Steckbrief Citalopram |
Brigitte M. Gensthaler |
05.05.2021 07:00 Uhr |
SSRI wie Citalopram werden häufig zu Beginn einer antidepressiven Therapie eingesetzt, weil sie aktivierend und stimmungsaufhellend wirken und meist gut verträglich sind. / Foto: Shutterstock/MikeDotta
Was ist das Einsatzgebiet von Citalopram?
Citalopram ist zugelassen zur Behandlung depressiver Erkrankungen (Major Depression) und bei Panikstörungen mit und ohne Agoraphobie (Angst vor bestimmten Orten und Situationen). Es wird peroral oder parenteral appliziert. Bei älteren Patienten ist der Einsatz differenziert zu betrachten: Die FORTA-Liste (Fit fOR The Aged) führt Citalopram und sein S-Enantiomer Escitalopram zur Prophylaxe und Therapie mittelschwerer und schwerer Depression in der Gruppe B (Wirksamkeit nachgewiesen, aber Einschränkungen bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit) und bei Demenz-assoziierter Depression in der Gruppe C (ungünstige Nutzen-Risiko-Relation, genaue Beobachtung erforderlich).
Wie wirkt Citalopram?
Citalopram greift in den Neurotransmitter-Stoffwechsel im Gehirn ein. Infolge einer selektiven, potenten Hemmung des Serotonintransporters steigt die Konzentration an Serotonin (5-HT, 5-Hydroxytryptamin) im synaptischen Spalt und an der Präsynapse. Auch bei Langzeiteinnahme entwickelt sich keine Toleranz. Die Affinität zu anderen Neurotransmitter-Rezeptoren, zu Benzodiazepin- und Opioid-Rezeptoren sowie zu cholinergen Rezeptoren vom Muskarin-Typ ist allenfalls sehr gering. Daher sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram, aber auch Fluvoxamin, Fluoxetin, Sertralin, Paroxetin und Vortioxetin in der Regel besser verträglich als Trizyklika wie Amitriptylin oder Imipramin.
Wie alle Antidepressiva hat Citalopram eine ausgeprägte Wirklatenz, während Nebenwirkungen rasch auftreten, aber meist bald nachlassen. Der stimmungsaufhellende, aktivierende Effekt wird nach zwei bis vier Wochen spürbar. Die Therapie wird normalerweise sechs Monate oder länger fortgesetzt, um die Remission zu stabilisieren und einem Rückfall vorzubeugen.
Wie wird Citalopram dosiert?
Zur Behandlung von Depressionen wird eine Einzeldosis von 20 mg pro Tag empfohlen, die je nach individuellem Ansprechen auf maximal 40 mg erhöht werden kann. Patienten mit Panikstörungen starten in der ersten Woche in der Regel mit 10 mg pro Tag; eine Dosissteigerung auf 20 bis maximal 40 mg pro Tag ist möglich. Das Wirkungsmaximum ist etwa nach drei Monaten erreicht.
Ältere Patienten bekommen die halbe Dosierung. Dies gilt auch für Menschen mit leichter bis mittelschwerer Leberinsuffizienz sowie für Patienten, bei denen eine verringerte Metabolisierung über CYP2C19 bekannt ist. Mit Tropfenpräparaten kann die Dosis in sehr kleinen Schritten variiert werden.
Wann darf Citalopram nicht gegeben werden?
Kontraindiziert ist die gleichzeitige Anwendung von Citalopram mit Monoaminoxidase (MAO)-Hemmern, einschließlich Selegilin ab 10 mg pro Tag, oder innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung einer Therapie mit irreversiblen MAO-Hemmern wie Tranylcypromin und nicht früher als einen Tag nach Absetzen von Moclobemid und Selegilin. Eine Therapie mit MAO-Hemmern darf frühestens eine Woche nach Absetzen des SSRI beginnen. Diese Intervalle sollen ein Serotonin-Syndrom verhindern, das lebensbedrohlich verlaufen kann. Zu den Anzeichen gehören Beschwerden wie Schwitzen, Durchfall, Kopfschmerzen, Krämpfe, Unruhe und Verwirrtheit.
Aus gleichem Grund sollte Citalopram nicht bei Patienten angewendet werden, die serotonerge Wirkstoffe wie Tramadol, Triptane oder Tryptophan einnehmen. Oft vergessen wird Linezolid: Das Reserveantibiotikum ist ein reversibler, nicht selektiver MAO-Hemmer und sollte möglichst nicht mit SSRI kombiniert werden.
Citalopram kann das QT-Intervall des Herzens dosisabhängig verlängern. Kontraindiziert ist die Gabe daher bei Patienten mit verlängertem QT-Intervall oder angeborenem Long-QT-Syndrom sowie gleichzeitig mit anderen Arzneimitteln, die das QT-Intervall verlängern können.
Was ist in Schwangerschaft und Stillzeit zu beachten?
Citalopram sollte in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden, außer bei eindeutiger Notwendigkeit und nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung. Neben Absetzsymptomen beim Neugeborenen kann die Gabe im letzten Trimenon das Risiko für eine primäre pulmonale Hypertonie beim Kind erhöhen.
Gleichwohl gehört der SSRI – auch aufgrund der umfangreichen Erfahrungen – zu den Mitteln der Wahl bei therapiebedürftiger Depression in der Schwangerschaft. Eine stabil eingestellte Patientin sollte ihre Medikation unverändert fortsetzen, um keine für Mutter und Kind bedrohlichen Krisen zu provozieren, heißt es auf embryotox.de, der Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité. Allerdings müssen bei Gabe von SSRI bis zur Geburt Anpassungsstörungen (Absetzsymptome) bedacht werden. Daher sollte die Entbindung in einer Klinik mit Neonatologie erfolgen und das Baby in den ersten Lebenstagen beobachtet werden.
Citalopram geht in geringen Mengen in die Muttermilch über. Generell ist Stillen laut embryotox.de aber akzeptabel. Auf Symptome wie Sedierung, Trinkschwäche oder Unruhe beim gestillten Kind ist zu achten.
Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Nebenwirkungen unter Citalopram sind in der Regel leicht und treten vor allem in den ersten beiden Behandlungswochen auf. Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen sexuelle Dysfunktion, Mundtrockenheit, Magen-Darm-Probleme wie Übelkeit, Erbrechen, Obstipation oder Diarrhö, Gewichtsveränderungen, Schwindel, Schläfrigkeit oder Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, vermehrtes Schwitzen, Müdigkeit und übermäßiges Gähnen.
Welche Wechselwirkungen sind zu beachten?
Die Kombination mit anderen serotonergen Wirkstoffen und mit Johanniskraut ist zu vermeiden. Bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die eine Hypokaliämie und Hypomagnesiämie verursachen, kann das Risiko für maligne Arrhythmien steigen. SSRI vermindern die Thrombozytenaggregation und erhöhen das Risiko für gastrointestinale Blutungen. Daher sollte Citalopram nicht zusammen mit oralen Antikoagulanzien oder nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) gegeben werden.
Citalopram wird von mehreren CYP-Isoformen metabolisiert, vor allem von CYP2C19, -3A4 und -2D6. Interaktionen sind denkbar, wenn Citalopram gleichzeitig mit Arzneistoffen angewendet wird, die hauptsächlich durch CYP2D6 metabolisiert werden, zum Beispiel Flecainid, Propafenon und Metoprolol (bei Herzinsuffizienz), Desipramin, Clomipramin und Nortriptylin oder Antipsychotika wie Risperidon, Thioridazin und Haloperidol.
Strukturformel Citalopram / Foto: Wurglics