Pharmaindustrie erzielte jahrelang satte Erträge |
Der Hintergrund für die EU-Verordnung liegt in der globalen Entwicklung, die vor einigen Jahrzehnten herrschte. Die USA erließ bereits im Jahr 1983, Japan dann zehn Jahre später, 1993, ein Gesetz, das es den Firmen erlaubte, Behandlungen für seltene Erkrankungen zu entwickeln und danach geschützt zu vermarkten. In den 1990-er Jahren befürchteten europäische Gesetzgeber, Investitionsmöglichkeiten in der Pharmaindustrie zu verpassen. Da solche Medikamente oft als nicht rentabel gelten, wollten die Gesetzgeber rechtlich gegensteuern. Die EU folgte also im Jahr 1999 mit einem ähnlichen Gesetzesvorhaben, allerdings mit einer geplanten Dauer der Exklusivrechte von zehn Jahren, im beispielhaften US-Gesetz ist von sieben Jahren die Rede.
Um diese Marktexklusivität zu erhalten, muss das Medikament die Behandlung einer seltenen Erkrankung unterstützen. Die Pharma-Unternehmen können einen entsprechenden Antrag bei der Europäischen Arzneimittelbehörde – EMA stellen und müssen darin beweisen, dass ihr Mittel einen Zusatznutzen zur Vergleichstherapie bietet. Zudem muss der Konzern begründen, ob das Medikament eine lebensbedrohliche Erkrankung, die zu chronischer Invalidität oder Behinderung führen kann, verhindern kann oder eine Krankheit bekämpft, die weniger als fünf Patienten von 10.000 Menschen in der EU betrifft. Letztes gilt als Maßstab für seltene Erkrankungen.
Die EU-Verordnung wird an anderer Stelle aber auch begrüßt. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) beispielsweise schreibt auf seiner Website von einem großen Erfolg der europäischen Orphan Drug-Verordnung. Schließlich sei es politischer und gesellschaftlicher Wille, Menschen mit seltenen Erkrankungen medizinisch zu versorgen.
Auch die Patientenorganisation Europäische Organisation für seltene Krankheiten (EURORDIS) begrüßte damals die Verordnung und spricht von notwendigen Anreizen, damit Forschung und Produktion von Arzneimitteln in diesem Bereich überhaupt stattfinden könnten. EURORDIS nimmt regelmäßig am Ausschuss für Arzneimittel für seltene Leiden (COMP) der EMA teil, der die Anträge für Orphan Drugs wissenschaftlich bewertet. Der Ausschuss setzt sich aus Wissenschaftlern aller Mitgliedsstaaten des europäischen Wirtschaftsraums (EEA) sowie Vertretern der Gesundheitsberufe und Patientenvertreter zusammen.
In Deutschland leiden laut vfa rund 4 Millionen Menschen an einer von ungefähr 8000 seltenen Erkrankungen. Die meisten dieser gehen auf genetische Ursachen zurück. Der Anteil von Orphan Drugs an den Gesamtausgaben für Arzneimittel der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2018 lag bei 4 Prozent, so vfa.