Sind Softwarehäuser und Abrechner wirklich E-Rezept-ready? |
Am E-Rezept scheiden sich offenbar die Geister: Wird es ab dem 1. Januar 2021 reibungslos funktionieren oder sind die technischen Hürden weiterhin zu groß? / Foto: Adobe Stock/SasinParaksa
Damit die Apotheken in Deutschland ab dem 1. Januar 2022 E-Rezepte sicher und zuverlässig empfangen, verarbeiten und über ihre Rechenzentren mit den Kassen abrechnen können, arbeiten die beteiligten Unternehmen, Institutionen und Verbände gerade auf Hochtouren. Der größte Teil der Apothekensoftwarehäuser und Rezeptabrechnungszentren beteilige sich bereits am E-Rezept-Modellprojekt der Fokusregion Berlin-Brandenburg, wie der Bundesverband Deutscher Apotheken-Softwarehäuser (ADAS) und der Bundesverband Deutscher Apothekenrechenzentren (VDARZ) in einer gemeinsamen Mitteilung vor Kurzem berichteten. Was den Teil der E-Rezept-Abrechnung betrifft, haben ADAS und VDARZ eigenen Angaben zufolge bereits beim E-Rezept-Modellprojekt Gerda die Grundlagen getestet. Für das E-Rezept der Gematik müssten sie demnach lediglich die erforderliche Schnittstelle aktualisierten. »Da die Rezeptabrechnung nicht in der Telematik-Infrastruktur stattfindet, konnte Entwicklung und Test auch ohne Gematik und die Fokusregion Berlin-Brandenburg vorbereitet und getestet werden«, so die beiden Verbände.
Aber klappt der E-Rezept-Ablauf tatsächlich schon so reibungslos von Anfang bis Ende? Medienberichten war zu entnehmen, dass es hier und da noch kräftig holpert. ADAS und VDARZ widersprachen diesen Berichten allerdings vehement – man bereite die Apotheken sicher und umfassend auf das E-Rezept vor. Die PZ hat sich daher bei einigen Softwarehäusern und Rechenzentren umgehört, wie die aktuelle Lage ist. So viel vorab: Die beteiligten Akteure sind offenbar nicht einer Meinung, ob sie tatsächlich E-Rezept-ready sind oder nicht.
Der Software-Anbieter Pharmatechnik stellte gegenüber der PZ klar, dass die EDV-Systeme von Pharmatechnik in der Lage seien, »E-Rezepte zu empfangen, zu bearbeiten und an alle Apotheken-Rechenzentren am Markt digital zur Abrechnung zu übertragen, dies ist bereits in der Praxis erfolgreich getestet worden.« Insbesondere der Mischbetrieb von E-Rezepten und Muster-16-Papierrezepten werde von dem IXOS-System des Anbieters demnach »bestmöglich abgebildet«.
Der Software-Anbieter CGM Lauer hat nach eigenen Angaben bereits beim letzten Konnektathon der Gematik den kompletten Weg des E-Rezepts bis zur Abrechnung erfolgreich testen können. »Wir stocken auch die Zahl der teilnehmenden Apotheken gerade auf«, heißt es auf Anfrage der PZ. Konnektathons sind Gematik-Veranstaltungen, die es Arztpraxen und Apotheken vorab ermöglichen, den gesamten E-Rezept-Ablauf zwischen Arzt, E-Rezept Fachdienst, Gematik-App und Apotheke zu testen. »Die Abrechnung der E-Rezepte kann wie gewohnt über die Abrechenzentren laufen«, betonte CGM Lauer. Zusätzlich arbeite man zusammen mit dem Kooperationspartner Scanacs bereits an dem Thema E-Rezept-Direktabrechnung. Dieses Verfahren sorge für »einen schnelleren Zahlungsprozess mit Transparenz: Die Liquiditätssicherheit der Apotheken erhöht sich, ein Insolvenzrisiko Dritter hat keinen Einfluss auf Ihre wirtschaftliche Lage«, wirbt der Anbieter.
Auch Noventi ist an der E-Rezept-Erprobung in der Fokusregion Berlin-Brandenburg beteiligt und hat nach eigenen Angaben bereits im Juli 2021 die erste digitale Verordnung nach dem Gematik-Standard ausgestellt. Allerdings: Schon damals stellte die Gematik diese Aussage in Frage: Gegenüber der PZ erklärte Gematik-Chef Markus Leyck Dieken, dass die Verordnung nicht abgrechnet worden sei. Eigenen Angaben zufolge hat sich dies bei Noventi nun aber geändert: »Der komplette Zyklus eines E-Rezepts funktioniert bei uns. Vom Empfang, der Quittierung bis hin zur Anlieferung der Daten an das Rechenzentrum«, heißt es gegenüber der PZ. Da Noventi nicht nur die Software-Lösungen anbietet, sondern auch Rechenzentrum ist, kann das Unternehmen die Daten demnach auch empfangen, prüfen und an die Krankenkasse weitersenden. »Dies funktioniert unter Echtzeit-Bedingungen«, heißt es. Auf die Frage, ob es noch irgendwo im E-Rezept-Prozess Probleme gibt, sagte Noventi: »Von konkreten und schwerwiegenden Problemstellungen können wir nicht berichten.« Derzeit teste man »akribisch« und stehe im Austausch mit allen Partnern. Zusammenfassend erklärte Noventi: »Wir sind E-Rezept ready.«
Wie sieht es bei den Abrechnern aus? Das Rechenzentrum NARZ/AVN habe im Oktober drei echte E-Rezepte gegenüber der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet, heißt es gegenüber der PZ. »Die Schnittstelle mit den Apotheken funktioniert erwartungsgemäß gut«, erklärte Michael Irmer von NARZ. Hierbei handele es sich um eine Schnittstelle außerhalb der Telematik-Infrastruktur (TI), namens APO_TI des VDARZ. Diese sei mit der Schnittstelle FIVERX.LINK ab Version 1.08 kompatibel. »Wir haben dies mit mehreren Apothekenverwaltungssystemen, wozu auch das hauseigene Aposoft gehört, erfolgreich verprobt.« Mit den Kassen gebe es keine neue Schnittstelle, sie erhielten die Daten via Standard-SFTP.
Allerdings habe NARZ/AVN noch keine Rückmeldung zu den abgerechneten echten E-Rezepten von den Kassen erhalten. Deswegen könne aktuell nicht von Problemfällen berichtet werden. Auf Nachfrage an die am Modellprojekt in Berlin/Brandenburg teilnehmende Krankenkasse AOK Nordost bestätigte diese, bereits echte E-Rezepte erhalten zu haben. Allerdings seien auf dem Wege der Abrechnung und Erstattung »noch technische Herausforderungen zu lösen«. Was das konkret bedeutet, wollte der Pressesprecher der AOK Nordost allerdings nicht erläutern. Die Einführung des E-Rezepts bleibe »ein anspruchsvolles Vorhaben« mit vielen Beteiligten, erklärte er. Für die AOK Nordost sei es oberste Maßgabe sicherzustellen, dass die Prozesse sicher und belastbar liefen und die Arzneimittelversorgung garantiert sei. Derzeit sei es aber noch zu früh, dies beurteilen zu können, da die verlängerte Testphase noch bis Ende des Monats laufe, so die Kasse.
Beim Rechenzentrum ARZ Darmstadt seien die Schnittstellen definiert und »erfüllen ihren Zweck«, erklärte Gerald Wischnewski, Bereichsleiter Technik bei ARZ Darmstadt. Beim genaueren Nachfragen erklärte Wischnewski aber auch, dass es »noch Arbeit« bei der Hochskalierung der E-Rezepte im Hinblick auf den 1. Januar 2022 bedarf. Da noch nicht alle Kombinationen von Rezepten in der Testphase haben abgedeckt werden können, könne es teilweise schwierig werden, so Wischnewski. Im Oktober habe das Rechenzentrum allerdings zwei echte E-Rezepte erhalten, die nun abgerechnet werden.
Bei ARZ Haan sieht die Situation anders aus. Der Vertriebsbereichsleiter Oliver Kröbel erklärte der PZ, dass ARZ Service zwar ebenfalls an der E-Rezept-Erprobung in Berlin/Brandenburg teilnimmt. Allerdings erklärte er: »Die bislang an die Kassen gelieferten Testdaten waren alle händisch erzeugt und erwiesen sich als fehlerhaft.« Ende Oktober wurden zwar zwei E-Rezepte in einer Testumgebung verarbeitet, jedoch keine Abrechnungsdaten für die Kassen erzeugt, so Kröbel. Und: »Die im November stattfindende Abrechnung wird keine E-Rezepte enthalten.« Echte E-Rezepte habe das Rechenzentrum damit noch nicht erhalten. Denn: Weder die FiveRX-Schnittstelle zu den Apotheken noch die TA3/TA7-Schnittstelle zu den Krankenkassen sind laut Kröbel fertig implementiert. »Daher sind Aussagen über die Funktionsfähigkeit derzeit nicht möglich.« Auf Nachfrage der PZ wollte er für diese Probleme nicht mit dem Finger auf einen Verantwortlichen zeigen. Es liege vielmehr daran, dass der Prozess hin zum E-Rezept noch nicht abgeschlossen sei, so Kröbel. Ähnlich wie Wischnewski erklärte auch Kröbel, dass eine große Menge E-Rezepte damit nach aktuellem Stand noch nicht verarbeitet werden könne.
Die Zeit drängt allerdings. In knapp drei Wochen, ab dem 1. Dezember soll die Testphase auf ganz Deutschland ausgeweitet werden. Ab dem 1. Januar 2022 soll eigentlich das E-Rezept das Muster-16-Rezept ablösen. Nach Gesprächen mit den Marktteilnehmern ist aber klar, erste vereinzelte E-Rezepte scheinen zwar abrechenbar zu sein, bei der technischen Umsetzung hinsichtlich der Schnittstellen und der Übermittlung scheint es aber immer wieder zu haken. Damit hat das Papierrezept wohl 2022 auch noch eine Bedeutung. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte erst kürzlich per Richtlinie festgelegt, dass Ärzte dieses bis Ende Juni 2022 noch ausstellen dürfen.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.