Schmerzmittel nicht übergebrauchen |
Menschen, die noch Wochen oder Monate nach durchgemachtem Covid-19 unter Kopfschmerzen leiden, sollten dennoch sparsam mit Schmerztabletten umgehen und auch nicht medikamentöse Maßnahmen testen. / Foto: Getty Images/Sam Edwards
Kopfschmerzen sind ein häufiges Begleitsymptom systemischer Viruserkrankungen; das gilt auch für SARS-CoV-2. In der Regel nehmen diese Kopfschmerzen im Verlauf des Genesungsprozesses wieder ab und verschwinden letztlich mit dem Infekt. Bei Covid-19 ist das jedoch häufig nicht der Fall, wie die DGN aktuell mit Verweis auf eine im Fachjournal »Headache« publizierte Übersichtsarbeit mitteilt (DOI: 10.1111/head.14319). Demnach persistieren Kopfschmerzen bei bis zu 45 Prozent der Menschen nach akutem Covid-19.
In einem systematischen Review, das in der Arbeit zitiert wird, litten 60 Tage nach der akuten Viruserkrankung noch 16,5 Prozent der Patienten an Kopfschmerzen, 90 Tage später noch 10,6 Prozent und nach einem halben Jahr noch 8,4 Prozent. »Angesichts der hohen Infektionszahlen und mittlerweile mehr als 30 Millionen Menschen in Deutschland, die sich bisher mit SARS-CoV-2 infiziert haben, ist die absolute Zahl der Menschen, deren Leben durch Kopfschmerzen infolge von Covid-19 längerfristig beeinträchtigt ist, sehr hoch«, erklärt Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN.
Der individuelle Leidensdruck sei enorm, führt die DNG weiter aus und verweist auf eine weitere Publikation, in der 61 Prozent der Probanden mit Kopfschmerzen im Zuge von Long- oder Post-Covid täglich Kopfschmerzen gehabt hätten. »Offensichtlich ist SARS-CoV-2 ein Trigger für sogenannte neue täglich auftretende, andauernde Kopfschmerzen (new daily persistent headache, NDPH), ein Phänomen, das wir bisher vor allem von Viren der Herpesfamilie kennen«, erklärt Diener weiter. Risikofaktoren für NDPH als Covid-19-Folge scheinen laut der DGN weibliches Geschlecht, Kopfschmerzen als erstes Covid-19-Symptom, ein eher schlechtes Ansprechen auf Schmerzmedikation und vorbestehende Kopfschmerzkrankheiten zu sein.
Es sei davon auszugehen, dass Covid-19 dabei nicht vorbestehende Kopfschmerzerkrankungen verschlimmert, sondern neu auslöst: In Studien hätten 47 bis 80 Prozent der Patienten mit vorbestehenden Kopfschmerzerkrankungen angegeben, dass sich die Covid-19-assoziierten Kopfschmerzen von den bisherigen unterschieden. Sie seien häufig als beidseitig und dumpf-drückend beschrieben worden und bei einem Teil der Betroffenen auch von Geräusch- oder Lichtempfindlichkeit oder Übelkeit und Erbrechen begleitet gewesen, was ansonsten nur von der Migräne bekannt sei.
Laut der DGN wirken herkömmliche, frei verkäufliche Kopfschmerzmittel zwar »relativ gut« bei Covid-19-assoziierten Kopfschmerzen, seien aber aus zwei Gründen problematisch: Da SARS-CoV-2 die Nieren angreifen könne, sei bei nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) Vorsicht geboten, da diese Präparate bei längerer Einnahme in seltenen Fällen die Nieren schädigen könnten. Zudem bestehe die Gefahr, dass tägliche Kopfschmerzen über einen längeren Zeitraum zur täglichen Einnahme von Schmerztabletten führten und so einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz (Medication Overuse Headache, MOH) auslösten.
»Menschen mit Wochen oder gar Monate andauernden Kopfschmerzen nach Covid-19 sollten daher sparsam mit Kopfschmerztabletten umgehen, um nicht in das ›Hamsterrad‹ des medikamenteninduzierten Kopfschmerzes zu geraten«, rät Professor Dr. Peter Berlit, DGN-Generalsekretär. »Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber es lohnt ich in jedem Fall, auch nicht medikamentöse Strategien auszuprobieren. Das Portfolio reicht von Bewegung an der frischen Luft über Entspannungstechniken und Stressreduktion.« In schweren Fällen solle ein auf Kopfschmerzen spezialisierter Neurologe aufgesucht werden.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.