Pflanzliches mit Evidenz bei Reizmagen und Reizdarm |
| Daniela Hüttemann |
| 12.11.2025 18:00 Uhr |
Pfefferminzöl hat eine gute Evidenz bei Blähungen und krampfartigen Bauchschmerzen. Es sollten zugelassene Arzneimittel mit magensaftresistenter Galenik empfohlen werden. / © Getty Images/Berkant Sezer
Auch im Selbstmedikationsbereich sollten Patienten möglichst eine leitliniengerechte, evidenzbasierte Therapie bekommen. Dass das bei Magen-Darm-Beschwerden gut möglich ist, zeigte Dr. Mario Wurglics vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Goethe-Universität Frankfurt am Main vergangenes Wochenende bei der Scheele-Tagung in Warnemünde. Der Markt sei hier sehr unübersichtlich. Nur wenige Präparate seien wirksam und sicher. »Hier zu bewerten ist unsere Stärke – beraten Sie fundiert!«, forderte der Referent die rund 130 Tagungsteilnehmenden auf.
Grundsätzlich sollte man auf die Einstufung achten. Es gelte zu unterscheiden, ob es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel oder zugelassenes Arzneimittel handelt. Letzteres sei zu bevorzugen, weil Voraussetzung für die Zulassung zumindest seit 2005 klinische Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit sind und eine klare Indikation vorliegt. Aber aufgepasst: Die Zulassung ist immer produktspezifisch.
»Phytopharmaka lassen sich nicht auf die enthaltene Arzneipflanze reduzieren«, erinnerte Wurglics. »Der Herstellungsprozess bestimmt die Qualität des Produkts.« Es mache einen großen Unterschied, ob man aus Johanniskraut ein Drogenpulver, einen Presssaft oder einen Trockenextrakt mache.
Ein krasses Beispiel: Um auf die Wirkstoffkonzentration an Terpenen eines bekannten Arzneimittels mit Pfefferminzöl zu kommen, müsste man statt eine Kapsel einzunehmen 28 Liter Pfefferminztee trinken (und hier sind die Inhaltsstoffe nicht magensaftresistent verkapselt). Das heißt aber nicht, dass ein Pfefferminztee bei Magen-Darm-Beschwerden nicht (zusätzlich) zu empfehlen ist.
Selbst verschiedene Trockenextrakte könne man nicht immer miteinander vergleichen. »Es gibt also auch keine Phytogenerika, daher Vorsicht bei einem Austausch und beim Vergleich von Studiendaten«, so der pharmazeutische Chemiker. Im besten Fall liegen für ein zugelassenes Phytopharmakon sogar Metaanalysen vor. Für Präparate mit Pfefferminzölen gebe es mehr als 100 klinische Studien und auch Metaanalysen.
Wichtig sei für die Apothekenteams, bei der Selbstmedikation die Krankheitsbilder gut zu kennen und auf sogenannte Red Flags zu achten, bei denen der Patient zum Arzt gehen sollte. Gerade bei Magen-Darm-Beschwerden solle man sich den Patienten und seine Symptome genau ansehen, um ein Präparat zu finden, was genau hier Linderung verspricht. Ein gutes Beispiel seien hier der Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) und das Reizdarmsyndrom, die eher symptomspezifisch therapiert werden.
Bei einer funktionellen Dyspepsie hätten Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) zwar einen geringen Effekt, seien hier aber gar nicht zugelassen. H2-Antihistaminika und Antazida sind laut neuer Leitlinie nicht effektiver als Placebo, so Wurglics. Empfohlen werden die Phytotherapeutika STW-5 und STW-5-II, was den Präparaten Iberogast® Classic und Iberogast® Advance entspricht, sowie Pfefferminzöl in Kombination in Kümmelöl. Gemeint ist hiermit Carmenthin®. Aus Neutralitätsgründen nennen die Leitlinien in der Regel nur die Extraktkürzel – damit können Laien nichts anfangen, während Apothekenteams hier in der Beratung punkten können.
Bei Reizdarm empfiehlt die S3-Leitlinie die Kombi aus Pfefferminzöl und Kümmelöl bei Blähungen, Völlegefühl und leichten Krämpfen. Bei Bauchschmerzen und Krämpfen sind magensaftresistente Kapseln mit Pfefferminzöl (zum Beispiel Digestopret®) sogar eine Soll-Empfehlung. Auch STW-5 und STW-5-II zeigten positive Effekte beim Reizdarmsyndrom generell und bei abdominellen Schmerzen im speziellen.
Im weiteren Vortrag erläuterte Wurglics auch noch die Evidenzlage einiger Phytopharmaka bei Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und Obstipation. Sein Fazit: Es gibt verschiedene pflanzliche Optionen, wobei sich der Evidenzgrad zum Teil deutlich unterscheidet. Es lohne sich in der Phytotherapie immer genau hinzuschauen – bei den Patienten und ihren Symptomen, aber eben auch bei den Packungen im Apothekenregal.