Rund um die Auffrischimpfung ist noch vieles ungewiss |
Theo Dingermann |
26.08.2022 18:00 Uhr |
Topol sieht Anzeichen für einen prinzipiellen Switch in der Zulassungssystematik bei Covid-19-Impfstoffen. Mit der jährlichen Anpassung des Grippeimpfstoffs anhand von Daten aus Mäusen gebe es durchaus einen Präzedenzfall für die Verwendung solcher Daten aus präklinischen Studien. Allerdings ließen sich diese Erfahrungen nicht so einfach auf SARS-CoV-2 übertragen, da sich das Virus deutlich von der Grippe unterscheidet. Zudem führt auch er das Problem der immunologischen Prägung an: Dieses werfe Fragen auf, die sich momentan nur im Kontext eines menschlichen Immunsystems beantworten lassen.
»Wir wissen also noch nicht, welche Rolle die potenzielle Prägung bei Personen spielt, die den BA.5-Booster erhalten. Darüber hinaus sind sowohl die Impfungen von Biontech/Pfizer als auch die von Moderna bivalent, wohingegen der monovalente Impfstoff besser sein dürfte, da er keine weitere Immunreaktion auf den veralteten Wildtyp-Stamm auslöst und zudem bessere Daten im Mausmodell liefert. Es ist unklar, warum ein monovalenter BA.5-Impfstoff zu diesem Zeitpunkt nicht auf den Weg gebracht wird«, so Topol.
Auch bei einer Auffrischimpfung mit einem monovalenten angepassten Impfstoff ist momentan unklar, wie das Immunsystem reagiert. Eine Möglichkeit ist, dass ein neues Gedächtnis für die neue Variante anlegt wird und bei der nächsten Abwehr auf einen erweiterten Gedächtnispool zurückgegriffen werden kann. Damit könnte auch die Abwehr von Varianten, gegen die nicht explizit geimpft wurde, besser gelingen. Andererseits ist aber auch denkbar, dass die schnelle, aber suboptimale Immunreaktion die Bildung eines neuen Erinnerungspools stört. Wenn dann eine neue Version des Virus auftaucht, reaktiviert der Körper einfach den bestehenden Immunschutz – und kann eine veränderte neue Variante womöglich nicht mehr erkennen.
Prinzipiell stellt Topol sich nicht gegen ein beschleunigtes Zulassungsverfahren, wie es sich bei Influenzaimpfstoffen bewährt hat. »Aber wir müssen auch die Ungewissheit über die Wirksamkeit und die Reaktion der Öffentlichkeit anerkennen.« Er sei bereit zu akzeptieren, »dass die Sicherheit angesichts der Milliarden Dosen von mRNA-Impfstoffen, die während der Pandemie verabreicht wurden, kein Thema sein wird.« Aber »wenn die neue Booster-Kampagne von der Öffentlichkeit als ›Schnellschuss‹ angesehen wird und die Befürchtung besteht, dass die Zulassung nur auf Daten beruht, die an Mäusen erhoben wurden, wird dies die Akzeptanz sicherlich nicht fördern«, warnt Topol.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.