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Oraler Glucosetoleranztest

Noch keine Lösung für die Glucose-Lösung

Experten haben es kommen sehen: Sobald die Glucose-Lösung für den oralen Glucosetoleranztest (oGTT) nicht aus dem Apothekenlabor kommt, leidet die Diabetesdiagnostik. Mehr noch: Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen gleicht einem Flickenteppich und ist weit von einer bundesweiten Regelung entfernt. Die Leidtragenden sind die Patienten.
Elke Wolf
25.05.2021  09:00 Uhr

Seit dem Wegfall der industriell hergestellten Glucose-Fertiglösung der Firma Roche zur Durchführung des oGTT Anfang des Jahres gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten für die Herstellung: Entweder verwenden Kliniken und Arztpraxen rezeptur- oder defekturmäßig hergestellte Pulver zum Selbstanfertigen einer Glucose-Lösung oder gebrauchsfertige Lösungen aus dem Apothekenlabor, um den oGTT etwa zur Diagnose eines Gestationsdiabetes durchführen zu können. Experten der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) haben sich »vehement für die Verwendung gebrauchsfertiger Lösungen ausgesprochen, die nach der standardisierten DAC/NRF-Vorschrift 13.8. gefertigt sind. Nur diese gewährleisten die erforderliche Qualität«, sagt Apotheker Manfred Krüger aus Krefeld im Gespräch mit der PZ. Er ist unter anderem Mitbegründer der Kommission Apotheker in der Diabetologie in der DDG und Vertreter der Bundesapothekerkammer (BAK) in dieser Kommission.

Die Herstellung des »Zucker-Wassers«, wie die Glucose-Lösung manchmal despektierlich von Ärzten und Krankenkassenvertretern genannt wird, ist keinesfalls trivial. Die Glucose löst sich in der vorgesehenen Menge Wasser nicht ohne Weiteres auf. Der Lösungsvorgang braucht Zeit und geduldiges Rühren. Mitunter verbackt die Glucose auch beim Zusatz des Wassers, erklärt Krüger die Hürden der Herstellung. Das kann Folgen haben: Zu geringe Glucose-Konzentrationen in der Lösung und dadurch falsch negative Ergebnisse des Tests verzögern die Diagnose. Maßnahmen, um den entgleisten Zuckerstoffwechsel wieder in den Griff zu bekommen, würden unterbleiben. Umgekehrt könnten falsch positive Ergebnisse und die eigentlich unnötigen Maßnahmen die Betroffenen unnötig beunruhigen.

Zudem verfügten die meisten Gynäkologen und Diabetologen über kein entsprechend ausgerüstetes Labor, um die hygienischen und qualitätsgesicherten Anforderungen bei der Herstellung erfüllen zu können. »Erfahrungen aus Kliniken und Praxen bestätigen uns, dass es bezüglich Qualität und Hygiene zu fehlerhaften Untersuchungen gekommen ist, wenn das Pulver zum Selbstanmischen zum Einsatz kam«, stellt Krüger die Problematik dar. »Die DAC/NRF-Rezeptur 13.8. ist auch nicht dafür gedacht, dass sie in der Arztpraxis neben Urinproben und Impfspritzen hygienisch und qualitätsgesichert gemacht werden sollte.« Studien, die den Sachverhalt auf wissenschaftlicher Basis untersuchen, laufen derzeit.

Die Erstattungspraxis der meisten Krankenkassen unterstützt allerdings die Pulver-Variante: Sie bevorzugen aus Kostengründen den Einsatz der abgeteilten Pulver, die in der Arztpraxis vor der Anwendung aufgelöst werden – und nehmen damit stillschweigend hin, dass die Kosten der ärztlichen Leistung für die Herstellung und die labortechnische Ausrüstung honorarmäßig gar nicht vorgesehen sind. Krüger: »Das heißt: Hier wird ein Arbeitsschritt in der Arztpraxis qualitätsgesichert gefordert, der überhaupt nicht vergütet wird. Dagegen gehen Ärzte nun gerichtlich vor.« Krüger hat die Hoffnung, dass die noch offenen Fragen in der derzeitigen Erstattungspraxis dazu führen, Ungleichheiten im Preisgefüge mit der gebrauchsfertigen Glucose-Lösung aus der Apotheke anzupassen.

Hinzu kommt die Problematik, dass es nach wie vor keine bundesweit einheitliche Regelung zur Erstattung durch alle Krankenkassen gibt. Die Abrechnung der durchgeführten oGTT erfolgt über die Sprechstundenbedarfsregelung, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den AOK länder- und bezirksabhängig betreut wird. »Hier herrscht ein Flickenteppich sondergleichen«, urteilt Krüger. »Entweder bekommt die schwangere Frau den oGTT auf Rezept verordnet oder gar nicht, weil die Lösung als Praxisbedarf in der Praxis gegeben wird. Oder sie bekommt ein grünes Rezept oder einen losen Zettel, auf dem vermerkt ist, die Fertiglösung beim nächsten Arztbesuch mitzubringen.«

Diese Praxis sei vielleicht noch hinnehmbar gewesen, solange es noch die industrielle Fertiglösung für 5,53 € gab, meint Krüger. Die in Tütchen abgefüllte Einzelportion Glucose kostet etwa 1,20 Euro. Ein 300-ml-Fläschchen gebrauchsfertige oGTT-Lösung nach der NRF-Vorschrift aus der Apotheke kostet zwischen 15 und 25 € nach Taxe, je nachdem, ob sie als Rezeptur oder Defektur hergestellt wurde, allerdings gibt es auch Angebote unter 5 €, stellt Krüger die Unterschiede dar. »Es ist nicht akzeptabel, dass aufgrund einer Ersparnis von wenigen Euro pro Patient und/oder Mutterschafts-Screening die diagnostische Sicherheit aufs Spiel gesetzt wird. Dieses wichtige Diagnose-Instrument sollte nicht so kompliziert und teuer gemacht werden, um vor allem schwangere Frauen nicht abzuschrecken.« In Anbetracht der Tatsache, dass die Gesamtkosten für den oGTT verschwindend gering sind im Vergleich zu den Gesamtkosten, die Krankenkassen für Arzneimittel ausgeben, ist dies weder wirtschaftlich sinnvoll noch wird die medizinische Notwendigkeit beachtet.

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