S1-Leitlinie zu SARS-CoV-2 Präexpositionsprophylaxe |
Theo Dingermann |
13.05.2022 14:30 Uhr |
Wer aufgrund von einer Immundefizienz nachweislich keine geeignete Immunantwort nach einer Covid-19-Impfserie aufbaut, kann eine SARS-CoV-2-Präexpositionsprophylaxe erhalten. / Foto: Adobe Stock/Studio Romantic
Nicht jeder kann sich durch eine Impfung vor den Komplikationen einer SARS-CoV-2-Infektion schützen. Denn nur ein funktionierendes Immunsystem ist in der Lage, eine adäquate Immunreaktion nach der Schutzimpfung aufzubauen. Patienten mit einer relevanten Störung des Immunsystems, beispielsweise aufgrund einer hämatoonkologischen Erkrankung, einer andauernden Chemotherapie, einer Immuntherapie mit relevanter Immundefizienz, einer rheumatologischen Systemerkrankung oder einem angeborenen Immundefekt, sind auf andere Optionen angewiesen.
Eine Möglichkeit bietet die passive Immunisierung mit neutralisierenden monoklonalen Antikörpern (nMAK). Allerdings muss darauf geachtet werden, dass zwingend solche nMAKs eingesetzt werden, die in der Lage sind, die aktuell zirkulierenden Virusvarianten zu neutralisieren. Eine Entscheidungshilfe bei der Wahl der Wirkstoffe bietet die »S1-Leitlinie SARS-CoV-2 Prä-Expositionsprophylaxe«, die jetzt veröffentlicht wurde.
Allerdings werden nMAK Präparate, die zur SARS-CoV2-PrEP eingesetzt werden können, derzeit (noch) nicht kommerziell vertrieben. Die vorhandenen Bestände wurden vom Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen der Pandemie angeschafft und können über bevorratende Stern- und Satellitenapotheken bezogen werden.
Das Konzept einer passiven Immunisierung wurde von der pharmazeutischen Industrie seit Auftreten von SARS-CoV-2 mit Hochdruck verfolgt. Etliche Präparate wurden in der EU oder in den USA bereits zugelassen, darunter die nMAK-Präparate Bamlanivimab/Etesevimab (Neutralisation der Alpha-Variante), Casirivimab/Imdevimab (Neutralisation von Alpha- bis Delta-Varianten) und und Sotrovimab (Neutralisation von Alpha bis Deltavarianten sowie Omikron-Sublinie BA.1). Allerdings wurde deren Einsatz mit dem Auftreten neuer besorgniserregender Virusvarianten (VOC) teils stark eingeschränkt. Seit März 2022 ist mit Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld®) ein weiteres Präparat zur Prophylaxe von SARS-CoV-2 Infektionen zugelassen.
Auf Basis dieser Optionen spricht die Leitlinienkommission jetzt die nachfolgenden Empfehlungen für eine SARS-CoV-2 PrEP aus.
Gegen den Einsatz einer SARS-CoV-2 PrEP votiert die Leitlinienkommission für Personen, denen eine aktiven Immunisierung empfohlen werden kann. Für diesen Personenkreis ist eine SARS-CoV-2 PrEP kein Ersatz für eine vollständig durchgeführte Impfserie entsprechend aktueller Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO).
Voraussetzungen für die Durchführung einer SARS-CoV-2 PrEP mit nMAK sind:
Unter bestimmten Bedingungen kann eine passive Immunisierung auch vor Vollendung einer (intensivierten) Impfserie sinnvoll sein.
Laut der Leitlinie ist die nMAK-Kombination Tixagevimab/Cilgavimab derzeit in Deutschland das einzige verfügbare und zur prophylaktischen Anwendung zugelassene nMAK-Präparat mit adäquater Wirksamkeit gegenüber den aktuell zirkulierenden Omikron-Varianten auf Grundlage von Untersuchungen in vitro. Es wurde speziell zur prophylaktischen Anwendung entwickelt und besitzt eine deutlich längere Halbwertszeit im Vergleich zu anderen nMAK-Präparaten. Evusheld® wird in einer Dosis von 150/150 mg intramuskulär verabreicht. Hinsichtlich des Dosisintervalls kann sich die Leitlinie derzeit noch nicht festlegen.
Die Kombination aus Casirivimab und Imdevimab (Ronapreve®) soll in Gebieten mit einer Dominanz der Omikron-Variante zur SARS-CoV-2 PrEP nicht zur Anwendung kommen, da diese Kombination in vitro keine ausreichende Aktivität gegenüber aktuell zirkulierenden (Omikron-)Varianten zeigt.
Sotrovimab (Xevudy®) soll nicht zur SARS-CoV-2 PrEP angewendet werden. Sotrovimab zeigte in vitro zwar eine Wirksamkeit gegenüber der Omikron- BA.1-Sublinie. Gegenüber der nunmehr prävalenten BA.2 Variante liegt nach aktuellen Untersuchungen jedoch ein deutlicher Wirkungsverlust vor, sodass eine klinische Wirksamkeit in der zugelassenen Dosierung zum aktuellen Zeitpunkt als unwahrscheinlich eingestuft wird.
Patienten, die eine PrEP erhalten, sollen im Falle einer Durchbruchinfektion wie (Risiko-) Patienten ohne PrEP behandelt werden . Dies schließt insbesondere die Evaluation von frühzeitigen antiviralen Therapieansätzen im Rahmen einer individuellen Risikostratifikation ein.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.