PoC-Tests in Apotheken – eine Diskussion |
| Alexander Müller |
| 22.02.2024 18:00 Uhr |
Über den Sinn von PoC-Tests in Apotheken diskutierten Uwe May, Gudrun Kreutner-Reisinger, Tatjana Buck und Dirk Heinrich (v.l.n.r.) beim BVDAK-Kooperationsgipfel in München. / Foto: PZ
Apothekerin Tatjana Buck, Inhaberin der Vital-Apotheke in Bad Saulgau, sieht in den »patientennahen Sofortdiagnostika« den Vorteil, dass die Patientinnen und Patienten schnell Sicherheit bekommen. »Je nach Testergebnis kann in der Apotheke sofort eine therapeutische Konsequenz gezogen werden«, so Buck.
Im Idealfall ließe sich nach ihrer Vorstellung bei einem positiven Testergebnis gleich ein Arzt telemedizinisch dazuschalten, gern auch im Einzelgespräch mit dem Patienten im technisch entsprechend ausgestatteten Beratungsraum der Apotheke. Wird der Befund ärztlich bestätigt, kann sofort ein E-Rezept ausgestellt und der Patient vor Ort versorgt werden. In milderen Fällen könnte eine OTC-Abgabe erfolgen oder anderweitig beraten werden. Buck könnte sich Urintests zur Abklärung einer akuten Harnwegsinfektion vorstellen sowie Rachenabstriche auf Streptokokken – gerade bei Kindern eine typische Infektion.
Dirk Heinrich, Vorsitzender des Virchowbundes, einem Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, zeigte sich in der Diskussionsrunde skeptisch. »Für uns ist Diagnostik mehr als ein Labortest.« Wenn der Arzt bei der Anamnese feststelle, dass die Infektion im Rachen schon auf dem Rückzug ist, brauche es keinen Abstrich und das Kind kein Antibiotikum. Im Übrigen müssten die Abstriche auch korrekt durchgeführt werden – bei einem zweijährigen Kind die Mandel zu treffen sei gar nicht so einfach.
Zwar geht der Chef des Virchowbunds davon aus, dass PoC-Tests »eine gigantische Zukunft« haben. »Ich bin eindeutig gegen anlasslose Tests im Sinne eines Screenings.« Es müsse bei jedem Test im Einzelfall geklärt werden, was sinnvoll ist und was nicht, so der Heinrich. Er warnte vor »Überdiagnostik und Übertherapie«. Das koste viel Geld und verunsichere zudem die Patienten. Denn jede gestellte Diagnose habe auch psychische Folgen. Das gelte umso mehr, wenn Schnelltest auf Krebserkrankungen zum Einsatz kämen.
Der Gesundheitsökonom Uwe May, Geschäftsführer der Unternehmensberatung May und Bauer, hat eine Studie zur Akzeptanz Streptokokken-Tests in Apotheken durchgeführt. Vor allem der niedrigschwellige Zugang könne ein Faustpfand für Apotheken sein, die in der Befragung ihrerseits eine hohe Bereitschaft gezeigt hätten. Und die Corona-Pandemie habe sowohl den Glauben an Schnelltests als auch die Routine im Umgang damit massiv erhöht.
Mit einer Milliarde Patientenkontakten pro Jahr sieht May großes Potenzial für PoC-Tests in Apotheken. Zudem wolle Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) die Apotheken in der Prävention stärker einbeziehen, Stichwort kardiovaskuläre Erkrankungen. Und mit der Telemedizin in Apotheken sei ein weiterer Baustein geplant.
Ärztefunktionär Heinrich erklärte: »Dass Apotheken ihr Gebiet erweitern wollen, kann ich verstehen. Aber es muss medizinisch Sinn machen.« Häufig seien nach Schnelltests weitere Untersuchungen nötig oder der Nachweis von Antikörpern im Blut von vornherein sinnvoller. Für eine breite Nutzung von PoC-Tests müssten daher Behandlungspfade definiert werden. »Wir brauchen Studien dazu, und wir müssen klären, wer die Kosten trägt.«
May verwies auf empirische Daten über die Reduktion von Antibiotika-Verordnungen bei Patienten ohne Infekt nach Durchführung von Strep-A-Tests. »Es ist nicht teurer, Tests durchzuführen und den Arzt dafür zu bezahlen, als sie nicht durchzuführen, weil weniger Antibiotika verordnet werden«, ist der Gesundheitsökonom überzeugt. Überhaupt würde er dabei lieber auf die gesundheitlichen Nebeneffekte blicken: weniger Nebenwirkungen, weniger Resistenzbildung.
Am Ende der von Gudrun Kreutner-Reisinger moderierten Diskussionsrunde waren sich die Teilnehmer einig, dass ein Pilotprojekt in diesem Bereich hilfreich wäre. Nach dem Vorbild des Impfprojekts in Apotheken zusammen mit der AOK Rheinland/Hamburg. Die Finanzierung sollte ließe sich Heinrich zufolge am einfachsten über den Innovationsfonds realisieren. In einer mehrarmige Studie könnten dann verschiedene Dinge gegeneinander getestet werden.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.