Rheumatologen aktualisieren Empfehlungen |
Rheuma-Patienten sollten auch während der Corona-Pandemie in der Regel ihre Medikation beibehalten – mit einigen Ausnahmen. / Foto: Shutterstock/Image Point Fr
Auf Basis von Fallberichten, Registerdaten und ersten Studien können Rheumatologen ihre Patienten beruhigen: Sie haben kein erhöhtes Risiko, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken. »Auch das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 scheint nicht erhöht zu sein«, sagte Professor Dr. Hendrik Schulze-Koops, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, anlässlich aktualisierter Empfehlungen zur Betreuung von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen im Rahmen der Coronavirus-Pandemie.
Es gelte jedoch, einige Besonderheiten zu beachten. So seien generelle Risikofaktoren für schwere Verläufe wie ein höheres Lebensalter, männliches Geschlecht, Rauchen, Diabetes mellitus, starkes Übergewicht oder vorbestehende Lungen-, Herz- und Nierenerkrankungen bei Rheuma-Patienten häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt zu beobachten. Diesem Tatbestand müsse sowohl in der Prävention als auch in der Therapie Rechnung getragen werden.
Zwar stuft das Robert-Koch-Institut (RKI) eine Immunmodulation beziehungsweise -suppression als potenziell gefährdend ein. Das Covid-19-Risiko könne aber auch bei einer schlecht eingestellten Rheuma-Medikation steigen, so die Rheumatologen. Daher empfiehlt die Fachgesellschaft, eine Glucocorticoid-Therapie ebenso wie eine Behandlung mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder konventionell synthetischen »Disease-Modifying Anti-Rheumatic Drugs« (csDMARDs) wie Methotrexat, Sulfasalazin oder Leflunomid unverändert fortzusetzen.
Ebenso sollte eine Therapie mit »targeted synthetic«, also auf spezifische Molekularstrukturen abzielenden DMARDs (tsDMARDs) wie Tofacitinib beziehungsweise mit »biologic DMARDs« (bDMARDs) wie Adalimumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab oder Abatacept aus Furcht vor einer SARS-CoV-2-Infektion nicht beendet werden. Gleiches gelte für Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Cyclophosphamid.
Im Gegenteil: Ein Umstellen oder gar Pausieren der Medikation gehe oftmals mit einem Aufflammen der rheumatologischen Erkrankung einher und erhöhe das Risiko umso mehr. Bei rheumatologischen Indikationen sei auch Hydroxychloroquin (HCQ) wie bisher einzusetzen. Ein vermuteter protektiver Effekt bei Covid-19 konnte jedoch bislang nicht belegt werden.
Für Rituximab (RTX) gibt es widersprüchliche Daten hinsichtlich des Verlaufs von COVID-19 bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen, heißt es in dem aktualisierten Statement weiter. Da auch über fatale Verläufe berichtet werde, könnte hier insbesondere bei Indikationen ohne potenziell lebensbedrohliche Manifestationen wie zum Beispiel der unkomplizierten rheumatoiden Arthritis (RA) unter Abwägung des Rezidiv-Risikos eine Verschiebung der RTX-Gabe erwogen werden. In keinem Fall sollte der Einsatz von RTX zur Remissionsinduktion bei organbedrohenden Systemerkrankungen wie der Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) vertagt werden.
Zwar könne keine Empfehlung für ein bestimmtes DMARD bei Neueinstellung gegeben werden: Doch sollte eine antirheumatische Therapie aufgrund Covid-19 auch hier keinesfalls unterbleiben beziehungsweise verzögert oder minimiert eingeleitet werden. Gegebenenfalls könne erwogen werden, den Einsatz von Substanzen mit kurzer Halbwertszeit zu bevorzugen. Auch die Gabe von RTX zur Remissionsinduktion bei Systemerkrankungen wie zum Beispiel ANCA-, also mit antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern assoziierten Vaskulitiden, sollte aus Sorge vor Covid-19 nicht unterbleiben.
Die Autoren des aktualisierten DGRh-Statements betonen abschließend, dass eine immunmodulierende oder -suppressive Rheumamedikation lediglich bei Patienten mit positivem SARS-CoV-2-Abstrich oder bereits beginnenden Covid-19-Symptomen gegebenenfalls unterbrochen werden muss. Eine Therapie mit Glucocorticoiden unter 10 Milligramm pro Tag könne dagegen fortgesetzt werden.
Eine Arbeitsunfähigkeit im Kontext der Covid-19-Pandemie allein wegen der rheumatischen Erkrankung und ihrer Behandlung sei nicht gerechtfertigt. Bei besonderer Gefährdung sollten die Risiken individuell beurteilt werden. Es sollte allerdings gegebenenfalls ein Attest dahingehend ausgestellt werden, dass eine immunmodulatorische beziehungsweise -suppressive Therapie durchgeführt wird.
Damit, so heißt es, könnten Patienten sich an Betriebs- oder Amtsärzte beziehungsweise Arbeitgeber wenden, um einen Arbeitsplatz mit der Möglichkeit der Kontaktminimierung zu erhalten. Auf www.dgrh.de ist unter dem Suchwort »Attest« eine entsprechende Vorlage zu finden.
Last but not least: Ob Pneumokokken oder Influenza: Entsprechend den STIKO-Empfehlungen sollte der Impfstatus aktualisiert werden, sobald die Impfstoffe für die Saison 2020/2021 verfügbar sind.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.