Risiken steigen mit jeder Reinfektion |
Theo Dingermann |
23.06.2022 09:30 Uhr |
Viele Menschen sind mittlerweile pandemiemüde und wollen keine Maske mehr tragen. Nichtsdestotrotz wird es weiter notwendig sein, Infektionen möglichst zu vermeiden, um gesundheitliche Risiken zu minimieren. / Foto: Getty Images/skynesher
Wie hoch die Risiken für schwere Komplikation beziehungsweise Folgeerkrankungen wie Long Covid bei Reinfektionen mit SARS-CoV-2 sind und welchen Einfluss eine Impfung dabei hat, war bislang schwer einzuschätzen. In einer als Preprint auf der Website »Research Square« erschienenen Arbeit gehen jetzt Professor Dr. Ziyad Al-Aly und Kollegen von der Washington University und vom Veterans Affairs St. Louis Health Care System diesen Fragen nach.
Für ihre Analyse verwenden die Autoren Daten aus den nationalen Gesundheitsdatenbanken des US Department of Veterans Affairs. Sie definieren drei verschiedene Kohorten:
Ziel der Erhebung war es, über sechs Monate die Risiken für die Gesamtmortalität, Krankenhausaufenthalte und eine Reihe anderer, mit einer SARS-CoV-2-Infektion verbundenen Komplikationen abzuschätzen.
Die Autoren konnten zeigen, dass eine Reinfektion verglichen mit einer Erstinfektion ein zusätzliches Risiko für fast alle bekannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen beinhaltet, die im Zusammenhand mit Covid-19 auftreten können. Dazu zählen die Gesamtmortalität, das Risiko für Krankenhausaufenthalte und Beeinträchtigung der Lungenfunktion und extrapulmonaler Organsysteme wie kardiovaskuläre Störungen, Gerinnungs- und hämatologische Störungen, Diabetes, Fatigue, gastrointestinale Störungen, Nierenfunktionsstörungen, psychische Störungen, Erkrankungen des Bewegungsapparats und neurologische Störungen.
Erhöhte Risiken für all diese Vitalfunktionen ergaben sich ungeachtet der Tatsache, ob die Patienten vor der zweiten Infektion eine oder mehrere Impfungen erhalten hatten. Zwar waren die Risiken während der akuten Krankheitsphase am stärksten ausgeprägt, sie blieben allerdings während der postakuten Phase der Reinfektion meist bis mindestens sechs Monaten erhöht.
Schaut man sich die Daten der Autoren genauer an, sieht man zunächst, dass sich für Personen mit Reinfektionen gegenüber solchen mit nur einer Infektion das Risiko für die Gesamtmortalität sowie für kardiovaskuläre und lungenbedingte Komplikationen verdoppelt. Das Risiko für die Notwendigkeit einer Krankenhauseinweisung und die Auswirkungen auf andere Gesundheitsbereiche verdreifacht sich sogar. Zwar besteht die höchste Wahrscheinlichkeit für diese unerwünschten Ergebnisse unmittelbar nach der Reinfektion. Allerdings bleibt das Risiko für die meisten Endpunkte mit abnehmender Tendenz bis zu sechs Monate bestehen.
Schließlich ist auch sehr klar bei mehrfachen Reinfektionen ein »Dosis-Wirkungs-Effekt« zu erkennen. Das bedeutet, dass bei zusätzlichen Covid-Episoden für jedes Ergebnis ein schrittweise höheres Risiko resultiert.
Dies ist eine neue Qualität von Risiken, die mit dem Auftreten der Omikron-Variante verbunden ist. Waren Reinfektionen vor der Omikron-Welle mit <1 Prozent bis zur Delta-Welle recht selten, treten sie nun deutlich häufiger auf. Das liegt an dem hohen Immunfluchtpotenzial der Omikron-Varianten BA.2, BA.2.12.1, BA.4 und BA.5, wodurch ein Immunschutz nach einer durchgemachten Infektion sehr effizient unterlaufen wird.
Letztlich belegt diese Studie deutlich, dass eine Reinfektion mit Blick auf die Gesamtmortalität, Krankenhausaufenthalte und negative Gesundheitsfolgen in der akuten und postakuten Phase nicht trivial ist. Um die Gesamtbelastung durch Tod und Krankheit aufgrund von SARS-CoV-2 zu verringern, sind daher dringend Strategien zur Prävention von Reinfektionen erforderlich, resümieren die Autoren.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.