Neues Medikament bei fortgeschrittenem Prostatakrebs |
Daniela Hüttemann |
21.12.2022 15:00 Uhr |
Das neue Medikament erkennt über seinen Ligand-Anteil das Prostata-spezifische Membranantigen, welches Prostatakrebszellen exprimieren und bindet darüber an die Tumorzelle. Diese nimmt den Arzneistoff auf, woraufhin das Lutetium präzise seine Strahlung abgeben kann. / Foto: Adobe Stock/SciePro
Der in Pluvicto® enthaltende Wirkstoff trägt die Bezeichnung Lutetium (177Lu) Vipivotid tetraxetan und fällt damit in die Wirkstoffklasse der Radiopharmazeutika, also radioaktiv wirksamer Arzneistoffe. Vipivotid tetraxetan bezieht sich dabei auf einen Liganden, der an das Prostata-spezifische Membranantigen, kurz PSMA, passgenau andocken kann. An diesen Liganden ist das radioaktive Lutetium-177 gekoppelt.
»Die Mehrzahl aller Prostatakrebszellen trägt das Glykoprotein PSMA auf ihrer Zellmembran, im übrigen Körper kommt es dagegen kaum vor«, heißt es dazu in einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums, das gemeinsam mit der Universität sowie dem Universitätsklinikum Heidelberg den Wirkstoff entwickelt hat. »Die Krebszellen nehmen den Wirkstoff ins Zellinnere auf, sodass er sich in den Tumoren anreichert und von innen heraus seine tödliche Strahlendosis abgibt – das macht die Wirkung der Therapie besonders präzise und zielgenau«, erklärt das DKFZ.
Indiziert ist das neue Medikament in Kombination mit einer Androgen-Deprivationstherapie mit oder ohne Androgen-Rezeptor-Signalweg-Inhibition bei erwachsenen Patienten mit progressivem PSMA-positiven, metastastierendem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom, die bereits mit einem Androgen-Rezeptor-Inhibitor und einer Taxan-basierten Chemotherapie vorbehandelt sind. Diese Patienten haben derzeit nach Angaben von Novartis nur eine Chance von 3:10, die kommenden fünf Jahre zu überleben. In der Phase-III-Studie VISION erhielten die Probanden Pluvicto zusätzlich zum derzeitigen besten Therapiestandard. Das Mortalitätsrisiko sank um 38 Prozent gegenüber diesem Standard allein.
Als Radiopharmazeutikum wird es nur in spezialisierten Zentren appliziert. Geliefert wird es als 1000 MBq/ml Lösung zur Injektion oder Infusion. Derzeit wird laut DKZF bereits in weiteren klinischen Studien geprüft, ob Pluvicto auch Patienten mit metastasiertem Prostatakrebs, die zuvor noch keine Chemotherapie erhalten haben, einen Überlebensvorteil bringt.
DKZF-Vorstand Professor Dr. Michael Baumann bezeichnete die Entwicklung bis zur Marktreife als »ein herausragendes Beispiel für den Transfer exzellenter Forschungsergebnisse in die klinische Anwendung«. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sprach von »einem großartigen Erfolg für die deutsche Krebsforschung, mit dem hoffentlich vielen Patienten geholfen werden kann«.
Prostatakrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen. In Deutschland ist es laut DKFZ mit 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste Krebstodesursache bei Männern.