Neues aus der Alzheimer-Forschung |
Annette Rößler |
19.09.2022 07:00 Uhr |
Donanemab und Lecanemab bewirken wie Aducanumab einen Abbau von β-Amyloid-Plaques. Donanemab tut dies aber schneller als die Konkurrenten – und das könnte ein entscheidender Vorteil sein. Denn laut einem Übersichtsartikel, der im April im Fachjournal »Nature Reviews Drug Discovery« erschien, könnte es nach dem Absinken der Aβ-Last unter einen bestimmten Schwellenwert eine Zeit lang dauern, bis sich die Kognition der Patienten erholt. Aducanumab hätte gemäß dieser Theorie nicht schnell genug gewirkt, damit sich innerhalb der Beobachtungsdauer der Studien auch ein Effekt auf die Gedächtnisleistung gezeigt hätte, mutmaßen die Autoren dieses Artikels.
Auch sie räumen aber ein, dass es zu kurz gesprungen wäre, sich bei der Suche nach wirksamen Alzheimer-Therapeutika ausschließlich auf die β-Amyloid-Plaques zu konzentrieren. Die Plaques seien ein Treiber der τ-Pathologie. Beides hänge zusammen, wobei der Verlust von funktionierenden Nervenzellen letztlich von den τ-Fibrillen ausgehe. Dies hatte zuletzt auch eine Gruppe von Magdeburger Forschern im Fachjournal »Brain« gezeigt.
Neben Aβ und τ könnten auch andere Faktoren, etwa Infektionen, an der Krankheitsentstehung und -progression von Alzheimer beteiligt sein. »Die Amyloid-Hypothese war lange Zeit forschungsbestimmend. Ein solcher Ansatz ist aber meiner Einschätzung nach zu eindimensional und beantwortet nicht die Frage, wo das Amyloid herkommt und was die eigentlichen Ursachen der Erkrankung sind«, sagt Professor Dr. Thomas Arendt, Leiter des Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung der Universität Leipzig und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der AFI.
Er verweist auf das bekannte Problem, dass die Pathologie bei Alzheimer schon Jahre vor dem Einsetzen der Symptome beginnt: »Bei einer Krankheitsdauer von bis zu 30 Jahren ist es unwahrscheinlich, dass man die Ursachen sieht, man sieht nur die Folgen.« Wenn ein Haus abbrenne, könne man in der Asche des Hauses auch nicht ablesen, warum es abgebrannt sei, verdeutlicht Arendt.
Neben den Amyloid-Plaques müssten weitere charakteristische Merkmale und mögliche Krankheitsursachen einbezogen werden, beispielsweise Entzündungsprozesse, Stoffwechsel- oder Durchblutungsstörungen, Umwelteinflüsse und genetische Faktoren. Entsprechend werde zunehmend an Kombinationstherapien geforscht.
Professor Dr. Stefan Teipel, Leiter der Klinischen Forschung am Standort Rostock/Greifswald des Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), hält insbesondere Kombinationen für vielversprechend, die an τ und β-Amyloid gleichzeitig ansetzen. Denn: »Ohne Amyloid ist τ wahrscheinlich kein größeres Problem und umgekehrt ist τ ohne Amyloid vermutlich nicht problematisch. In Kombination begünstigt Amyloid aber, dass sich τ im gesamten Hirn ausbreiten kann«, so Teipel.
Von den ausstehenden Studienergebnissen zu Lecanemab und Donanemab erwartet er zwar keinen grundlegenden Durchbruch, aber zumindest positive Signale, die den Ansatz einer solchen Kombinationstherapie untermauern. Allerdings gibt es momentan noch keinen gegen τ gerichteten Wirkstoff, der in der klinischen Forschung ähnlich weit fortgeschritten ist wie die Anti-Plaques-Antikörper.