| Theo Dingermann |
| 28.08.2023 10:01 Uhr |
Forschende haben ein neues Antibiotikum aus dem Bodenbakterium Eleftheria terrae subspezies carolina isoliert. Dieses gehört zu den Bakterien, die bislang als unkultivierbar galten. (Symbolbild) / Foto: Adobe Stock/Ronny
Der Bedarf an neuen Antibiotika ist immens. Da lässt eine Publikation im sehr angesehenen Fachjournal »Cell« aufhorchen. Hier berichtet eine Gruppe um Dr. Rhythm Shukla von der Universität Utrecht in den Niederlanden und Aaron J. Peoples von NovoBiotic Pharmaceuticals in Cambridge, USA, von einem neuen Antibiotikum mit sehr interessanten Eigenschaften: Clovibactin.
Die Forschenden isolierten Clovibactin aus dem Bodenbakterium Eleftheria terrae subspezies carolina. Dieses gehört zu den Bakterien, die bislang als unkultivierbar galten. Erst mithilfe einer von NovoBiotic entwickelten sogenannten iCHip-Apparatur, in der Bakterien in ihrer natürlichen Bodenumgebung isoliert und gezüchtet werden, gelang es, E. terrae subspezies carolina und seine Stoffwechselprodukte ausreichend anzureichern. Clovibactin hemmt das Wachstum arzneimittelresistenter grampositiver bakterieller Krankheitserreger nicht nur auf Basis eines neuen Wirkmechanismus, sondern es soll auch resistent gegen Resistenzen sein.
Die Struktur von Clovibactin weist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem cyclisches Depsipeptid Teixobactin auf. Die ringförmige Depsi-Struktur wird in beiden Antibiotika aus vier Aminosäuren gebildet. In dem linearen N-Terminus, der ebenfalls aus vier Aminosäuren gebildet wird und der somit um drei Aminosäuren kürzer ist als der von Teixobactin, sind zwei D-Aminosäuren enthalten.
Auf die Spur zum Wirkmechanismus brachte die Forschenden die Beobachtung, dass mit Clovibactin behandelte Bacillus-subtilis-Zellen eine als Blasenbildung (Blebbing) bekannte Verformungen der Zellen zeigten, die typischerweise von vielen zellwandwirksamen Antibiotika verursacht wird. Vor allem mittels Festkörper-NMR-Spektroskopie konnten die Forschenden dann zeigen, dass das Antibiotikum an drei verschiedene Zielstrukturen bindet. Dies sind drei verschiedene Vorläufermoleküle, die alle für den Aufbau der bakteriellen Zellwand, des Murein-Sacculus, essenziell sind.
Clovibactin bindet extrem fest an die Pyrophosphat-Reste in den Peptidoglykan-Vorstufen Undecaprenyl-Pyrophosphat (C55PP), Lipid I und Lipid II. Die Pyrophosphat-Reste als Zielstruktur für den Angriff des Antibiotikums sind deshalb so bemerkenswert, weil dieses kleine Strukturmerkmal bei allen grampositiven Bakterien vorkommt, während die anderen Details der Murein-Komponenten um die Pyrophosphat-Gruppe herum variieren können.
Genaue Untersuchungen zeigten, dass Clovibactin die Pyrophosphat-Gruppe gewissermaßen wie ein Käfig umschließt. Daher rührt auch der Name »Clovibactin«, abgeleitet vom griechischen Wort »Klouvi« für Käfig.
Nach dem Andocken an die Pyrophosphatgruppe der Murein-Precursoren bildet Clovibactin dann supramolekulare faserartige Strukturen aus, die die Zielstrukturen fest umschließen und die Bakterienzellen weiter schädigen. Bakterien, die auf Clovibactin treffen, werden außerdem dazu angeregt, bestimmte Enzyme – sogenannte Autolysine – freizusetzen, die nun unkontrolliert die eigene Zellhülle auflösen.
In einer Pressemitteilung sagte Professor Dr. Tanja Schneider vom Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie der Universität Bonn, die mit ihrem Team ebenfalls an der Arbeit beteiligt war: »Die Kombination dieser verschiedenen Mechanismen ist der Grund für die außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit gegenüber Resistenzen.« Professor Dr. Markus Weingarth von der Universität Utrecht, einer der Seniorautoren, sagte gegenüber dem Nachrichtenmagazin »Genetic Engineering & Biotechnology News«: »Clovibactin ist auch deshalb anders, da es aus Bakterien isoliert wurde, die vorher nicht gezüchtet werden konnten. Somit haben pathogene Bakterien ein solches Antibiotikum noch nie gesehen und hatten keine Zeit, eine Resistenz zu entwickeln.«