Haut, Temperaturempfinden trocken, rau und verdickt, gelbliche Verfärbungen durch Einlagerung von Karotin, kühle, trockene Haut mit Kälteintoleranz, fehlendes Schwitzen feuchtwarm, samtartig. Erhöhte Körpertemperatur, Überempfindlichkeit gegen Wärme, Schwitzen
Haare und Nägel glanzlos, struppig, Haarausfall brüchige Fingernägel und Haare, Haarausfall
Psyche Apathie, Schwerhörigkeit, Durchblutungsstörungen mit Missempfindungen, Gefühl von »Ameisenlaufen« auf der Haut Nervosität, Aggressivität, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Kopfschmerz
Kropf teilweise Kropfbildung Kropf oder Struma möglich
Gewicht Zunahme ohne Änderung der Ernährungsgewohnheiten Abnahme trotz starken Hungergefühls
Magen-Darm-Trakt Obstipation Durchfall
Herz-Kreislauf-System verlangsamte Herzfrequenz, niedriger Blutdruck vorübergehend oder ständig erhöhter Puls (Tachykardie), Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, beengendes Gefühl in der Herzgegend
Knochen, Muskeln, Sensorik verlangsamte Reflexe, Verkrampfungen der Muskulatur, Muskelschwäche, Karpaltunnelsyndrom Muskelkrämpfe und Zittern, feinschlägiger Fingertremor, Muskelschwäche, Knochenveränderungen (Osteoporose) bei lang bestehender unbehandelter Überfunktion
Geschlechtsorgane bei schweren Formen: Hyperprolaktinämie, Galaktorrhö, Zyklusstörungen, Einschränkungen von Libido, Fruchtbarkeit und Potenz Menorrhagien, Libido- und Potenzverlust, gesteigerte Estrogen-Synthese, Zyklusstörungen, erhöhte Abort- und Totgeburtenrate
Blutbild Veränderungen wie Hämoglobin- und Erythrozytenmangel, erhöhter Cholesterolspiegel Hyperglykämie
Tabelle 1: Mögliche Symptome bei einer Über- und Unterfunktion der Schilddrüse (22–25)

Wichtigster erster Blutwert ist auch hier das Serum-TSH. Der Arzt prüft weiterhin den Wert von freien Hormonen (fT4 und fT3) und insbesondere auch, ob TSH-Rezeptor-Antikörper vorhanden sind. Letzteres beweist die Diagnose praktisch.

Krankheit kann ausheilen

Als medikamentöse Behandlungsoption stehen Thyreostatika zur Verfügung. Dazu zählen Wirkstoffe vom Thioamid-Typ (Thiamazol und Carbimazol) sowie Propylthiouracil (PTU). Das Prodrug Carbimazol wandelt die Leber in das biologisch wirksame Thiamazol um. Die Arzneistoffe hemmen dosisabhängig das Enzym Schilddrüsenperoxidase, das für die Iodination von Tyrosin notwendig ist. Die Synthese an Hormonen sinkt. Ein zusätzlicher Effekt von PTU ist, dass es die Umwandlung von T4 zu T3 stört.

Einen anderen Wirkmechanismus hat Natriumperchlorat. Es hemmt spezifisch den Natrium-Iod-Symporter, sodass Iodid nicht mehr in die Schilddrüse gelangen kann. Es wird daher vor allem bei Patienten mit Schilddrüsen-Überfunktion gegeben, bei denen die Gabe iodhaltiger Kontrastmittel unvermeidbar sind.

Wie die Wirkung treten auch die Nebenwirkungen der Medikamente dosisabhängig auf. Das Apothekenteam sollte den Patienten darauf hinweisen, dass Effekte frühestens sechs bis acht Tage nach Therapiebeginn bemerkbar werden. Das liegt daran, dass die Wirkstoffe keinen Einfluss auf die bereits produzierten und im Körper wirkenden Schilddrüsenhormone haben, deren Halbwertszeit bei etwa sieben Tagen liegt.

Betroffene sollen die Thyreostatika in der Regel zunächst ein Jahr lang einnehmen. Bei etwa der Hälfte der Patienten findet die Schilddrüse danach ins Gleichgewicht zurück (10).

Um Symptome der Hyperthyreose wie Tachykardie und Rhythmusstörungen speziell bei Patienten mit kardialen Risikofaktoren und Vorerkrankungen zu behandeln, kann der Arzt zusätzlich Betablocker verschreiben. Mittel der Wahl ist Propranolol, da es als Nebeneffekt auch die Umwandlung von T4 zu T3 hemmt.

Radioiodtherapie oder Operation

Bei einem Rezidiv oder wenn eine Remission innerhalb von zwölf bis 18 Monaten nach Therapiebeginn ausbleibt, können eine Radioiodtherapie oder alternativ die operative Entfernung der gesamten Schilddrüse (Thyreoidektomie) angezeigt sein.

Bereits seit mehr als 50 Jahren wird [131I]Natriumiodid in der Radioiodtherapie eingesetzt (mehr zu Radiopharmaka lesen Sie im Beitrag SARS-CoV-2: Was sich in der Beratung ändert). Die Behandlung basiert auf der hochselektiven Aufnahme von freiem Iodid aus dem Blut in die Schilddrüse. Da sich Iod hier anreichert, aus dem übrigen Körper jedoch rasch ausgeschieden wird, bleibt die Strahlung exakt lokal beschränkt. Die Wirkung tritt verzögert nach sechs bis zwölf Wochen ein.

Die definitiven Therapien (Radioiodtherapie und Operation) empfehlen Ärzte in der Regel als Mittel der Wahl bei einer Schilddrüsen-Autonomie (5, 8, 9).

Stoffwechsel im Sparmodus

Häufiger noch als eine Überfunktion ist die Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose). Wegen dieser Störung substituieren mehr als 4 Millionen Menschen in Deutschland das Schilddrüsenhormon Levothyroxin.

Die latente Unterfunktion fällt durch ein erhöhtes TSH auf, während die Schilddrüsenhormone noch im Referenzbereich liegen. Laut der Leitlinie »Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis« (DEGAM, 2016) gilt ein TSH-Wert über 4,0 mU/l als pathologisch (12). »Bei älteren Menschen gibt es aber Hinweise, dass höhere TSH-Werte mit einer besseren Prognose verbunden sind«, sagt Möller. Die DEGAM-Leitlinie orientiert sich an Erkenntnissen aus den USA, denen zufolge für 70- bis 79-Jährige ein oberer TSH-Referenzwert von 5,9 mU/l, für über 80-Jährige von 7,5 mU/l anzustreben ist (11, 12).

Mit der verstärkten TSH-Produktion versucht der Körper, der Hypothyreose entgegenzuwirken. »Von einer Messung allein sollte aber keine Diagnose abhängig gemacht werden«, warnt der Experte. Denn Faktoren wie die circadiane Rhythmik, Ernährung, Körpergewicht, Medikamente wie Heparin, Glucocorticoide oder hoch dosierte Acetylsalicylsäure sowie die Iodversorgung beeinflussen den TSH-Wert. Daher sollte eine Wiederholungsmessung nach drei Monaten erfolgen – immer unter denselben Bedingungen wie die Erstbestimmung.

Zu den Symptomen der Hypothyreose zählen ein verlangsamter Herzschlag (Bradykardie), schnellere Ermüdbarkeit, Erschöpfung, Kälteintoleranz und Gewichtszunahme. Auch Störungen wie Verstopfung, Zyklusunregelmäßigkeiten, Unfruchtbarkeit, Erschöpfung oder Depressionen können auftreten (Tabelle 1). Äußerlich fallen eine kühle trockene Haut, brüchiges trockenes Haar oder Haarausfall auf. Bleibt eine angeborene Unterfunktion unbehandelt, sind schwere, irreversible körperliche und geistige Behinderung beim heranwachsenden Kind die Folge (1, 13).

Es sind angeborene von erworbenen Formen der Unterfunktion zu differenzieren. Ärzte unterscheiden zudem auch hier eine latente Form, bei der bei erhöhtem TSH-Wert der Wert von fT4 normal ist, von der manifesten Funktionsstörung, bei der fT4 bei erhöhtem TSH-Wert erniedrigt ist (12).

Etwa 1 bis 2 Prozent der Menschen in Deutschland leiden an der manifesten Form, an der latenten sogar bis zu 10 Prozent. Je nach Ursache müssen vor allem Patienten mit einer manifesten Unterfunktion lebenslang Schilddrüsenhormone substituieren. Bei der latenten Form ist die Indikation individuell zu stellen. »Die Entscheidung hängt unter anderem ab von der Höhe des TSH-Werts und vom Alter und den Vorerkrankungen des Patienten«, sagt Möller.

Antikörper gegen die Schilddrüse

Die häufigste Ursache für eine Hypothyreose ist die Hashimoto-Thyreoiditis. Die Autoimmunerkrankung äußert sich durch eine chronische Entzündung der Schilddrüse, durch die Gewebe zerstört wird. Etwa 5 Prozent der Menschen weisen entsprechende Schilddrüsen-Autoantikörper (Thyreoperoxidase-spezifische Antikörper, TPOAk) auf. Dies allein bedingt allerdings noch keinen krankhaften Zustand.

Die Mehrzahl der Patienten ist weiblich und im mittleren Lebensalter, die Prävalenz steigt mit zunehmendem Lebensalter. Eine genetische Prädisposition liegt vor.

Bei der Hashimoto-Krankheit ist die hypotrophe, chronisch verlaufende Form häufig. Hierbei nimmt die Organgröße im Lauf der Jahre ab und die Hormonproduktion sinkt. Eine verwandte Form ist die postpartale Thyreoiditis, die bei 5 bis 10 Prozent der Frauen innerhalb eines Jahres nach einer Schwangerschaft auftritt. Diese Störung besteht oft nur vorübergehend und normalisiert sich bei vielen Patientinnen wieder.

Die Erkrankung kann mit einer Schilddrüsen-Überfunktion begingen. Im weiteren Verlauf entsteht eine latente (TSH erhöht, fT3 und fT4 normal) und dann eine klinisch manifeste Hypothyreose (TSH erhöht, fT4 und/oder fT3 erniedrigt). Eine ursächliche Therapie gibt es bisher nicht. Die Betroffenen müssen vorübergehend Schilddrüsenhormone substituieren (12, 14).

Levothyroxin als Monotherapie

Bei einer behandlungsbedürftigen Hypothyreose verschreiben Ärzte zur Substitution Levothyroxin (L-Thyroxin). Dieses gehört zu den drei verordnungsstärksten Arzneistoffen in Deutschland (lesen Sie dazu auch den Beitrag Steckbrief Levothyroxin-Natrium) (19). Laut der DEGAM-Leitlinie sind T3 alleine, T3/T4-Kombinationen und natürliche Schilddrüsenpräparate für die Therapie nicht geeignet (12).

Warum? T3 wirkt rasch, die Wirkung lässt aber schnell wieder nach. Bei einigen wenigen Schilddrüsenerkrankungen ist diese schnelle Wirkung erwünscht. Die Anwendung ist indiziert zur Überbrückung hypothyreoter Phasen im Rahmen der diagnostischen Anwendung oder der Vorbereitung der therapeutischen Anwendung von Radioiod beim Schilddrüsenkarzinom, für den Schilddrüsen-Suppressionstest und zum Ausgleich einer Unterfunktion, wenn eine Behandlung mit Levothyroxin-Natrium alleine nicht zielführend ist und eine T4/T3-Konversionsschwäche oder Aufnahmestörung nachgewiesen oder vermutet wird (15). Liothyronin wird üblicherweise mit Levothyroxin kombiniert. Alleine ist es für die Dauertherapie nicht geeignet (15).

Bei den Kombipräparaten liegen die Hormone meistens im Verhältnis 5:1 und 10:1 (T4:T3) vor. Allerdings produziert eine gesunde Schilddrüse die Hormone im Verhältnis 15:1; dies bedeutet, dass der Anteil an T3 im Medikament höher ist als im natürlichen Stoffwechselprozess. Bei ihrer prinzipiellen Ablehnung der Kombinationstherapie stützen sich Fachgesellschaften auf Studien, in denen keine Überlegenheit gegenüber einer T4-Monotherapie gezeigt werden konnte (16, 17).

Nicht austauschen

Levothyroxin ist ein Medikament mit einem engen therapeutischen Index. Der Wirkstoff ist von der Aut-idem-Substitutionspflicht ausgeschlossen. Diese Regelung ist sinnvoll, wie eine aktuelle Stellungnahme der European Thyroid Association (ETA) und der Thyroid Federation International (TFI) zeigt. Die Fachgesellschaften haben beobachtet, dass beim Wechsel auf das Präparat eines anderen Herstellers, aber auch bei Änderungen der Levothyroxin-Formulierung gesundheitliche Probleme entstehen.

Die ETA und TFI stützen sich dabei auf Daten aus den Niederlanden, Frankreich und Dänemark. Diese zeigen, dass Patienten regelmäßig Nebenwirkungen erleiden, die zum Teil auf eine mangelnde Einstellung der Schilddrüsenfunktion zurückzuführen sind, wenn der Hersteller oder die Formulierung ihres Medikaments geändert wird. Die Probleme können selbst dann entstehen, wenn Pharmafirmen Bioäquivalenzstudien durchgeführt hatten. Umso wichtiger ist, dass die Hersteller über Formulierungsänderungen informieren.

Ist eine Umstellung unumgänglich, empfehlen die Experten, dass der behandelnde Arzt nach sechs Wochen mittels Blutuntersuchung überprüft, ob die Dosierung angepasst werden muss (17).

Allgemein gelten als empfohlene Dosis etwa 1,6 µg Levothyroxin/kg Körpergewicht pro Tag für eine Vollsubstitution. Maßstab für die individuelle Dosis sind die laborchemisch bestimmten Schilddrüsenwerte, hier in erster Linie das TSH. Dabei ist zu beachten, dass sich der TSH-Wert erst etwa sechs Wochen nach einer Dosisänderung wieder eingependelt hat. »Eine Verlaufskontrolle sollte daher auch erst nach mindestens sechs Wochen erfolgen«, sagt Möller.

Achtung: zahlreiche Wechselwirkungen

Da die Hashimoto-Krankheit nicht heilbar ist, müssen Patienten lebenslang Levothyroxin substituieren (11, 13). Dabei ist zu beachten, dass sich Schilddrüsenhormone mit vielen anderen Medikamenten nicht vertragen (Tabelle 2). Dazu einige Beispiele.

Medikament Wechselwirkung Resultat, Kommentar
Sertralin, Chloroquin/Proguanil vermindern die T4-Wirkung TSH-Wert steigt an
Barbiturate, Carbamazepin, Rifampicin, Phenytoin erhöhen hepatische T4-Clearance verringerte Plasmaspiegel von Levothyroxin
hoch dosierte Salicylate, Clofibrat, Phenytoin, hohe Dosen von Furosemid verdrängen T4 aus seiner Plasmaeiweißbindung erhöhte Werte der freien Schilddrüsenhormone
Estrogene (Kontrazeptiva, postmenopausale Hormonsubstitution) Anstieg des Thyroxin-bindenden Globulins erhöhter Bedarf an Schilddrüsenhormonen
Colestyramin und Colestipol, Calcium-, Natrium- und Eisensalze, Aluminium-haltige Antazida hemmen Resorption von T4 mindestens vier Stunden Einnahmeabstand
Propylthiouracil, Glucocorticoide, Betarezeptorenblocker Konversionshemmung von T4 in T3 engmaschige Überwachung der Schilddrüsenhormone notwendig
Protease-Inhibitoren (Lopinavir, Ritonavir) Verlust der Wirkung von Schilddrüsenhormonen möglich regelmäßige Überwachung der Schilddrüsenfunktion notwendig
Tyrosinkinase-Inhibitoren (z. B. Imatinib, Sunitinib, Sorafenib, Motesanib) Wirksamkeit von T4 kann vermindert sein Schilddrüsenfunktion kontrollieren, eventuell T4-Dosis anpassen
sojareiche Ernährung reduzierte intestinale T4-Aufnahme ggf. Dosiserhöhung von T4 erforderlich
Antidiabetika T4 kann die blutzuckersenkende Wirkung reduzieren Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren und ggf. Dosierung der Antidiabetika erhöhen
Cumarin-Derivate (Phenprocoumon, Warfarin) können durch T4 aus ihrer Plasmaeiweißbindung verdrängt werden, Wirkung wird verstärkt engmaschige Kontrolle der Blutgerinnung, ggf. Cumarin-Dosis senken
Tabelle 2: Relevante Interaktionen von und mit Schilddrüsenmedikamenten (16–18); T4: Levothyroxin, T3: Liothyronin

Das häufig eingenommene Schmerzmittel Acetylsalicylsäure oder das Diuretikum Furosemid können in hoher Dosis die Wirkung von Levothyroxin verstärken. Den gegenteiligen Effekt haben Kationen, etwa Calcium-reiche Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel, Eisenpräparate oder Aluminium-haltige Antazida. Sie hemmen die Aufnahme von Levothyroxin und schwächen seine Wirkung ab. Verzichten müssen Patienten auf die Präparate deswegen aber nicht. Das Apothekenteam sollte sie darauf hinweisen, dass ein etwa vierstündiger Abstand zwischen den Einnahmen einzuhalten ist.

Auch bestimmte Antidepressiva wie Sertralin mindern die Wirkung der Schilddrüsenhormone. Lithium hemmt den Iodtransport innerhalb der Schilddrüse und beeinträchtigt dadurch auch die Freisetzung von fT4 und fT3. Bei Frauen, die Estrogene in Kontrazeptiva oder als postmenopausale Hormonsubstitution einnehmen, wird vermehrt Levothyroxin an Eiweiß gebunden: Der Bedarf an Schilddrüsenhormonen steigt an.

Betablocker oder Glucocorticoide wie Cortisol stören die Umwandlung von T4 in T3. Eine engmaschige Überwachung der Schilddrüsenhormone ist empfehlenswert.

Die Interaktionen können aber auch die Wirkung von anderen Medikamenten betreffen. So ist bei der Kombination mit Antidiabetika Vorsicht angeraten, denn deren Wirksamkeit kann durch Levothyroxin abnehmen. Patienten, die gleichzeitig Cumarine wie Phenprocoumon und Warfarin anwenden, können eine verstärkte Hemmung der Blutgerinnung feststellen. Sie müssen eventuell die Cumarin-Dosis senken. Der Grund dafür: Levothyroxin verdrängt die Cumarin-Derivate aus ihrer Plasmaeiweißbindung und verstärkt dadurch ihre Wirkung (19–21).

Da auch Lebensmittel die Aufnahme von Levothyroxin beeinflussen, sollte das Apothekenteam die Patienten daran erinnern, das Medikament mit Wasser nüchtern, also mindestens 30 Minuten vor einer Mahlzeit, einzunehmen. Empfehlenswert ist die Einnahme morgens früh oder abends vor dem Schlafengehen, da so der Abstand zu Mahlzeiten leichter eingehalten werden kann (12, 3). Wegen der langen Halbwertzeit von sieben Tagen spielt der Zeitpunkt für die Wirkung selbst keine wesentliche Rolle.

Keine »Schlankheitspille«

Achten sollte das Apothekenteam auch auf einen Missbrauch von Levothyroxin. Da das Hormon den Stoffwechsel anregt, nutzen einige Menschen das Medikament, um schneller abzunehmen (12). Durch Überdosierung provozieren sie eine Hyperthyreose. Im Internet kursieren reichlich Empfehlungen dazu.

Der Missbrauch kann gefährliche Folgen wie Tachykardie, Unruhe, Muskelschwäche oder Herzrhythmusstörungen auslösen. Schlimmstenfalls droht sogar eine akute und lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung, die thyreotoxische Krise, die tödlich enden kann.

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