Praxisgebühr nicht ausgeschlossen |
Hausarztpraxen sollen im geplanten Primärarztsystem eine Lotsenfunktion übernehmen. / © imago/Jochen Tack
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will mit einer stärkeren Steuerung von Facharztterminen auch Benachteiligungen von Kassenpatienten vermeiden. »Bei der Terminvergabe darf es keinen Unterschied machen, ob jemand privat oder gesetzlich versichert ist«, sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Deshalb wolle die Koalition ein Primärarztsystem einführen. »Der Hausarzt soll erste Anlaufstelle sein und sicherstellen, dass Patienten innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens einen Termin beim Facharzt bekommen.«
Warken verwies darauf, dass die Bundesbürger häufiger zum Arzt gehen als Menschen in anderen Ländern. Das führe aber nicht dazu, dass sie gesünder sind oder länger leben. »Deswegen brauchen wir mehr Steuerung, um unnötige Arztbesuche zu vermeiden und um Patienten, die darauf dringend angewiesen sind, schnellere Termine bei Haus- und Fachärzten zu verschaffen.«
Gefragt nach denkbaren Instrumenten wie einer Praxisgebühr sagte Warken: »Es gibt viele Möglichkeiten, Praxisbesuche so zu steuern, dass die Patienten weiterhin gut versorgt werden, ohne sie unnötig finanziell zu belasten.«
Es gibt auch Kritik an den Plänen. Etwa warnen die Verbraucherzentralen vor neuen Problemen. Die Chefin des Bundesverbands, Ramona Pop, sagte der Deutschen Presse-Agentur, das von der Bundesregierung vorgeschlagene System werde den schwierigen Zugang nicht lösen. »Ohnehin schon überlastete Hausarztpraxen werden zum Nadelöhr. Das ist nicht der richtige Weg.« Stattdessen sollten echte Reformen angestoßen werden, um die Versorgung zu verbessern.
Die genaue Ausgestaltung des Modells ist noch offen. Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag ein verbindliches »Primärarztsystem« einführen, bei dem Patienten primär in eine Hausarztpraxis gehen, die sie bei Bedarf – mit einem Termin in einem bestimmten Zeitraum – an Fachärztinnen und Fachärzte überweist. Klappt das nicht in einer Praxis, soll man sich auch von Fachärzten in Kliniken behandeln lassen können. Dies soll eine »Termingarantie« darstellen.
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband unterstützt die Pläne. »Häufig können die Patientinnen und Patienten gar nicht wissen, wo sie mit ihrem spezifischen medizinischen Problem richtig aufgehoben sind«, sagte der Vorsitzende Markus Beier den Funke-Zeitungen. Auch deshalb gebe es so viele Arzt-Patienten-Kontakte.
Ein flächendeckendes System mit Hausarztpraxen konsequent als ersten Ansprechpartnern könnte mehr Struktur bringen. Die Patienten würden schneller dorthin gelotst, wo ihnen geholfen werden kann.
Verbraucherschützerin Pop sprach sich für Wege aus der Geduldsprobe dafür aus, die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen auszubauen. Sie sind unter der bundesweiten Telefon-Hotline 116 117 und online erreichbar. Angegangen werden müssten auch Fehlanreize in der ärztlichen Vergütung und Ineffizienz zwischen den Akteuren im medizinischen Sektor. »Sonst droht mit dem Primärarztsystem eine weitere Verschlechterung bei der Suche nach dem passenden Arzttermin: noch längere Wartezeiten und noch mehr Bürokratie.«
Auch um Engpässe im System zu vermeiden, stehen digitale Lösungen im Blick. Im Koalitionsvertrag kündigen Union und SPD an, »Ersteinschätzungen« zur Dringlichkeit und dem passenden Behandlungsort flächendeckend über digitale Wege in Verbindung mit Telemedizin ermöglichen zu wollen. Tatsächlich ist das Netz der Hausarztpraxen angespannt, rund 5000 Arztsitze sind unbesetzt.
Die Ampelkoalition führte bereits Anreize und Vereinfachungen ein, um den Beruf attraktiver zu machen und die Präsenz zu erhalten – vor allem auf dem Land. Verbandschef Beier warb dafür, auf einem schon bestehenden Modell mit Hausarztverträgen der Krankenkassen aufzubauen, an dem mehr als zehn Millionen Menschen teilnehmen. »Wenn wir jetzt anfangen würden, alles komplett neu aufzubauen, dann würde das wahrscheinlich viele Jahre dauern.«