Steigende Zahl von Fleischallergien in den USA |
Theo Dingermann |
31.07.2023 17:00 Uhr |
An die 110.000 US-Amerikaner müssen rotes Fleisch meiden, da sie allergisch auf das enthaltene Zuckermolekül Galactose-α-1,3-Galactose reagieren. / Foto: AdobeStock/Jukov studio
Zwischen 2010 und 2022 sind in den USA mehr als 110.000 vermutete Fälle von Fleischallergie oder α-Gal-Syndrom (AGS) identifiziert worden. Das meldete die US-Gesundheitsbehörde CDC am 27. Juli. Da vermutlich einige Erkrankungen nicht diagnostiziert wurden, schätzt die Behörde, dass bis zu 450.000 Menschen in den USA von der IgE-vermittelten Allergie betroffen sein könnten.
Bei AGS handelt es sich um eine Überempfindlichkeit gegen Galactose-α-1,3-Galactose(α-Gal)-Reste, Teile von Oligosaccharid-Strukturen auf den Zellen aller Säugetiere mit Ausnahme von Affe und Mensch. Ihnen ist nach bisherigen Erkenntnissen infolge eines Selektionsdrucks durch Krankheitserreger vor 25 Millionen Jahren das Gen für die α‑1,3‑Galactosyltransferase und damit die Fähigkeit, selbst α-Gal in Glykanen zu bilden, verloren gegangen. Dies hat zur Folge, dass der Mensch gegen das körperfremde α-Gal-Epitop nach Kontakt über den Darm Immunglobulin M (IgM) und Immunglobulin G (IgG) produziert und diese Antikörper einen hohen Anteil am Pool der Immunglobuline einnehmen.
Stiche der vor allem im Osten der USA und in Mexiko verbreiteten Lone-Star-Zecke gelten als Hauptverursacher des α-Gal-Syndroms. / Foto: Adobe Stock/andybirkey
Zu einer Sensibilisierung gegen das α-Gal-Epitop kommt es, wenn die Bildung von spezifischen IgE-Antikörpern induziert wird. Diese Induktion geschieht allerdings nicht über einen enteralen Kontakt. Vielmehr gilt die α-Gal-sIgE-Bildung als umweltinduziert und Zeckenstiche, vor allem der Lone-Star-Zecke (Amblyomma americanum), sind eine der wichtigsten Sensibilisierungsquellen.
Das geschieht so: Mit der Blutmahlzeit bei ihren Wirtstieren (zum Beispiel Nager oder Rehe) nehmen die Zecken auch α-Gal-haltige Blutbestandteile auf und verstoffwechseln diese im Rahmen der Hämophagozytose. Bei einer weiteren Blutmahlzeit im nächsten Entwicklungsstadium können α-Gal-haltige Komponenten mit dem Speichel in die Wunde übertragen werden, und dies kann bei Menschen zu einer Neusensibilisierung oder Boosterung des sIgE-Titers führen.
Nehmen sensibilisierte Menschen Fleisch und Innereien von Säugetieren, Wurstwaren, in Sonderfällen auch Milchprodukte, Käse, Digestiva (zum Beispiel Pepsin) oder Süßigkeiten aus Gelatine auf, kann das allergische Systemreaktionen bei ihnen auslösen. Die Symptome können von mild bis zu lebensbedrohlich reichen, zum Teil können Anaphylaxien auftreten.