Pfundner: »Wir müssen uns zusammentun« |
Jennifer Evans |
14.08.2020 15:30 Uhr |
Die Gesundheitsindustrie hat sich während der Krise als ein Anker sozialer und ökonomischer Stabilität bewährt, meint Hagen Pfundner. Er ist seit 2006 Vorstand der schweizerischen Roche Pharma AG und Mitglied der Geschäftsführung der Roche Deutschland Holding GmbH in Grenzach-Wyhlen. / Foto: Roche Pharma AG
Niemals zuvor hätten pharmazeutische Unternehmen, Politik, Behörden, Universitäten sowie Forschungsgesellschaften enger und besser kooperiert als während der Pandemie, so Pfundner. »Diesen Grad der Zusammenarbeit hätte ich mir vor einem Jahr nicht vorstellen können«, betonte er in seinem virtuellen Vortrag zum Thema »Die Pandemie und die Gesundheitsindustrie« im Rahmen der »Friday Talks« des berufsbegleitenden Studiengangs zum Master of Pharmaceutical Business Administration.
Im guten Teamwork liegt für ihn auch ein Grund dafür, dass Deutschland vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist. Daher plädiert er dafür, dass die Akteure im Gesundheitswesen auch in Zukunft von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Insbesondere der schnelle Informationsaustausch zwischen Industrie, öffentlichen Forschungseinrichtungen und Politik hat ihn beeindruckt. Während es im Normalfall Monate dauere, eine klinische Studie auf den Weg zu bringen, hätten die zuständigen Behörden und Komitees nun oft nur Tage gebraucht, um grünes Licht zu geben. Eine Lehre aus der Krise liegt für Pfundner daher ganz klar auf der Hand: »Wir können nicht warten und sequentiell arbeiten, wir müssen uns zusammentun, niemand hat ein Patentrezept, um die Lösung allein zu finden.«
Kein Verständnis hat er hingegen für die Behauptung von Kritikern, die Politik hätte die Industrie zu stark unterstützt. »Wenn sie uns in die Lage versetzt, Tests innerhalb von Wochen statt von Jahren, Medikamente innerhalb von Monaten statt von Jahren und Impfstoffe innerhalb von ein bis zwei statt von drei bis fünf Jahren zu entwickeln, dann rechtfertigt das die öffentlich-private Zusammenarbeit«, begründet er.
Nicht überraschend ist, dass er in seinem Vortrag eine Lanze für die forschenden Pharmaunternehmen brach. Von 2011 bis 2017 bekleidete er das Amt des Vorstandsvorsitzenden des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa), heute ist Pfundner im vfa-Präsidium vertreten. Die Pharmaindustrie benötigt seiner Auffassung nach »innovationsfreundliche Rahmenbedingungen« für das derzeitige hochriskante Geschäft. Von 100 Unternehmen, die versuchten, ein neues Produkt zu entwickeln, würde es in der Regel nur eines bis zum Markt schaffen. Den Grund dafür sieht Pfundner im zunehmenden Wettbewerbsdruck. Dieser verkürze zudem den Zeitraum, in dem eine patentierte Innovation hochprofitabel sei. Der nachhaltige Nutzen eines neuen Medikaments zeige sich allerdings erst nach Ablauf der Exklusivitätsperiode. Vor diesem Hintergrund hält er den Einsatz von Steuergeldern während der Krise für gerechtfertigt, um die Produktion und die Belieferung ausreichender Mengen von Tests, Impfstoffen und Medikamenten schnell sicherzustellen.
Außerdem hebt er den Wert von Gesundheitsdaten für die Industrie hervor. Aus ihnen entstünde das Wissen, das den »eigentlichen Wert eines Medikaments« ausmache. In diesem Zusammenhang wirbt der Roche-Vorstand für die Bedeutung digitaler Vernetzung. »Wir brauchen einen klaren, unverpixelten Blick auf die Patienten, einen Blick durch eine Linse für alle, die mit den Patienten in Berührung kommen.«
Für das Krisenmanagement der Politik findet Pfundner nur lobende Worte. Sie habe ihre Macht nicht ausgenutzt sowie insgesamt viel Flexibilität gezeigt. Als Beispiel nennt er: »Innerhalb von nur zwei Monaten hat sie die Agenda für ihre gerade begonnene EU-Ratspräsidentschaft völlig neu arrangiert.«
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