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DAV, GKV, Versender etc.

So reagiert der Apothekenmarkt auf die E-Rezept-Verschiebung

Kurz vor dem Starttermin des E-Rezepts wartete das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gestern mit einer Bescherung der besonderen Art auf und zog für das Mammutprojekt vorerst die Reißleine. Die Testphase wird demnach verlängert, die Umsetzung erfolgt nach und nach. Die Entscheidung stößt überwiegend auf Zustimmung, aber für die Versender zieht sie Verluste nach sich.
Cornelia Dölger
Benjamin Rohrer
21.12.2021  18:00 Uhr

Schon länger hatte es bezüglich des Starttermins rumort, zuletzt lautstark insbesondere vonseiten der Apotheker, der Ärzte, Zahnärzte und Kliniken. Sie alle sind Gesellschafter der Gematik, allerdings hält das Bundesgesundheitsministerium bekanntermaßen die knappe Mehrheit und damit die Kontrolle in der Gesellschafterversammlung der Gematik. Diese Macht hatte das BMG kürzlich genutzt, um zum 1. Dezember die bundesweite Testphase zur Einführung des E-Rezept möglich zu machen. Weiterhin war demnach der 1. Januar als offizieller Starttermin geplant – wie im Gesetz vorgesehen. Gegen den Schritt formte sich besagter öffentlicher Protest seitens der Gematik-Gesellschafter: Anfang Dezember gab es eine gemeinsame Erklärung, in der kritisiert wurde, die Tests in der Modellregion Berlin/Brandenburg seien längst nicht ausreichend für einen bundesweiten Roll-Out, die Funktionsfähigkeit der Prozesse könne nicht gewährleistet werden. Dennoch drückte das dominierende BMG seine Position durch: Die Gesellschafterversammlung beschloss, dass sich ab dem 1. Dezember auch Praxen und Apotheken in anderen Regionen melden sollen, um die E-Verordnungen zu testen, damit das neue System pünktlich starten kann.

Dass es gestern ein Einlenken in letzter Sekunde gab, bevor alle Testläufe zum 31. Dezember beendet worden wären und die E-Rezepte »in echt« verordnet werden mussten, begrüßte der Deutsche Apothekerverband (DAV) nun. Für den DAV-Vorsitzenden Thomas Dittrich ist das Vorgehen des BMG nach der massiven Kritik »ein konsequenter Schritt«, wie der Verband heute mitteilte. »Betrachtet man den kompletten Prozess von der Verordnung über die Einlösung und Quittierung bis hin zur Abrechnung des E-Rezeptes, dann gibt es noch erhebliche technische Probleme«, so Dittrich in der Mitteilung. Diese sollten vor der Einführung behoben sein, »sonst wird die Versorgungssicherheit der Patienten gefährdet«. Gerade diese sei in der laufenden Pandemie »doppelt wichtig«. Die Apotheker seien aber grundsätzlich für das E-Rezept und seine zügige Einführung. Zudem seien sie bezüglich ihrer Anbindung an die Telematik-Infrastruktur »auch längst E-Rezept-ready«.

Allerdings hätte die verpflichtende Einführung bereits zum Jahreswechsel laut Dittrich auch wirtschaftliche Risiken für die Apotheken mit sich gebracht: »Es gibt Unstimmigkeiten im elektronischen Signaturverfahren. Solange sie nicht ausgeräumt sind, läuft die Apotheke Gefahr, nach der Belieferung des E-Rezeptes retaxiert zu werden, also keine Vergütung zu bekommen. Das ist nicht akzeptabel.« Die Verlängerung der Testphase biete die Chance, »die technischen Probleme zu lösen und den flächendeckenden Rollout dann in einem geordneten und sicheren Verfahren zügig zu bewerkstelligen«.

Auch der GKV-Spitzenverband begrüßte die Verlängerung der Testphase. »Die erschreckend geringe Anzahl an erfolgreich ausgestellten E-Rezepten zeigt, dass eine echte und erfolgreiche Testphase fehlt«, teilte Sprecher Florian Lanz auf PZ-Anfrage mit. »Es ist richtig und notwendig, dass die Testphase nun verlängert wird, um anschließend das E-Rezept schrittweise für alle 73 Millionen gesetzlich Versicherten ausrollen zu können.«

Für die Ärzte bedeute der Schritt des BMG, dass die Politik die Warnungen der Leistungserbringer in der Gematik ernst nehme, schließlich seien für eine erfolgreiche Einführung intensive und flächendeckende Tests in einer dauerhaft betriebenen Pilotregion notwendig, teilte die Bundesärztekammer heute mit. Die Ärzteschaft werde sich weiter konstruktiv in die Tests einbringen. »Es ist richtig, dass das Bundesgesundheitsministerium den Fakten Rechnung trägt und die Testphase für das E-Rezept verlängert hat«, ergänzte KBV-Chef Andreas Gassen. Auch die Bundeszahnärztekammer begrüßte die »Notbremse« des BMG. »Das Risiko eines von Fehlern und Pannen begleiteten Starts des E-Rezepts wäre völlig unkalkulierbar gewesen«, hieß es heute. Insofern sei der Schritt auch ein Beitrag zu mehr Patientensicherheit.

VDARZ wünscht sich breitere Basis

Auch dem Bundesverband deutscher Apothekenrechenzentren (VDARZ) kommt das späte Einlenken des BMG entgegen. »Der VDARZ ist sehr erfreut, dass auch unsere Bedenken erhört wurden und nun noch eingehender getestet werden soll, bevor man in die Flächendeckung geht«, teilte Michael Dörr, Sonderbeauftragter des VDARZ-Vorstands, auf PZ-Anfrage mit. Es sei ganz einfach so, dass man bei mehr Tests die Funktionsfähigkeit des Systems besser verifizieren könne. »Die Erkenntnisse aus 42 abgerechneten E-Rezepten mögen zwar eine gewisse Aussagekraft haben, aber es geht um die Versorgung von Millionen von Patienten – wir brauchen hier eine breitere Basis«, so Dörr. Dass das BMG nun mehr Verantwortlichkeit von den beteiligten Akteuren verlangt, sei ebenfalls zu begrüßen. Auf den konkreten Zeitpunkt der flächendeckenden Einführung habe der Apothekenmarkt wenig Einfluss. Es gelte, das E-Rezept in den praktischen Arbeitsalltag der Ärzte zu integrieren. »Wenn es dort angekommen ist, können wir in Richtung Flächendeckung schauen.« Dörr betonte, dass die Abrechner weiterhin engagiert seien und erst kürzlich ein Gutachten zum Status quo der E-Rezept-Abrechnung erstellt und dem DAV übergeben hätten.

Die Gematik, die sich zuletzt selbst unzufrieden mit der Testphase gezeigt hatte, warb heute dafür, die nun gewährte zusätzliche Zeit zu nutzen. Insbesondere müssten mehr Akteure an den Tests teilnehmen, Personal müsse geschult werden. Auch technisch müsse aufgerüstet werden, es brauche Updates, um die nötige Software zu installieren, hieß es in einer Mitteilung. Es gelte, die Stabilität des Zusammenwirkens der einzelnen Komponenten »intensiv zu prüfen«. Konkret sei vorgesehen, dass ab Januar ABDA sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) laufend Updates zum Ausstattungsgrad der Apotheken, Praxen und Krankenhäuser geben, kündigte die Gematik an. »Sobald bestimmte Qualitätskriterien erfüllt sind, soll der flächendeckende Rollout in einem noch festzulegenden Verfahren erfolgen.« Die Gematik werde den Test- sowie den späteren Roll-out-Prozess weiterhin eng begleiten.

Aktien der Onlinehändler im Sturzflug

Bis dahin muss sich jetzt auch der (digitale) Gesundheitsmarkt auf die politische Kehrtwende einstellen – die hat nämlich auch handfeste finanzielle Folgen: Späteres E-Rezept bedeutet insbesondere für die EU-Versender, dass die lang ersehnten milliardenschweren Umsatzsprünge weiter auf sich warten lassen. Insbesondere Doc Morris und die Shop Apotheke lauern seit Jahren auf größere Anteile bei der Rx-Abgabe, die ohne E-Rezept aber bislang zu umständlich ist (Rezepte per Post). Mit dem E-Rezept sollten neue Zeiten für die Versender anbrechen – beide Konzerne haben sich in den letzten Monaten stark auf die Reform eingestellt und entsprechend investiert. Das E-Rezept gilt als Umsatztreiber für die Doc-Morris-Mutter Zur Rose und Co. Dass diese neue Ära nun erstmal in weite Ferne rückt, ließ die Börsenkurse der mächtigen Kapitalgesellschaften einbrechen. Heute Vormittag rutschten die Aktien der Shop Apotheke um 6,7 Prozent ab, lagen zwischenzeitlich  sogar auf dem tiefsten Stand seit Juli 2020. Gleichzeitig büßten die Papiere der Doc Morris-Mutter Zur Rose ordentlich ein. Lagen sie am gestrigen Montag noch bei 288,50 Schweizer Franken, waren sie am heutigen Dienstag (Stand 15.10 Uhr) nur noch 249,25 Franken pro Anteilsschein wert, das ist ein Minus von mehr als 13 Prozent – Tendenz am Nachmittag stark fallend. Innerhalb einer Woche ist die Zur Rose-Aktie mittlerweile um mehr als 20 Prozentpunkte abgerutscht.

Doc Morris ließ heute eilig wissen, man wolle sich nun einbringen, damit das E-Rezept doch noch zeitnah zum Zuge komme. »Zusammen mit allen anderen Beteiligten werden wir unseren maximalen Beitrag dazu leisten, dass die flächendeckende, verpflichtende Einführung zügig voranschreitet und umgesetzt wird«, teilte der Versender in einem Statement mit. Das werde dem BMG signalisiert. Immerhin habe der Koalitionsvertrag sich die beschleunigte Einführung des E-Rezepts zum Ziel gesetzt. Hierbei könne das BMG auf Doc Morris zählen. Die Zur-Rose-Gruppe gehe  trotz der Verschiebung davon aus, dass das E-Rezept im Jahr 2022 eingeführt werde. Insofern würden sich die mittelfristigen Wachstumsziele nicht verändern.

 

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