Schutz dank Abnehmspritze? |
Sven Siebenand |
15.05.2025 12:00 Uhr |
Bei einer Alzheimer-Demenz geht zunächst vor allem das Kurzzeitgedächtnis verloren. Betroffene leiden oft sehr darunter, dass sie so vergesslich sind. / © Adobe STock/Proxima Studio
In einer Pressmitteilung nimmt die DGN Bezug auf die Ergebnisse einer Zielversuchsemulationsstudie, die im Fachjournal »JAMA Neurology« erschienen sind. Bei einer solchen Studie wird versucht, mit Daten aus Beobachtungsstudien eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) zu simulieren. Basis waren in diesem Fall Zehnjahresdaten von Menschen mit Typ-2-Diabetes im Alter über 50 Jahren, bei denen zu Beobachtungsbeginn kein Hinweis auf eine Alzheimer-Erkrankung vorlag.
Die Patienten wurden in drei Kohorten unterteilt: erstens jene, die GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) wie Semaglutid und Dulaglutid versus andere Glucose-reduzierende Medikamente erhielten (33.358 Personen), zweitens jene, die SGLT2-Inhibitoren (SGLT2-I) wie Dapagliflozin und Empagliflozin versus andere Glucose-reduzierende Medikamente erhielten (34.185 Personen) und drittens eine Kohorte bestehend aus 24.117 Patienten, in der GLP-1-RA und SGLT2-I mit Blick auf das Alzheimer-Risiko verglichen wurden.
Im Ergebnis zeigte sich, dass sowohl die mit GLP-1-RA als auch die mit SGLT2-I Behandelten ein signifikant geringeres Alzheimer-Risiko aufwiesen als jene, die mit anderen Glucose-senkenden Medikamenten behandelt worden waren. Bezüglich des Schutzes vor Alzheimer gab es keinen Unterschied zwischen GLP-1-RA und SGLT2-I. Die DGN merkt jedoch an, dass ein anderes aktuelles Review, dessen Ergebnisse ebenfalls in »JAMA Neurology« veröffentlicht wurden, nur für GLP-1-RA eine statistisch signifikante Verringerung des Demenz-Risikos gezeigt habe.
Warum die beiden unterschiedlichen Wirkstoffklassen einen Einfluss auf das Risiko einer Alzheimer-Demenz haben könnten, ist nicht vollständig geklärt. DGN-Pressesprecher Professor Dr. Peter Berlit bringt als Möglichkeit eine Hemmung der Neuroinflammation ins Spiel, die auch bei der Alzheimer-Erkrankung relevant ist. Ebenso könnte, so der Experte, die positive Wirkung auf die Gefäßgesundheit den vor Alzheimer schützenden Effekt mit sich bringen. »Hirn- und Gefäßgesundheit hängen eng miteinander zusammen«, so Berlit.
Der Mediziner mahnt jedoch zur Zurückhaltung: Es handele sich um retrospektiv gewonnene Daten, keine RCT. Derzeit liefen Phase-III-Studien zu den GLP-1-RA, deren Ergebnisse man abwarten müsse. »Die möglichen Risiken einer Langzeittherapie sind auch noch nicht vollständig geklärt«, erinnert Berlit.
GLP-1-RA werden außer bei Typ-2-Diabetes auch zur Gewichtsreduktion eingesetzt. Als Abnehmspritzen seien sie eine Dauertherapie und das Gewicht steige nach Absetzen wieder, wenn der Lebensstil nicht geändert wird. »Eine aus Wissenschaftssicht spannende Frage ist, was dann im Hinblick auf das Demenzrisiko passiert.« Es gebe mehrere Studien, die zeigen, dass relevante Gewichtsveränderungen – nach oben oder nach unten – im höheren Alter die Demenzentstehung nach fünf und mehr Jahren begünstigen könnten.
Die DGN empfiehlt eine gesunde Lebensführung mit Fokus auf Bewegung, gesunde Ernährung und soziale Kontakte sowie die Korrektur von Seh- und Hörstörungen. »Mit diesen Präventionsmaßnahmen kann das Demenzrisiko um bis zu 45 Prozent gesenkt werden – und das ganz ohne Nebenwirkungen«, betont Berlit.