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Infektionen und Psyche

Spannende Wechselbeziehung

Infektionen, die später zu psychischen Störungen oder kognitiven Einbußen führen – dieser Zusammenhang ist schwer zu erforschen. Kein Grund, es nicht zu tun. Zu zahlreichen Aspekten gibt es heute interessante Hinweise und Ergebnisse. 
Maria Pues
05.12.2019  08:00 Uhr

Bei Patienten, die als Kinder an Mumps- oder Cytomegalievirus-Infektionen des Gehirns erkrankt waren, traten später häufiger schizophrene und andere nicht affektive Psychosen auf als bei Personen, bei denen dies nicht der Fall war. Dies zeigte eine 2008 im Fachmagazin »American Journal of Psychiatry« publizierte nationale Kohorten-Studie des Karolinska-Instituts in Schweden. Für Infektionen mit Mumpsviren fanden die Wissenschaftler ein Risikoverhältnis von 2,7 und für Cytomegalievirus-Infektionen 16,6. Die Forscher gehen davon aus, dass dies durch die Fähigkeit der Erreger bedingt ist, in das Gehirnparenchym einzudringen. Bei Erkrankungen des Gehirns durch andere Erreger zeigte sich kein erhöhtes Risiko für Psychosen.

Wie Hirnfunktionen infolge einer Infektion beeinflusst werden können, obwohl die Erreger selbst oder von ihnen produzierte Toxine nicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden, war Gegenstand einer anderen Studie im Fachmagazin »Archives of General Psychiatry» aus dem Jahr 2001. Dabei wurde den 20 Teilnehmern entweder das Endotoxin von Salmonella abortus equi oder physiologische Kochsalzlösung verabreicht. Bei keinem der Teilnehmer wurde dadurch eine Erkrankung ausgelöst; dennoch liefen Immunreaktionen ab. Gemessen wurden die Spiegel von Tumornekrosefaktor α (TNF-α), löslichen TNF-Rezeptoren, Interleukin (IL)-6, IL-1-Rezeptorantagonisten und Cortisol sowie psychische Symptome und kognitive Fähigkeiten. Dabei zeigte sich eine signifikante positive Korrelation zwischen Zytokin-Sekretion und Endotoxin-induzierter Angst, Depressivität sowie verminderter Gedächtnisleistung.

Der Umkehrschluss liegt nahe: Können Antibiotika gegen Depressionen helfen? Dies wurde und wird für Minocyclin in verschiedenen Studien untersucht. Die bisherigen Ergebnisse sind uneinheitlich. Eine Studie mit Patienten, bei denen zwei vorangegangene antidepressive Therapien fehlgeschlagen sind, läuft derzeit an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin.

Auch dieser Ansatz wird – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Wirkstoffe gegen Antibiotika-resistente Erreger fehlen – erforscht: Antidepressiva und Neuroleptika, die antibakterielle Eigenschaften besitzen. So wurde in einer 2018 im Fachmagazin »Plos One« veröffentlichten In-Vitro-Studie die Wirkung von Neuroleptika aus unterschiedlichen Substanzklassen auf das Wachstum verschiedener Erreger (grampositive Staphylococcus aureus und gramnegative Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella pneumoniae und Acinetobacter baumannii) untersucht. Dabei zeigten Phenothiazine und Thoxanthene eine antibakterielle Wirkung, die unabhängig von Resistenzmustern war.

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