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Gentechnische Sicherheit

Rekombinante Gerinnungsfaktoren

Angesichts der geringen Zahl an Hämophilie-Patienten weltweit ist die Vielzahl an rekombinant hergestellten Gerinnungsfaktoren, die sich mittlerweile auf dem Markt tummeln, schon erstaunlich. Die Unterschiede zwischen den Produkten sind oft nur marginal und den technischen Möglichkeiten oder geschickten Ausweichmanövern um patentgeschützte Verfahren geschuldet.
Robert Fürst und Ilse Zündorf
06.08.2020  11:00 Uhr

In Deutschland gibt es etwa 4000 Patienten mit Hämophilie A und ungefähr 700 mit Hämophilie B. Sie leiden an einer mitunter lebensgefährlichen, erhöhten Blutungsneigung, die auf einen Mangel eines Faktors in der komplexen Gerinnungskaskade zurückzuführen ist (mehr dazu lesen Sie hier). Die Hämophilien A und B sind die häufigsten Koagulopathien, sie werden durch den Mangel an Faktor VIII (FVIII) beziehungsweise Faktor IX (FIX) ausgelöst.

Neben nach wie vor etlichen Faktor-VIII-Präparaten, die aus Humanplasma gewonnen werden, gibt es mittlerweile zahlreiche rekombinant hergestellte Wirkstoffe für Patienten mit Hämophilie A. Einige Herausforderungen mussten bei der gentechnischen Herstellung des mit 2332 Aminosäuren sehr großen und umfassend posttranslational modifizierten Gerinnungsfaktors VIII bewältigt werden.

Faktor VIII in vielen Varianten

FVIII ist ein Domänenprotein, das aus den Abschnitten A1-A2, B, A3 und C1-C2 besteht (Abbildung 1). Posttranslational kann das Protein an 25 Stellen N-glycosyliert und an sechs Tyrosin-Resten sulfatiert sein. Der ins Blut sezernierte FVIII besteht aus einer zwischen 90 und 200 kDa großen schweren Kette aus A1, A2 und einem mehr oder weniger großen Anteil der Domäne B, die über Metallionen mit der leichten Proteinkette aus A3, C1 und C2 verknüpft ist. Im Plasma sind die beiden FVIII-Proteinketten mit dem von-Willebrand-Faktor (VWF) assoziiert und werden dadurch stabilisiert.

Thrombin oder FXa aktivieren FVIII über eine Spaltung zwischen A1 und A2 sowie zwischen A2 und B, wodurch die B-Domäne komplett entfernt wird. Als Heterotrimer hat FVIIIa die maximale Gerinnungsaktivität und bringt FIXa in die Nähe von FX (Abbildung 1, unten). Dies zeigt, dass die B-Domäne offensichtlich nicht für die Aktivität des Gerinnungsfaktors benötigt wird.

Während die ersten rekombinant hergestellten FVIII-Präparate mit Octocog alfa dem natürlichen Protein entsprachen, wurden nachfolgende Faktoren in einer verkürzten Variante exprimiert. Die Herstellerfirmen kreierten verschiedene Varianten, denen die B-Domäne komplett oder teilweise fehlt und die als BDD für »B-domain deleted FVIII« oder BDT für »B-domain truncated« bezeichnet werden. Zudem wurden alternative Schnittstellen zur Spaltung der Ketten eingesetzt. Dadurch entstand mittlerweile eine Vielfalt an Analogpräparaten, die zur Therapie der Hämophilie A zur Verfügung stehen (Tabelle 1).

Octocog alfa wird als vollständiger FVIII in einer immortalisierten Zelllinie entweder aus Ovarien des Chinesischen Zwerghamsters (Chinese Hamster Ovary, CHO) oder aus Nierenzellen einen Tag alter Goldhamster (Baby Hamster Kidney, BHK) hergestellt und ist als heterogene Mischung mit unterschiedlich langen B-Domänen in verschiedenen Handelspräparaten enthalten (Abbildung 2, A).

In den neueren Wirkstoffen Moroctocog alfa, Simoctocog alfa und Turoctocog alfa sind unterschiedlich lange Bereiche der B-Domäne enthalten. Dagegen wird Lonoctocog alfa auch als »single chain FVIII« bezeichnet. In den noch vorhandenen 24 Aminosäuren der B-Domäne fehlen allerdings die Prozessierungsstellen und das Protein wird komplett in einer Kette sezerniert. Dadurch bindet der Wirkstoff in vivo mit höherer Affinität an VWF und ist dadurch stabiler.

Ein Sonderfall ist Efmoroctocog alfa (Abbildung 2, D): Hier ist ein Antikörper-Fc-Teil mit dem BDD-FVIII fusioniert. Zusätzlich wird in den Produktionszellen, die sich von menschlichen embryonalen Nierenzellen ableiten (Human Embryonic Kidney, HEK), der Fc-Teil separat exprimiert. Die beiden Proteine dimerisieren spontan über Disulfidbrücken im Fc-Teil. Ungefähr 75 Prozent des Fusionsproteins wird in den HEK-Zellen prozessiert und liegt dann als Heterotrimer vor.

In den 1980er-Jahren gerieten Proteine tierischen und menschlichen Ursprungs wegen der bovinen spongiformen Enzephalopathie (BSE) in Verruf. Daher wurden auch die Herstellung und Formulierung der Gerinnungsfaktoren so weiterentwickelt, dass möglichst keine entsprechenden Zusätze benötigt wurden.

Faktor-VIII-Präparate zur Prophylaxe

Anstelle der bedarfsgerechten Verabreichung des Gerinnungsfaktors VIII nur bei einer Verletzung verbessert eine primäre Prophylaxe die Lebensqualität und reduziert die Gefahr von unerwünschten Blutungsereignissen. Allerdings bedeutet das auch, dass meist zwei bis drei Mal pro Woche intravenöse Injektionen des Proteins nötig sind. Dies löst nicht nur jährliche Therapiekosten von etwa 350.000 Euro aus, sondern ist auf Dauer auch wegen des venösen Zugangs schwierig.

Durch Verlängerung der Plasmahalbwertszeit der FVIII-Präparate war es möglich, die Abstände zwischen den Applikationen zu verlängern. Vier derartige EHL-Wirkstoffe (extended half life) sind bisher auf dem Markt, die entweder durch die Kopplung einer Polyethylenglykol-Kette (PEG) oder durch Fusion mit dem Fc-Teil eines IgG1-Antikörpers länger im Blutkreislauf verweilen.

Während PEG den Abbau und die renale Ausscheidung des Proteins verzögert, sorgt der Fc-Antikörper-Anteil für ein Recycling des Fusionsproteins über den neonatalen Fc-Rezeptor (Tabelle 1). Über die Pegylierung konnte beispielsweise das Applikationsintervall für Turoctocog alfa bei der Prophylaxe von zwei auf vier Tagen verlängert werden. Dieser recht geringe Erfolg ist dadurch bedingt, dass die Stabilität von FVIII wesentlich von der Wechselwirkung mit dem VWF abhängt.

Neue Ansätze, noch stabilere FVIII-Präparate zu entwickeln, nutzen genau diese Interaktion. Sie befinden sich bereits in Phase 3 klinischer Studien.

Wirkstoff Präparat, Zulassungsjahr Produktionszelllinie Beschreibung Mittlere Plasma­halbwertszeit (h)
Octocog alfa Kovaltry®, 2016 (1. Generation: 1992) BHK FVIII in voller Länge (AS 1 bis 2332) 15
Octocog alfa Recombinate®, 1993 CHO FVIII in voller Länge (AS 1 bis 2332) 15
Octocog alfa Advate®, 2004 (1. Generation: 1992) CHO FVIII in voller Länge (AS 1 bis 2332) 13
Octocog alfa Kogenate Bayer®, 2000 BHK FVIII in voller Länge (AS 1 bis 2332) 15
Moroctocog alfa ReFacto®, 2008 (1. Generation: 1999) CHO BDD-rFVIII (∆744-1637) 18
Damoctocog alfa pegol Jivi®, 2018 BHK 60 kDa verzweigte PEG-Kette an BDD-rFVIII 17
Efmoroctocog alfa Elocta®, 2015 HEK BDD-rFVIII (∆744-1637), fusioniert an IgG1-Fc-Teil 19
Lonoctocog alfa Afstyla®, 2017 CHO einkettiger BDD-rFVIII (∆765-1652) 14
Rurioctocog alfa pegol Adynovi®, 2018 CHO 20 kDa verzweigte PEG-Kette an Advate® 20
Simoctocog alfa Nuwiq®, 2014 Humanzellen BDD-FVIII mit 8 Aminosäuren (AS) der B-Domäne und weiteren 8 Fremd-AS: nutzt neue Schnittstelle (HEK293) 15
Turoctocog alfa NovoEight®, 2013 CHO rekombinanter FVIII mit verkürzter B-Domäne (∆51-1637) 12
Turoctocog alfa pegol Esperoct®, 2019 CHO 40 kDa PEG-Kette an O-Glykan in verkürzter B-Domäne von Turoctocog alfa 20
Emicizumab Hemlibra®, 2018 CHO bispezifischer IgG4-Antikörper gegen FIXa und FX 27 Tage
Tabelle 1: Präparate gegen Hämophilie A. BDD: B-domain deleted FVIII; BDT: B-domain truncated; BHK: Baby Hamster Kidney-Zellen, CHO: Chinese Hamster Ovary-Zellen; HEK: Human Embryonic Kidney-Zellen

Faktor IX

Ein Schlüsselenzym der Blutgerinnungskaskade ist der Gerinnungsfaktor IX, der nach dem Patienten Stephen Christmas, an dem die Krankheit im Jahr 1952 genauer beschrieben wurde, auch als Christmas-Faktor bezeichnet wird. Im Komplex mit FVIIIa, Calcium-Ionen und Phospholipiden der Thrombozyten-Oberfläche bindet der FIXa an Faktor X und aktiviert ihn. Mehr als 1000 Mutationen im Gen können dazu führen, dass kein funktionsfähiger Gerinnungsfaktor gebildet wird und eine Hämophilie B resultiert.

Das Polypeptid aus 415 Aminosäuren wird am N-Terminus umfassend Vitamin-K-abhängig γ-carboxyliert, was für die Bindung von Calcium-Ionen nötig ist. Weitere posttranslationale Modifikationen sind N- und O-Glykosylierung, Phosphorylierung, β-Hydroxylierung und Sulfatierung. Disulfidbrücken sorgen für die korrekte Konformation des Proteins.

Genau diese posttranslationalen Modifikationen und vor allem die γ-Carboxylierung des Proteins waren die Herausforderung der gentechnischen Herstellung. Die Lösung des Problems bestand in der Etablierung einer CHO-Expressionszelllinie, die so verändert wurde, dass sie alle für die γ-Carboxylierung nötigen Enzyme exprimiert. Neben den älteren rekombinant hergestellten Präparaten gibt es Varianten mit verlängerter Halbwertszeit (Tabelle 2), die durch Fusion mit einem Antikörper-Fc-Teil oder mit Albumin beziehungsweise durch Modifikation mit einer PEG-Kette erreicht wurden.

Nonacog alfa entspricht der Isoform des humanen FIX und ist ein einkettiges Glykoprotein mit 415 Aminosäuren (Abbildung 3). FXIa oder der Komplex aus Tissue Factor (TF) und FVIIa schneiden das Aktivierungspeptid aus FIX und bilden dadurch die dimere Form des Gerinnungsfaktors. Nonacog gamma unterscheidet sich von Nonacog alfa nur im Glykosylierungsmuster. Die PEG-Kette bei Nonacog beta pegol ist an den Sequenzbereich des Aktivierungspeptids gekoppelt und wird bei der Aktivierung abgeschnitten.

Bei Albutrepenonacog alfa wurde an die Sequenz für den Faktor IX noch die von Serumalbumin angehängt. Dadurch entsteht ein Fusionsprotein, das im Plasma deutlich stabiler ist. Zwischen den beiden Fusionspartnern wurde ein Linker eingebaut, der eine weitere Schnittstelle für FXIa beziehungsweise TF/FVIIa trägt. Bei der Aktivierung von FIX wird somit nicht nur das Aktivierungspeptid ausgeschnitten, sondern auch der Albumin-Anteil eliminiert. Das bedeutet, dass die Modifikationen ebenso wie bei Nonacog beta pegol bei der Aktivierung des rekombinanten FIX verloren gehen.

Eftrenonacog alfa ist das Fusionsprotein aus dem Gerinnungsfaktor IX mit dem Fc-Teil eines IgG1-Moleküls (Abbildung 3, unten). Zusätzlich wird in der Produktionszelllinie der Fc-Teil allein exprimiert, sodass die Proteine noch in der Zelle dimerisieren. Auch nach der Aktivierung des Gerinnungsfaktors bleibt das Fc-Dimer mit FIX verbunden.

Wirkstoff Präparat, Zulassungsjahr Produktionszelllinie Beschreibung Plasma­halbwertszeit (h)
Nonacog alfa BeneFIX®, 1997 CHO rekombinanter FIX (Ala148-Isoform) 24
Nonacog gamma Rixubis®, 2014 CHO rekombinanter FIX (Ala148-Isoform) 25
Nonacog beta pegol Refixia®, 2017 CHO 40 kDa-PEG-Kette an Aktivierungspeptid des rekombinanten FIX (Ala148-Isoform) 115
Eftrenonacog alfa Alprolix®, 2016 HEK rekombinanter FIX in Fusion mit IgG1-Fc-Teil 96
Albutrepenonacog alfa Idelvion®, 2016 CHO rekombinanter FIX (Thr148-Isoform) in Fusion mit Albumin (spaltbarer Linker) 95
Tabelle 2: Präparate gegen Hämophilie B

Therapieproblem Hemmkörper-Hämophilie

Während einer Substitutionstherapie mit Gerinnungsfaktoren entwickeln mehr als 30 Prozent der Hämophilie-A-Patienten neutralisierende Antikörper gegen FVIII. Dagegen sind Hämophilie-B-Patienten mit weniger als 3 Prozent deutlich seltener davon betroffen. Durch die sogenannten Hemmkörper werden die verabreichten Gerinnungsfaktoren wirkungslos und es kommt wieder zu einer Blutungsneigung, die auch als Hemmkörper-Hämophilie bezeichnet wird.

Üblicherweise treten die Hemmkörper bereits früh während der Therapie auf. Sind bis zur 50. Applikation eines FVIII-Präparats keine neutralisierenden Antikörper vorhanden, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sie noch auftreten werden. Die Induktion von Hemmkörpern ist bei der Applikation rekombinanter FVIII-Präparate stärker ausgeprägt als bei Plasma-Faktoren, die natürlicherweise VWF-FVIII-Komplexe enthalten. Die Komplexierung schützt den Gerinnungsfaktor vor dem Immunsystem, wodurch weniger neutralisierende Antikörper gebildet werden.

Davon abzugrenzen ist die erworbene Hemmkörper-Hämophilie. Dabei bilden Patienten, die initial nicht unter einer Hämophilie leiden, Autoantikörper gegen den physiologisch vorliegenden Gerinnungsfaktor VIII. Diese wirken dann ebenfalls als Hemmkörper.

Relativ erfolgreich kann eine Hemmkörper-Hämophilie mit einer sogenannten Immuntoleranzinduktion behandelt werden. Um das Immunsystem an die Therapie zu gewöhnen, werden – je nachdem, wie groß die Blutungsneigung des Patienten ist – bis zu zweimal täglich hohe Mengen an Faktor VIII verabreicht (200 bis 300 Einheiten pro kg Körpergewicht pro Tag versus normalerweise 20 bis 40 Einheiten alle zwei bis drei Tage). Durch die extrem hohe Dosierung des Gerinnungsfaktors werden die vorhandenen Antikörper gebunden und abgebaut. Allerdings kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis dieser Gewöhnungseffekt eintritt. Dies ist für den Patienten sehr belastend und mit extremen Kosten verbunden.

Die Erfolgsrate der Immuntoleranzinduktion liegt bei der Hämophilie A bei 70 bis 80 Prozent, bei der Hämophilie B hingegen nur bei 15 Prozent.

Alternativ können Gerinnungsfaktoren appliziert werden, die den FVIII-Weg umgehen. Zum einen sind dies Plasmapräparationen, die eine Mischung aus aktivierten und nicht aktivierten Faktoren FX, FIX, FVII und Prothrombin enthalten, das sogenannte »FVIII inhibitor bypass agent« (FEIBA). Zum anderen steht rekombinanter aktivierter Faktor VII zur Verfügung, der ebenfalls die Aktivierung von FX ermöglicht. Allerdings können beide Alternativtherapien keine ähnlich effiziente Hämostase erzielen wie eine Substitution mit FVIIIa oder FIXa.

Susoctocog alfa bei erworbener Hämophilie

Zur Therapie einer erworbenen Hämophilie, die durch Bildung von Autoantikörpern entstanden ist, ist Susoctocog alfa zugelassen. Der Wirkstoff besteht aus der Schweine-Variante des FVIII ohne B-Domäne (Tabelle 3). Es hat sich gezeigt, dass die Autoantikörper gegen den humanen FVIII nur eine minimale oder keine Kreuzreaktivität gegen diesen Wirkstoff aufweisen. Allerdings darf das Präparat nur bei einer stationären Behandlung des Patienten angewendet werden.

Initial werden bei jeglicher Art von Blutungen 200 I.E. pro kg Körpergewicht appliziert. Je nach klinischer Reaktion wird die Dosis alle vier bis zwölf Stunden wiederholt. Die FVIII-Aktivität muss 30 Minuten und drei Stunden nach der ersten Verabreichung bestimmt und der klinische Zustand des Patienten sorgfältig überwacht werden.

Wirkstoff Präparat, Zulassungsjahr Produktions­zelllinie Beschreibung Plasma­halbwertszeit (h)
Susoctocog alfa Obizur®, 2015 BHK BDD-FVIII aus dem Schwein 10
Eptacog alfa alpha NovoSeven®, 1996 BHK rekombinanter aktivierter FVII 5
Emicizumab Hemlibra®, 2018 CHO bispezifischer IgG4-Antikörper gegen FIXa und FX 27 Tage
Tabelle 3: Präparate bei Hemmkörper-Hämophilie

Bispezifischer Antikörper Emicizumab

Ein ganz anderer Wirkstoff, der bei Hemmkörper-Hämophilie, aber auch zur Therapie einer schweren Hämophilie A zugelassen ist, ist Emicizumab (Tabellen 1 und 3). Dies ist ein humanisierter, sogenannter bispezifischer IgG4-Antikörper, der mit der einen Antigen-Erkennungsdomäne an FIX/FIXa und mit der anderen an FX/FXa bindet. Dadurch ahmt der Antikörper die Cofaktor-Aktivität von FVIIIa nach: FIXa kommt in räumliche Nähe des FX und kann ihn proteolytisch aktivieren. Aufgrund dieses ganz anderen Ansatzes induziert oder verstärkt Emicizumab nicht die Bildung von Hemmkörpern.

Der Nachteil des Antikörpers liegt zum einen darin, dass auch nicht aktivierter FIX mit FX kombiniert wird, wodurch die Blutgerinnung nicht in Gang kommt. Zum anderen gibt es keine Möglichkeit, den Prozess wieder zu stoppen, sei es über die Hemmung des FIXa durch Antithrombin oder die proteolytische Inaktivierung durch aktiviertes Protein C.

Der Vorteil des Antikörpers liegt in der Applikationsart und -häufigkeit: Er wird subkutan maximal einmal wöchentlich appliziert. Zu beachten ist, dass Emicizumab alle gängigen Blutgerinnungstests beeinträchtigt und zu falschen Werten der FVIII-Aktivität und Hemmkörperkonzentrationen führt. Gerade bei Durchbruchsblutungen oder vor größeren Operationen sind alternative Tests zur Messung der FVIII-Aktivität im Patienten nötig. Wegen der langen Halbwertszeit des Antikörpers kann die Messung der Blutgerinnung bis zu sechs Monate nach der letzten Applikation von Emicizumab gestört sein.

Faktor VIIa

Ähnlich wie andere Gerinnungsfaktoren wird der Faktor VII in der Leber gebildet und Vitamin-K-abhängig an verschiedenen Glutaminsäure-Resten γ-carboxyliert und zudem noch glykosyliert. Sezerniert wird FVII als einkettiges, 406 Aminosäuren langes Protein (Abbildung 4).

Für die Aktivierung muss das Zymogen von FXa, Thrombin, FIXa oder FXIIa geschnitten werden. Anschließend liegt FVIIa in Form einer leichten und einer schweren Proteinkette vor, die über eine Disulfidbrücke verbunden sind. Nur etwa 1 Prozent des Faktors ist unter physiologischen Bedingungen aktiviert und hat dann eine Halbwertszeit von nur zwei Stunden.

Bei Eptacog alfa handelt es sich um den bereits aktivierten FVII (Tabelle 3). Für dieses Präparat wird die cDNA des Gerinnungsfaktors in BHK-Zellen exprimiert. Die Aktivierung des Zymogens findet bereits während der Aufreinigung des Proteins über Ionen-Austausch-Chromatografie statt. Zugelassen ist Eptacog alfa zur Behandlung und Prophylaxe von Blutungen im Zusammenhang mit chirurgischen oder invasiven Eingriffen bei Patienten mit angeborener Hämophilie, die bereits Hemmkörper aufweisen oder bei denen die Gefahr einer Hemmkörperbildung besteht.

Für rekombinanten FVII wurden mittlerweile ebenfalls die gängigen Maßnahmen zur Verlängerung der Halbwertszeit getestet. Diese befinden sich zum Teil in unterschiedlichen Stadien der klinischen Entwicklung.

Ausblick

Die Geschichte der Hämophilie-Therapie zeigt sehr eindrucksvoll die Entwicklung der Biotechnologie und Molekularbiologie. Standen anfangs nur sehr grobe Methoden zur Verfügung, werden mittlerweile ausgeklügelte Moleküle designt, die die Therapie angenehmer und sicherer machen.

Bald könnten auch Gentherapievektoren zum Einsatz kommen, die die ständigen Injektionen der Gerinnungsfaktoren in klinischen Studien bereits für einige wenige Jahre überflüssig gemacht haben. Jedoch sind die normalen Substitutionstherapien bereits sehr kostspielig und die Gentherapien werden noch um einiges teurer werden. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass etwa 70 Prozent der Hämophilie-Patienten weltweit wegen der immensen Kosten keinen Zugang zu einer Therapie haben.

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