Stuhltransplantation verjüngt alte Mäuse |
Theo Dingermann |
10.08.2021 08:00 Uhr |
Was wir essen, hat einen großen Einfluss auf unser Mikrobiom – und dieses wiederum auf zahlreiche Funktionen unseres Körpers. / Foto: Getty Images/William Rob Casey
Das Thema Mikrobiom verliert nicht an Attraktivität. Erst kürzlich berichtete die Pharmazeutische Zeitung über einige interessante Besonderheiten der Mikrobiota von sehr alten Menschen in Japan. Jetzt berichten irische Wissenschaftler über Effekte, wenn alten Mäusen die Mikrobiota von jungen Mäusen transplantiert werden. Bemerkenswert sind vor allem die Beobachtungen, dass die Behandlung auch positive Auswirkungen auf den altersbedingten kognitiven Verfall der Tiere haben könnte.
Mikroorganismen im Darm prägen die lokale Immunität. Mit zunehmendem Alter verändert sich die Mikrobiota dahingehend, dass sich vermehrt chronische Entzündungen, Stoffwechselstörungen und Krankheiten entwickeln können. Zudem wird spekuliert, dass das Darmmikrobiom auch kognitive Funktionen beeinflussen kann und mit zunehmendem Alter das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöht.
In der in »Nature Aging« publizierten Studie berichten Marcus Boehme und Kollegen vom University College Cork in Irland die Ergebnisse ihrer Mikrobiom-Transplantationsstudien bei Mäusen. Sie bestimmten Effekte auf das Immunsystem und auf kognitive Funktionen von 19 bis 20 Monate alten Mäusen, denen wiederholt fäkale Mikrobiota von drei bis vier Monate jungen Mäusen übertragen worden waren.
Um altersbedingte Veränderungen des Immunsystems zu charakterisieren, wurden Marker der angeborenen und adaptiven Immunität in den darmassoziierten mesenterialen Lymphknoten (MLN) und im Blutkreislauf untersucht.
Mit steigendem Alter kommt es zu einem deutlichen Anstieg der früh aktivierten CD8+-T-Zellen in den MLN, der durch die Transplantation von fäkalen Mikrobiota von jungen Mäusen rückgängig gemacht wird. Im Gegensatz dazu blieben die CD8+-T-Zellen mit Gedächtnisfunktion (CD44hi) unbeeinflusst. Auch ließ sich der altersbedingte Rückgang von Interferon-γ und IL-5, die beide vorwiegend von T-Zell-Populationen produziert werden, durch eine Mikrobiom-Transplantation nicht umkehren. Das könnte mit dem Voranschreiten der Immunoseneszenz zusammenhängen.
Somit scheint in erster Linie die periphere Immunität durch eine Mikrobiom-Transplantation beeinflusst zu werden. Besonders empfindlich reagiert das MLN-Immunprofil von älteren Tieren darauf.
Neben den Auswirkungen auf das Immunsystem untersuchte die Gruppe auch altersbedingte Veränderungen im Gehirn, bevorzugt Veränderungen im Hippocampus, und den Einfluss, den eine Mikrobiom-Transplantation auf diese Homöostase entfalten kann.
Altern führte zu signifikanten Unterschieden im Spektrum bestimmter Metabolite. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass 35 Metabolite eines älteren Hippocampus durch eine Mikrobiom-Transplantation auf das Niveau junger Tiere zurückgeführt wird. Zusätzlich zu zahlreichen Aminosäuren, die eine entscheidende Rolle bei der Neurotransmission spielen, ändert sich beispielsweise auch die Retinol-Konzentration im Alter. Sie ließ sich auf das Niveau junger Mäuse zurückführen. Die Autoren spekulieren, dass gerade die Verbesserung des Vitamin-A-Spiegels im Alter ein entscheidender Faktor für die Vorteile der Mikrobiom-Transplantation sein könnte.
Ebenfalls gehören GABA und N-Glykolylneuraminat zu den Metaboliten, deren ursprüngliche Balance durch die Maßnahme wiederhergestellt werden kann. Beide Metabolite spielen eine entscheidende Rolle bei der Kognition und der Plastizität des Gehirns, und eine veränderte GABA-erge Signalübertragung steht in engem Zusammenhang mit Alterungsprozessen und dem kognitiven Abbau.
In Übereinstimmung mit früheren Forschungsergebnissen nahm auch der Gehalt an Arginin mit dem Altern zu. Dies kann sich auf den Stickoxid-Signalweg und die Neurodegeneration auswirken. Die Umkehrung dieses Alterungsprozesses durch eine Mikrobiom-Transplantation deutet auf mögliche neuroprotektive Wirkungen junger Mikrobiota auf ein gealtertes Gehirn hin.
Aus ihrer Studie schließen die Autoren, dass ihre Ergebnisse das Potenzial des Darmmikrobioms als therapeutisches Agens zur Förderung eines gesunden Alterns aufzeigen. Bis zu einer Anwendung am Menschen wird sicherlich noch ein langer Weg zu gehen sein.
Künftige Forschungsarbeiten sind erforderlich, um zu untersuchen, wie spezifische Bakterien oder ihre Stoffwechselprodukte innerhalb des Mikrobioms für diese Wirkungen verantwortlich sein könnten.