Neues zu den Ursachen von Thrombosen nach Impfung |
Welcher Bestandteil der Impfstoffe die Rolle von Heparin übernimmt und die fatale Kaskade auslöst, war allerdings bislang unklar. Dies hat das Team um Greinacher nun bei Vaxzevria genauer untersucht und die Ergebnisse in einem noch nicht begutachteten Preprint auf der Plattform »Research Square« veröffentlicht. Die Analyse des Impfstoffs selbst zeigte, dass er neben den Adenoviren auch zahlreiche menschliche Proteine enthält, die von der Anzucht der Vektorviren in menschlichen Zellen stammen, sowie den Komplexbildner Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA).
Analog zur HIT kommt es auch bei der VITT zunächst zur Bildung eines Neoantigens – eines neuen Angriffspunkts für Antikörper. Nach der Impfung aktivieren Bestandteile von Vaxzevria die Blutplättchen am Injektionsort, die daraufhin PF4 freisetzen. Dieses bildet mit Bestandteilen des Impfstoffs Aggregate, die auch Adenovirus-Proteine enthalten. Gleichzeitig erhöht EDTA die Gefäßdurchlässigkeit am Injektionsort, wodurch die im Impfstoff enthaltenen Adenovirus-Proteine und menschliche Proteine verstärkt ins Blut gelangen. Dort werden die Proteine und deren Komplexe mit PF4 von präexistierenden IgG-Antikörpern erkannt und es entstehen Immunkomplexe.
Dies trägt der Greifswalder Arbeitsgruppe zufolge zum einen zu den akuten Impfreaktionen wie Fieber und Schüttelfrost bei, zum anderen ist diese Entzündungsreaktion offenbar ein Kosignal, das die präexistierenden B-Zellen weiter aktiviert, Anti-PF4-Antikörper zu bilden. In der Folge werden Blutplättchen aktiviert, sie verklumpen und setzen gerinnungsfördernde Substanzen frei. Zudem aktivieren die Thrombozyten noch weitere Zellarten, nämlich neutrophile Granulozyten, Monozyten und Endothelzellen, was den Gerinnungsprozess weiter antreibt.
Welche Bestandteile der Astra-Zeneca-Vakzine genau die fatale Kaskade auslösen, ist noch unklar. »Vermutlich ist es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren«, sagte Greinacher bei einer digitalen Pressekonferenz am Dienstag. Proteine der Adenoviren könnten die Komplexbildung auslösen, dann wäre die Nebenwirkung ein Klasseneffekt, der auf alle Adenovirus-basierten Vektorimpfstoffe zutrifft, zu denen auch der Janssen-Impfstoff (humanes Adenovirus Typ 26) und der russische Impfstoff Sputnik V (humanes Adenovirus Typ 5 und Typ 26) zählen. Vaxzevria basiert auf einem Adenovirus, das Schimpansen befällt.
Dass Adenovirus-Vektoren an Blutplättchen binden und diese aktivieren können, ist schon aus Studien mit den Vektoren als Gentherapeutika bekannt. Auch Thrombozytopenie ist ein häufig beobachtetes Phänomen nach intravenöser Gabe der Vektoren.
Neben dem Gehalt an Adenoviren oder zerstörten Vektoren im Impfstoff kann auch das enthaltene EDTA eine Rolle spielen, denn es verstärkt offenbar den Kontakt der Impfstoffbestandteile mit den Blutplättchen nach intramuskulärer Injektion. Dem Greifswalder Team zufolge sollte auch die Rolle der menschlichen Proteine, die in der Astra-Zeneca-Vakzine in einer Dosis von 35 bis 40 µg pro Impfdosis gefunden wurden, näher untersucht werden.
Inwieweit die anderen Adenovirus-basierten Impfstoffe wie der Janssen-Impfstoff und Sputnik V ähnlich zusammengesetzt sind und ebenfalls humane Proteine oder EDTA aufweisen, kann das Team um Greinacher nicht sagen, da ihm diese Impfstoffe noch nicht zur Untersuchung vorliegen. Es steht aber in Verbindung mit Janssen, um den Impfstoff zu beziehen. Insgesamt könne die Sicherheit des Impfstoffs erhöht werden, wenn er kein EDTA enthalte, sagte Greinacher. Inwieweit dies technisch möglich sei, könne er aber nicht sagen.
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