Reaktionen auf das Apotheken-Stärkungsgesetz |
Beratungen wie beispielsweise Medikationsanalysen sollen künftig als pharmazeutische Dienstleistungen vergütet werden. So sieht es das VOASG vor. Diese Neuregelung wird vonseiten der Apothekerschaft begrüßt. / Foto: Imago Images/Westend61
Gestern Abend hat der Bundestag das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) beschlossen. Damit soll vor allem das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) von 2016 aufgefangen werden. Die EU-Richter hatten damals die Preisbindung bei Rx-Medikamenten für ausländische Versender als wettbewerbswidrig erklärt. Erstmals sollen auch pharmazeutische Dienstleistungen vergütet werden.
Die Einführung der neuen vergüteten pharmazeutischen Dienstleistungen begrüßt der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Allerdings warnt er, dass mit der Abstimmung im Bundestag die Arbeit für die Apotheken in Westfalen-Lippe noch lange nicht beendet ist. »Wir müssen uns nun weiter dafür einsetzen, dass die Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln flächendeckend auch mittel- und langfristig gesichert bleibt«, betonte Klaus Michels, AVWL-Vorstandsvorsitzender.
Zwar versuche das VOASG, die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente wiederherzustellen, allerdings konzentriert sich das Gesetz hier nur auf die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und gilt mit der Verankerung des Boni-Verbots im Sozialgesetzbuch V nicht für privat Versicherte. Dies hält der AVWL nicht nur für verfassungswidrig, sondern auch für »gänzlich kontraproduktiv, um die Preisbindung im Rahmen eines erneuten Verfahrens vor dem EuGH rechtfertigen zu können.« Michels sieht die Gefahr, dass damit sogar der »gänzliche Wegfall der Preisbindung« drohe. Diese sei aber insbesondere für Patienten wichtig, um etwa in Notlagen nicht übervorteilt zu werden. Auch die Gesundheitsversorgung der Patienten durch ein »flächendeckendes Netz von Apotheken vor Ort« ist laut AVWL nur durch die Preisbindung möglich.
Weiter könnte durch diese Entwicklung auch der Verlust der Prinzipien des Fremd- und Mehrbesitzverbots folgen. Der Verband bezieht sich bei dieser Aussage auf »namhafte Rechtsexperten«, die diese Sorge teilen. Gerade auch im Hinblick auf die Einführung des E-Rezepts werde der Verband die weiteren Entwicklungen genau beobachten und die Politik mit den eintretenden Folgen, vor allem der Wettbewerb mit den ausländischen Versandapotheken weiter konfrontieren.
Kritik kommt auch vom Verband der Europäischen Versandapotheken (EAMSP). Das Boni-Verbot sei europarechtswidrig, erklärte der Verband. Das Gesetz verstoße damit gegen die Warenverkehrsfreiheit. »So ist die beschlossene Festschreibung des Bonusverbots im SGB V eindeutig europarechtswidrig und führt zu einer Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland. Das Gesetz treibt die Arzneimittelausgaben der gesetzlich versicherten Patienten direkt in die Höhe«, erklärte Olaf Heinrich, Präsident des EAMSP. Heinrich ist auch der Chef der niederländischen Versandapotheke Doc Morris. Der Verband kündigt an, sich weiterhin für die Gewährung der Preisnachlässe einzusetzen und droht auch den Rechtsweg zu beschreiten.
Zudem ist die Verstetigung der Botendienstvergütung dem EAMSP ein Dorn im Auge. Diese Regelung würde die EU-Versender benachteiligen. Der Verband betont: »Auch der Versandhandel trägt insbesondere zu einer besseren Versorgung für ältere Menschen sowie in Regionen mit geringerer Apothekendichte bei.« Für die Patienten sei es nicht nachvollziehbar, warum sie für den Botendienst nichts bezahlen müssten, insbesondere für kleine Lieferungen der Online-Apotheken hingegen schon. Aus diesem Grund fordert der Verband einen »Zuschlag zu den Arzneimittellieferkosten für Versandapotheken, der auch die Patienten entlastet«. Was die erst kurz vor knapp eingebrachten Änderungen zur Temperaturkontrolle im VOASG angeht, erklärt der Verband, dass die im EAMSP organisierten Versender bereits seit Jahren die gesetzlich geforderten operativen Maßnahmen umgesetzt haben.
Die Bundesvereinigung der Apothekerverbände – ABDA befürwortet hingegen das VOASG. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärte: »Mit dem Apothekenstärkungsgesetz bekommen die Apotheken einen klareren ordnungspolitischen Rahmen und können wieder mit mehr Zuversicht nach vorne schauen. Angesichts rückläufiger Apothekenzahlen brauchen gerade junge Apotheker eine Perspektive, wie sie ihre Patienten in zehn oder zwanzig Jahren versorgen können. Dazu trägt das Gesetz bei.«
Vor allem die dauerhafte Vergütung des Botendiensts begrüßt Schmidt. Trotzdem seien 2,50 Euro Vergütung pro Fahrt »auch in Zukunft wirtschaftlich defizitär«. Dass pharmazeutische Dienstleistungen nun vergütet werden sollen, sieht Schmidt als richtigen Schritt an: »Mit pharmazeutischen Dienstleistungen wie der Medikationsanalyse können wir Versorgungsdefizite beheben, die Arzneimitteltherapie der Patienten sicherer machen und mit Blick auf vermeidbare Klinikeinweisungen wahrscheinlich sogar Kosten im System einsparen. Die Verhandlungen mit den Krankenkassen über die Ausgestaltung der Leistungen werden trotzdem schwierig werden.«
Der ABDA-Präsident erklärte, dass die Apotheker vier Jahre für das Gesetz kämpften und die Hängepartie endlich beendet sei. Allerdings erwähnt auch Schmidt, dass es ein »Wermutstropfen« sei, dass die Preisbindungsregelung nicht für Privatpatienten gelte. Er ist dennoch überzeugt, dass die festen Preise im GKV-Bereich helfen, »eine flächendeckende Arzneimittelversorgung für die Patienten zu sichern«.