Retardiert und kombiniert |
Rolf Daniels |
28.04.2019 08:00 Uhr |
Arzneiformen mit modifizierter Wirkstofffreigabe können eine Dauertherapie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen erleichtern. / Foto: Adobe Stock/cassis
Längst nicht für jeden Arzneistoff mit kurzer Halbwertszeit und jede Arzneistoffkombination gibt es Retardformen, da gewisse Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, um entsprechende Arzneimittel entwickeln zu können.
Grundsätzlich sind Retard- und Kombinationspräparate galenisch aufwendige Produkte, die bei einer generischen Substitution als kritische Arzneiformen anzusehen sind. Infolgedessen erscheint ein Austausch, wenn auch formal entsprechend den Regelungen des G-BA möglich, therapeutisch nicht immer sinnvoll. Gegebenenfalls sollten Apotheker dann Pharmazeutische Bedenken geltend machen.
Retardtabletten und -kapseln zählen gemäß Europäischem Arzneibuch zu den Darreichungsformen mit verlängerter Wirkstofffreisetzung und sind dort wie folgt definiert: »…sind Zubereitungen mit veränderter Wirkstofffreisetzung, die eine langsamere Wirkstofffreisetzung als die Darreichungsformen mit unveränderter Wirkstofffreisetzung, die in gleicher Weise verabreicht werden, aufweisen. Die verlängerte Freisetzung wird durch eine spezielle Zusammensetzung und/oder ein spezielles Herstellungsverfahren erreicht.«
Naheliegende Ziele einer Retardierung sind die Wirkungsverlängerung, Verminderung von Plasmapeaks und Glättung des Plasmaspiegels bei der Mehrfachapplikation. Dies trifft insbesondere für Arzneistoffe mit kurzer Eliminationshalbwertszeit zu. Je kürzer die Eliminationshalbwertszeit, desto häufiger muss dosiert werden und desto höher wird die Fluktuation der Plasmaspiegel sein. Bei einer Eliminationshalbwertszeit über zwölf Stunden kann in aller Regel auf eine Retardierung verzichtet werden.
Kardiovaskuläre Erkrankungen erfordern in der Regel eine Langzeittherapie. Diese sollte für den Patienten möglichst einfach umzusetzen sein. / Foto: Shutterstock/Alexander Raths
Mit Retardarzneiformen gelingt eine vollständige Kontrolle der Pharmakokinetik (Invasions- und Eliminationsgeschwindigkeit), wenn die Abgaberate geschwindigkeitsbestimmend für die Resorption ist und diese langsamer erfolgt als die Elimination. Es liegt eine sogenannte Flip-Flop-Kinetik vor.
Neben einer verlängerten Wirkdauer ist die Verbesserung der Adhärenz ein zentrales Anliegen bei Retardarzneimitteln. Diese wird erwiesenermaßen sehr stark von der Zahl der täglich notwendigen Gaben beeinflusst. Zudem können Retardformulierungen die Nebenwirkungsrate, die lokale Verträglichkeit und den pharmako-ökonomischen Wert positiv beeinflussen sowie die Patentlaufzeit verlängern.
Neben den Vorteilen gibt es aber auch einige Herausforderungen und Probleme bei der Entwicklung solcher Präparate: höhere Entwicklungs- und Herstellungskosten, niedrigere und stärker schwankende Bioverfügbarkeiten, Gefahr der Toleranzausbildung sowie je nach galenischem Prinzip die Gefahr des »Dose Dumpings«. Darunter versteht man eine unkontrollierte Spontanfreisetzung der gesamten Wirkstoffmenge.
Kriterien, die einen Wirkstoff geeignet für eine Retardformulierung erscheinen lassen, sind:
Sind diese Voraussetzungen gegeben und ist kein Wirkstoff mit genügend langer Eliminationshalbwertszeit verfügbar, so ist in der Langzeittherapie kardiovaskulärer Erkrankungen eine Behandlung unter Verwendung einer Retardgalenik anzustreben. Hierfür werden unterschiedliche Formulierungsprinzipien eingesetzt, zum Beispiel Diffusionsbarrieren durch unlösliche Filme, nicht erodierende und erodierende Matrices, Mikropelletsysteme und osmotische Prinzipien (Push-Pull-Tabletten). Diese Optionen unterscheiden sich in ihrer Eignung für gut oder schlecht wasserlösliche Arzneistoffe, der Teilbarkeit und insbesondere der Freisetzungskinetik sowie Robustheit gegenüber Nahrungseinflüssen (Tabelle 1).
Galenisches Prinzip | Freisetzung | |||
---|---|---|---|---|
teilbar | linear | nicht konstant | abhängig von WS-Löslichkeit | |
MUPS-Tabletten mit Diffusionspellets | ja | +/- | +/- | ja |
Matrixtabletten | nein | - | + | ja |
Hydrokolloideinbettungen | nein | +/- | +/- | nein |
»Makrokristalle« | ja | - | + | ja |
osmotische Pumpen (Push-Pull-Prinzip) | nein | + | - | nein |
Bei der Behandlung der Herzinsuffizienz kommt der Freisetzungskinetik eine besondere Bedeutung zu, da eine gleichmäßige Hemmung des Sympathikotonus hier therapeutisch von Vorteil ist. Ein populäres Beispiel, bei dem diese Erkenntnis und die dazu passende Galenik einen entscheidenden Therapiefortschritt gebracht hat, sind Retardzubereitungen des selektiven Beta-1-Rezeptorenblockers Metoprolol. Die Produkte des deutschen Markts lassen sich in drei Gruppen unterteilen:
Die meisten klassischen Retardprinzipien setzen den Wirkstoff mit zunehmender Freisetzungsdauer langsamer frei. Häufig lässt sich der Verlauf mit einer Freisetzungskinetik 1. Ordnung oder mit dem Quadratwurzel-Gesetz nach Higuchi (Wurzel-t-Kinetik) gut beschreiben (Abbildung 1). Ein typisches Formulierungsprinzip hierzu sind Retardtabletten auf Basis einer unlöslichen Matrix. Wichtig für die Beratung ist, dass die komplette, aber wirkstofffreie Tablette ausgeschieden wird.
Davon abzugrenzen sind Formulierungen, die den Wirkstoff mit nahezu konstanter Geschwindigkeit über einen Zeitraum von mindestens 16 Stunden freisetzen (Abbildung 1).
Abbildung 1: Simulierte Blutspiegel nach der Gabe von unretardiertem Metoprolol (blaue Kurve) sowie nach Gabe äquivalenter Dosen einer Retardformulierung mit konstanter und mit nicht-konstanter Freisetzungsgeschwindigkeit / Foto: Stephan Spitzer
Erste Metoprolol-Retardformulierungen waren Matrixsysteme, die allerdings mit einer Freisetzung von mehr als 60 Prozent des Wirkstoffs innerhalb von zwei Stunden für eine einmal tägliche Gabe ungeeignet sind. Diese wurde erst mit der Entwicklung von multipartikulären Retardtabletten möglich. Dabei werden Diffusionspellets, das heißt wirkstoffhaltige Pellets, die mit einem wasserunlöslichen Film, zum Beispiel aus Ethylcellulose, überzogen sind, mit weiteren Hilfsstoffen zu Tabletten verpresst. Die Technologie heißt daher MUPS: multiple unit pellet system.
Diese Multiple-Unit-Darreichungsform zeigt eine initiale Freisetzung von etwa 15 bis 20 Prozent und danach eine weitgehend konstante Wirkstoffabgabe mit einer Kinetik nullter Ordnung (Abbildung 2). Formulierungsprinzipien mit dieser besonderen Freisetzungskinetik werden bei Fertigarzneimitteln oft mit Abkürzungen wie ZOK, ZOT, Zero, Z, ZK, ZNT, NT, NK oder O.K. im Namen kenntlich gemacht. Da Metoprolol auch in tiefen Darmabschnitten gut resorbiert wird, ergibt sich aus der konstanten und langen Freisetzung der gewünschte annähernd konstante Blutspiegel bei einmal täglicher Gabe.
Abbildung 2: In-vivo-Blutspiegel nach Mehrfachapplikation (fünfter Tag) von Metoprolol-Matrixtabletten und multipartikulären Retardtabletten (MUPS); modifiziert nach Warnke, A., Blume, H., 2004 / Foto: Stephan Spitzer
Diese Unterschiede haben Folgen für die Apothekenpraxis: Auch in den Fällen, in denen die übrigen Kriterien für eine Austauschbarkeit im Sinn des Rahmenvertrags nach § 4 (1) erfüllt sind (gleicher Wirkstoff, Zulassung für mindestens ein gleiches Anwendungsgebiet, identische Wirkstärke und Packungsgröße), ist die Gleichheit der Darreichungsform aufgrund der sehr unterschiedlichen Pharmakokinetik von Matrixtabletten und multipartikulären Retardtabletten nicht gegeben. Eine Substitution sollte daher zu pharmazeutischen Bedenken führen.
Retardtabletten mit MUPS-Technologie sind im Gegensatz zu den meisten anderen Retardpräparaten teilbar (Tabelle 1). Sie sind also im Gegensatz zu Matrixtabletten auch für Patienten mit Schluckbeschwerden geeignet. Sie dürfen aber auf keinen Fall gemörsert werden, da dabei die Diffusionshülle der Pellets beschädigt werden und es zum Dose Dumping kommen könnte.
Allerdings sagt der Begriff MUPS-Technologie nicht generell etwas über die Freisetzungskinetik aus. Werden in MUPS-Tabletten Matrixpellets verarbeitet, so resultiert auch hier – wie für alle Matrixsysteme – eine nicht-lineare Freisetzung, die dem Quadratwurzelgesetz folgt.
Die Wirkstoffabgabe aus Retardtabletten sollte idealerweise nur wenig von äußeren Faktoren wie Nahrung oder pH-Wert im Gastrointestinaltrakt beeinflusst werden. Dies ist allerdings nur bei wenigen Retardierungsprinzipien der Fall, da in aller Regel die Geschwindigkeit der Arzneistoffabgabe vom Konzentrationsgradienten zwischen Retardarzneiform und Flüssigkeit im Gastrointestinaltrakt und damit von deren lokaler Löslichkeit bestimmt wird.
Günstiger ist es, wenn die Wirkstoffabgabe durch ein anderes Prinzip, zum Beispiel den osmotischen Gradienten in einer Push-Pull-Tablette, gesteuert wird (Abbildung 3).
Abbildung 3: Funktionsweise und kumulative Wirkstofffreisetzung aus Push-Pull-Tabletten (OROS-Technologie) / Foto: Stephan Spitzer
So sind etwa Nifedipin-Retardpräparate je nach galenischer Form unterschiedlich robust gegenüber pH-Milieu und Nahrungseinflüssen. Besonders günstig schneidet ein osmotisches Freisetzungsprinzip (Push-Pull-Tablette) ab, das jedoch in Deutschland nicht im Handel ist. Nachteilig ist, dass osmotische Systeme eine vergleichsweise lange Anlaufphase von einer bis zwei Stunden benötigen, bevor sie den Wirkstoff mit konstanter Rate abgeben.
Weitere Wirkstoffe zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen, die als osmotisch kontrollierte Retardsysteme formuliert wurden, finden sich bei Calciumantagonisten (Isradipin, zum Beispiel in Dynacirc® CR; Verapamil, zum Beispiel in Covera® HS) und α-Blockern (Doxazosin, zum Beispiel in Cardular® PP oder Diplocin® PP; Prazosin, zum Beispiel in Alpress® LP oder Minipress® XL). In Deutschland ist nur Doxazosin als osmotisches System im Handel.
In der Regel entscheidet die Eliminationshalbwertszeit darüber, ob von einem Wirkstoff eine Retardarzneiform benötigt wird oder nicht. Dies gilt nicht, wenn die Plasmakonzentration nicht direkt mit der Wirkung assoziiert ist. So ist die Wirkdauer von ACE-Hemmern in der Regel länger als ihre Halbwertszeit im Plasma, da der Komplex aus Enzym und Inhibitor sehr langsam dissoziiert. Daher muss zum Beispiel Spirapril trotz einer Eliminationshalbwertszeit von einer Stunde nur einmal täglich gegeben werden. Ebenso ist die Thrombozytenaggregationshemmung von ASS nicht mit der Plasmakonzentration korreliert, da der Wirkung eine selektive und irreversible Hemmung der COX-1 in den kernlosen Thrombozyten zugrunde liegt.
Andererseits gibt es auch Retardarzneiformen mit Wirkstoffen, die eine lange Eliminationshalbwertszeit haben. Ziel ist hier die Absenkung des Spitzenspiegels und der damit verbundenen unerwünschten Wirkungen. Eine typische Substanzgruppe, bei der dies genutzt wird, sind die Dihydropyridine, zum Beispiel Felodipin (HWZ etwa 25 Stunden). Durch das langsamere Anfluten können ein zu schneller Blutdruckabfall und die daraus resultierende reflektorische Tachykardie vermieden werden.
Viele Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen benötigen eine Kombinationstherapie, um das Therapieziel, zum Beispiel den Blutdruck-Zielwert, zu erreichen. Kombinationspräparate erhöhen die Therapietreue und damit den Anteil an Patienten, deren Blutdruck erfolgreich in den Zielbereich gebracht werden kann. Deshalb empfiehlt die aktuelle europäische Hypertonie-Leitlinie den Einsatz von Kombinationspräparaten, das heißt von peroralen Darreichungsformen, die zwei, selten mehr Arzneistoffe in einem festgelegten Dosierungsverhältnis enthalten (Englisch: fixed-dose combinations, FDC).
Achtung: Längst nicht jede Retardtablette ist teilbar. / Foto: Adobe Stock/Agenturfotografin
Damit adressiert die ESC/ESH-Leitlinie die wesentliche Rationale für den Einsatz von Kombinationspräparaten, nämlich eine Verbesserung der Compliance. Eine Metaanalyse von Gupta und Kollegen belegte 2010 die Richtigkeit dieser Hypothese für die antihypertensive Therapie. Außerdem schafft diese Metaanalyse Evidenz dafür, dass bei einer Therapie mit Kombinationspräparaten die Effizienz der Blutdruckkontrolle besser und die Anzahl unerwünschter Wirkungen geringer ausfällt als bei entsprechender Therapie mit Monopräparaten.
Diesen Vorteilen stehen auch Nachteile gegenüber. Die Therapie mit Kombinationen ist weniger flexibel, sodass eine Umstellung aufgrund neuer Erkenntnisse, zum Beispiel die Beteiligung von Hydrochlorothiazid an der Entstehung von hellem Hautkrebs, aufwendiger werden könnte. Zudem enthalten Kombinationspräparate ein festes Verhältnis der beiden Arzneistoffe und geben damit weniger Spielraum zur Therapie-Individualisierung als Monopräparate. Meist sind auch die Therapiekosten mit einem (Originator-)Kombinationspräparat höher als bei Verordnung der generisch verfügbaren Monosubstanzen. Allerdings zahlt sich ihr Einsatz aufgrund der verbesserten Compliance letztlich doch aus, denn damit lässt sich die Zahl der Folgekomplikationen von Bluthochdruck senken, die das Gesundheitssystem jährlich mehrere Milliarden kosten.
Aufgrund ihrer therapeutischen Bedeutung liegt aktuell auch ein Antrag zur Aufnahme von Kombinationspräparaten mit Antihypertensiva in die WHO-Liste der essenziellen Arzneimittel vor (Tabelle 2).
Wirkstoffgruppen | Beispielkombinationen | Dosierungsvorschläge (mg) |
---|---|---|
ACE-Hemmer und Thiazid- oder Thiazidanalog-Diuretikum | Lisinopril und Hydrochlorothiazid | 10 und 12,5/20 und 12,5/20 und 25 |
ACE-Hemmer und Calciumantagonist | Lisinopril und Amlodipin | 10 und 5/20 und 5/20 und 10 |
AT1-Blocker und Calciumantagonist | Telmisartan und Amlodipin | 40 und 5/80 und 5/80 und 10 |
AT1-Blocker und Thiazid- oder Thiazidanalog-Diuretikum | Telmisartan und Hydrochlorothiazid | 40 und 12,5/80 und 12,5/80 und 25 |
Wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung eines Kombinationspräparats sind vergleichbare pharmakokinetische Profile der beiden Arzneistoffe sowie möglichst deren physiko-chemische Kompatibilität. Ein Entscheidungsbaum für ein adäquates Formulierungsdesign ist in Abbildung 4 dargestellt.
Abbildung 4: Entscheidungsbaum zur Findung eines adäquaten Formulierungsdesigns für Kombinationspräparate; nach Moon, 2016 / Foto: Stephan Spitzer
Für die Zulassung eines Kombinationspräparats muss Äquivalenz sowohl hinsichtlich der pharmakokinetischen Parameter als auch bezüglich Sicherheit und Verträglichkeit im Vergleich zu den entsprechenden Monopräparaten belegt werden. Eine Guidance for Industry der FDA fordert auch den Beleg der Sinnhaftigkeit. Das heißt: Die Kombination muss den Blutdruck zum Beispiel mit höherer Wahrscheinlichkeit senken als jeder der beiden Wirkstoffe für sich allein. Außerdem empfiehlt dieses Dokument, Kombinationspräparate nur mit Wirkstoffen zu entwickeln, die bereits als Monopräparate zugelassen sind. Die dadurch vorliegenden Erfahrungen zu jedem einzelnen Wirkstoff sollen die Therapiesicherheit erhöhen.
Eine Substitution bei schnell freisetzenden Kombinationspräparaten erscheint vor diesem regulatorischen Hintergrund insgesamt nicht kritischer zu sein als bei nicht-retardierten Monopräparaten zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen.
Aus therapeutischen und pharmazeutisch-technologischen Erwägungen heraus kann es auch bei Kombinationspräparaten sinnvoll sein, dass einer oder beide Arzneistoffe verzögert freigesetzt werden. Beispiele sind in Tabelle 3 aufgeführt.
Wirkstoff 1 retardiert | Wirkstoff 2 | Galenik | teilbar | Handelspräparate (Beispiele) |
---|---|---|---|---|
Nifedipin | Atenolol | Kapsel | n. a. | AteNif beta retard, Bresben, NIF-TEN, Nifatenol |
Metoprolol | Chlortalidon | Retardpellets | ja | Prelis, Logroton Comp |
Metoprolol | HCT | Retardpellets | ja | Beloc-ZOK comp., MetoHexal Succ comp |
Felodipin | Ramipril | Matrix | nein | Delmuno |
Im Gegensatz zu den nicht-retardierten Präparaten ist die Substitution bei solchen Kombinationen kritisch zu betrachten. Reicht die zur Verfügung stehende Information nicht zu einer sicheren Bewertung der Freisetzungskinetiken aus, sollten pharmazeutische Bedenken geltend gemacht und von einem Austausch abgesehen werden.
Darüber hinaus besteht in der Praxis oft das Problem, dass in Deutschland viele häufig eingesetzte Kombinationspräparate keine Zulassung für die Initialbehandlung kardiovaskulärer Erkrankungen haben. Deren Einsatz stellt formal eine »Off label«-Verordnung dar und birgt für den behandelnden Arzt das Risiko, dass er in Regress genommen wird. Hier sind schnelle Anpassungen wünschenswert.
Kombinations-, Retard- und Kombinations-Retardarzneimittel sind aus der Langzeittherapie kardiovaskulärer Erkrankungen nicht mehr wegzudenken, da sie nicht nur hinsichtlich der Adhärenz, sondern auch bezüglich der Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie belegbare Vorteile bringen. Die Entwicklung geeigneter Präparate ist aufwendig und die resultierenden Darreichungsformen sind komplex.
Eine vergleichende Bewertung setzt pharmazeutisch-technologisches und biopharmazeutisches Wissen sowie ausreichende Informationen zur Arzneiform voraus. Eine generische Substitution sollte insbesondere bei Zubereitungen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung eher restriktiv erfolgen, auch wenn die Anlage VII zum Abschnitt M der Arzneimittel-Richtlinie die Austauschbarkeit aus formellen Gründen großzügig erlaubt. /
Rolf Daniels studierte Pharmazie in Regensburg und wurde 1985 promoviert. Zunächst als Laborleiter in einer Pharmafirma und dann als Akademischer Rat am Institut für Pharmazie der Universität Regensburg tätig, habilitierte sich Daniels 1994 und erhielt die Lehrbefugnis für das Fach Pharmazeutische Technologie. Zehn Jahre war er an der TU Braunschweig tätig, bevor er 2005 als W3-Professor an die Universität Tübingen wechselte. Seine Hauptforschungsgebiete umfassen die Formulierung und Charakterisierung von Dermatika und hier insbesondere von polymer- oder feststoffstabilisierten Emulsionen, Lipiddispersionen und Schaumformulierungen sowie von lipidbasierten oralen Darreichungsformen.