Steckbrief Oxycodon |
Laura Rudolph |
17.10.2023 18:00 Uhr |
Verglichen mit Morphin wirkt Oxycodon bei oraler Einnahme etwa doppelt so stark gegen Schmerzen. / Foto: Getty Images/Guido Mieth
Was ist das Einsatzgebiet von Oxycodon?
Oxycodon ist indiziert bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren mit starken Schmerzen wie Krebsschmerzen oder postoperativen Schmerzen, die sich nur mit Opioiden ausreichend behandeln lassen. Häufig verordnen Ärzte das Analgetikum auch als Fixkombination mit dem Opioidrezeptor-Antagonisten Naloxon, um opioidinduzierte Obstipation und Arzneimittelmissbrauch (Überdosierung oder intravenöse Verabreichung) zu vermeiden. Diese Fixkombination ist nur für Erwachsene zugelassen und kann neben der Schmerzbehandlung auch als Zweitlinientherapie bei (sehr) schweren Formen des Restless-Legs-Syndroms dienen, wenn eine dopaminerge Therapie versagt hat.
Wie wirkt Oxycodon?
Oxycodon aktiviert µ-, κ- und δ-Opioidrezeptoren in der Peripherie und im zentralen Nervensystem (ZNS). Über letzteren Mechanismus hemmt das stark wirksame Analgetikum die glutamaterge Schmerzweiterleitung im ZNS. Der in Kombinationspräparaten enthaltene kompetetive Opioidrezeptor-Antagonist Naloxon ist nach oraler Einnahme aufgrund seines sehr hohen First-Pass-Effekts nahezu nur lokal im Darm wirksam und beugt dort durch die Blockade der Opioidrezeptoren Verstopfung vor. Bei missbräuchlicher intravenöser Verabreichung vermindert das nun systemisch wirksame Naloxon die zentralen Wirkungen von Oxycodon.
Wie ist die Dosierung von Oxycodon?
In retardierten Präparaten ist Oxycodon in Stärken von 5 bis 80 mg als Hydrochlorid verfügbar. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt für opioidnaive Patienten im Allgemeinen 10 mg Oxycodonhydrochlorid alle zwölf Stunden. Die Tagesmaximaldosis liegt bei 400 mg. Retardierte Fixkombinationen aus Oxycodon und Naloxon enthalten je 5 bis 80 mg Oxycodon-HCl und 2,5 bis 40 mg Naloxon-HCl, jeweils im Verhältnis 2:1. Hier beträgt die Tagesmaximaldosis 160 mg/80 mg Oxycodon-HCl/Naloxon-HCl. Im Bedarfsfall kann mit einem »reinen« Oxycodonpräparat bis zur Gesamtdosis von 400 mg Oxycodon pro Tag aufgestockt werden.
Bei höheren Dosierungen ist Vorsicht geboten bei Patienten mit Nieren- und leichten Leberfunktionsstörungen; mittlere bis schwere Leberfunktionsstörungen stellen eine Kontraindikation dar. Zur Behandlung von Durchbruchschmerzen stehen überdies schnell freisetzende Formulierungen (Hartkapseln, Schmelztabletten) in den Stärken 5, 10 und 20 mg für Jugendliche ab zwölf Jahren und Erwachsene zur Verfügung. Für den Einsatz in Kliniken gibt es Oxycodon auch in Form von Infusions- beziehungsweise Injektionslösungen in den Stärken 10 mg/ml und 50 mg/ml.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Oxycodon kann etwa Übelkeit und Erbrechen, Obstipation, Sedierung, Juckreiz und Harnverhalt auslösen. Als Opioidrezeptor-Agonist kann es zudem zu Atemdepression, Spasmen der glatten Muskulatur und Abhängigkeit führen, insbesondere in hohen Dosen. Durch seine sedierenden Eigenschaften kann Oxycodon die Verkehrstüchtigkeit (mäßig) beeinträchtigen, vor allem zu Therapiebeginn oder bei Dosiserhöhungen. Über ihre Fahrtüchtigkeit sollten Patienten individuell mit ihrem Arzt entscheiden.
Welches sind wichtige Wechselwirkungen?
Wird Oxycodon zusammen mit weiteren zentral dämpfenden Arzneimitteln wie andere Opioide, Beruhigungsmittel einschließlich Benzodiazepine, Muskelrelaxanzien, Antidepressiva, Neuroleptika, ZNS-gängige Antihistamika, Antiemetika sowie Alkohol angewendet, verstärken sich die sedierenden Effekte.
Bei gleichzeitiger Anwendung mit Arzneimitteln, die den Serotoninspiegel erhöhen, steigt das Risiko für das serotonerge Syndrom (Schwitzen, Fieber, Durchfall, Krampfanfälle, Verwirrtheit), darunter selektive Serotonin- und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI, SNRI). Auch die gleichzeitige oder weniger als 14 Tage zurückliegende Einnahme von MAO-Hemmern wie Selegilin erhöht das serotonerge Risiko und kann zudem die Kreislauf- und Atemfunktion beeinträchtigen.
Anticholinergika wie Biperiden gegen Parkinson oder Glycopyrronium bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) können anticholinerge Nebenwirkungen von Oxycodon wie Mundtrockenheit verstärken.
Bei gleichzeitiger Gabe mit Cumarinderivaten kann es zu einer verzögerten oder auch beschleunigten Blutgerinnung kommen.
CYP3A4-Inhibitoren wie Makrolid-Antibiotika (etwa Clarithromycin oder Erythromycin), Azol-Antimykotika und Proteasehemmer (etwa Ritonavir) sowie Cimetidin und Grapefruitsaft können die Wirkspiegel von Oxycodon erhöhen. Selbiges gilt in geringerem Maße für Hemmstoffe von CYP2D6 wie Paroxetin, Fluoxetin und Chinidin. CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Carbamazepin, Phenytoin und Johanniskraut beschleunigen dagegen den Abbau von Oxycodon und machen möglicherweise eine Dosiserhöhung nötig.
Welche Kontraindikationen hat Oxycodon?
Für Patienten mit beeinträchtigter Atmung, darunter solche mit schweren Formen von COPD, Asthma oder Atemdepression ist Oxycodon kontraindiziert. Dasselbe gilt für Menschen mit einem »Lungenherz« (Cor pulmonale), bei denen die Durchblutung der Lunge beeinträchtigt ist. Auch mittlere bis schwere Leberfunktionsstörungen oder eine Lähmung der Darmmuskulatur sind Gegenanzeigen. Besondere Vorsicht bei der Anwendung ist geboten bei Schädel-Hirn-Traumata oder Opioidabhängigkeit in der Vorgeschichte.
Was ist in Schwangerschaft und Stillzeit zu beachten?
Schwangere und Stillende sollten die Anwendung von Oxycodon so weit wie möglich vermeiden. Eine längerfristige Einnahme des plazentagängigen Wirkstoffs in der Schwangerschaft kann beim Neugeborenen zu Entzugssymptomen führen und das Risiko für eine Atemdepression erhöhen. Auch in der Stillzeit ist die Anwendung von Oxycodon nicht empfohlen. Laut dem Informationsservice »Embryotox« der Berliner Charité gilt das insbesondere in höheren Dosen oder als Dauertherapie.
Strukturformel Oxycodon / Foto: Wurglics