Steckbrief Doravirin |
Kerstin A. Gräfe |
12.12.2024 07:00 Uhr |
Doravirin hemmt die Virusvermehrung von HIV, indem es allosterisch an das Enzym Reverse Transkriptase bindet. / © Getty Images/Kateryna Kon/Science Photo Library
Was sind die Einsatzgebiete von Doravirin?
Doravirin ist ein Virostatikum, das in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln zur Behandlung von Patienten mit HIV-Infektion eingesetzt wird. Voraussetzung ist ein Mindestalter von zwölf Jahren und ein Körpergewicht von mindestens 35 Kilogramm. Zudem dürfen die HI-Viren keine Mutationen aufweisen, die mit einer Resistenz gegen NNRTI assoziiert sind.
Wie wirkt Doravirin?
Wie andere nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) bindet Doravirin nicht kompetitiv an das Enzym Reverse Transkriptase und blockiert so dessen katalytische Funktion. Dadurch wird die für die Virusreplikation notwendige Umschreibung der viralen RNA in DNA unterbunden, der Einbau in das menschliche Genom verhindert und folglich die Virusvermehrung gehemmt. Die Substanz kann nur den Befall weiterer Zellen verhindern; gegen bereits in eine Wirtszelle inkorporierte Viren ist sie unwirksam.
Wie wird Doravirin dosiert?
Doravirin ist in Form von Filmtabletten in einer Dosierung von 100 mg als Monopräparat (Pifeltro®) oder als Fixkombination (Delstrigo®) erhältlich. Letztere enthält 100 mg Doravirin, 300 mg Lamivudin und 300 mg Tenofovirdisoproxilfumarat und muss nicht mit weiteren Arzneimitteln kombiniert werden.
Die empfohlene Dosierung beträgt eine 100-mg-Tablette einmal täglich. Sie kann unabhängig von einer Mahlzeit eingenommen werden.
Welche Nebenwirkungen kann Doravirin haben?
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören abnorme Träume, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel und Schläfrigkeit/Ermüdung. Die Patienten sollten auf eine potenzielle Einschränkung der Verkehrstüchtigkeit hingewiesen werden. Zudem können Verdauungsstörungen wie Übelkeit, Diarrhö, Flatulenz, Abdominalschmerz und Erbrechen sowie Reaktionen an der Haut wie Ausschlag, Exantheme und Urtikaria auftreten.
Welche Wechselwirkungen kann Doravirin eingehen?
Doravirin wird hauptsächlich über CYP3A verstoffwechselt. Die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A-Induktoren ist kontraindiziert. Lässt sich eine gemeinsame Gabe mit moderaten CYP3A-Induktoren nicht vermeiden, sollte die Doravirin-Dosis auf 100 mg zweimal täglich erhöht werden, wobei die Tabletten in einem Abstand von etwa zwölf Stunden eingenommen werden sollten. Die gemeinsame Anwendung mit CYP3A-Inhibitoren kann zwar zu erhöhten Doravirin-Plasmakonzentrationen führen, eine Dosisanpassung ist jedoch nicht erforderlich.
Doravirin ist womöglich ein schwacher CYP3A-Induktor. Vorsicht ist daher geboten, wenn der NNRTI mit Arzneimitteln kombiniert wird, die sensible CYP3A-Substrate sind und eine geringe therapeutische Breite haben. Dazu zählen zum Beispiel Tacrolimus und Sirolimus.
Was ist in Schwangerschaft und Stillzeit zu beachten?
Eine Anwendung von Doravirin während der Schwangerschaft sollte aus Vorsichtsgründen vermieden werden. Mütter unter Doravirin-Therapie sind aufgrund der Möglichkeit einer HIV-1-Übertragung und der Möglichkeit schwerwiegender Nebenwirkungen bei gestillten Säuglingen anzuweisen, nicht zu stillen.
Der »Robuste« unter den NNRTI:
Doravirin ist in Deutschland seit 2019 im Handel und wurde 2021 in den Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion in die Gruppe der bevorzugten Firstline-Regime aufgenommen. Die Empfehlung umfasst Doravirin sowohl als Einzelsubstanz (Pifeltro®) als auch als Fixdosiskombination (Delstrigo®). Die Begründung lautet: »Doravirin war bei besserer Verträglichkeit Efavirenz (EFV) und Darunavir/Ritonavir (DRV/r) nicht unterlegen. Die Rate an NNRTI-Resistenzen nach Therapieversagen war geringer als unter EFV.«
Strukturformel Doravirin / © Wurglics