Neuer Kinasehemmer bei Lungenkrebs |
Annette Rößler |
25.02.2025 08:45 Uhr |
Der epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) in aktivierter Form, nachdem der epidermale Wachstumsfaktor (rot) an ihn gebunden hat. Mutationen im EGFR führen zu dessen dauerhaften Aktivierung und liegen häufig bei Lungenkrebs vor. / © Getty Images/selvanegra
Nicht kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC) machen etwa 85 Prozent aller Lungenkrebsfälle aus und betreffen zunehmend auch Menschen, die nicht (mehr) rauchen oder nie geraucht haben. Oft liegen Treibermutationen vor, die das Tumorwachstum begünstigen, etwa im epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR). Während in Asien bei knapp der Hälfte der NSCLC-Patienten EGFR-Mutationen gefunden werden, sind sie in Deutschland bei 10 bis 15 Prozent der Patienten nachzuweisen.
Mit einem Anteil von 90 Prozent der Fälle sind Deletionen im Exon 19 oder die Punktmutation L858R im Exon 21 die häufigsten EGFR-Mutationen (»common Mutations«). Speziell für Patienten mit diesen Mutationen ist bereits der Tyrosinkinasehemmer Osimertinib (Tagrisso®) verfügbar. Er kann bei diesen Patienten entweder als Monotherapie oder in Kombination mit Pemetrexed und platinhaltiger Chemotherapie eingesetzt werden, wobei der letztgenannte Ansatz wirksamer ist.
Nun auch Lazertinib (Lazcluze® 80 und 240 mg Filmtabletten, Johnson & Johnson): Der Neuling ist zur Erstlinientherapie von erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und einer nachgewiesenen common Mutation im EGFR bestimmt. Lazertinib wird nicht als Monotherapie verabreicht, sondern stets mit dem bispezifischen Antikörper Amivantamab (Rybrevant®) kombiniert. Amivantamab richtet sich gegen EGFR und den mesenchymal-epithelialen Transitionsfaktor (MET).
Die empfohlene Dosis beträgt einmal täglich 240 mg Lazertinib; Amivantamab wird stratifiziert gewichtsabhängig dosiert. Verschiedene Nebenwirkungen können Dosisreduktionen eines oder beider Arzneistoffe notwendig machen. Details dazu finden sich in der Fachinformation.
Die Filmtablette wird einmal täglich im Ganzen mit oder ohne eine Mahlzeit geschluckt. Bei einem Versäumen der Einnahme soll diese nur dann nachgeholt werden, wenn der Einnahmezeitpunkt noch nicht länger als zwölf Stunden zurückliegt. Ansonsten soll die Behandlung ab dem nächsten Einnahmezeitpunkt fortgesetzt werden. Auch wenn der Patient nach der Einnahme erbricht, sollte die nächste Dosis erst am nächsten Tag eingenommen werden.
Um venösen Thromboembolien (VTE) vorzubeugen, sollen Patienten, die mit Lazertinib/Amivantamab behandelt werden, antikoaguliert werden. Sie sollen entweder ein direktes orales Antikoagulans (DOAK) oder ein niedermolekulares Heparin erhalten, aber keinen Vitamin-K-Antagonisten.
Patienten sollten dazu angehalten werden, ihre Sonnenexposition während der Therapie und für zwei Monate im Anschluss einzuschränken. Sie sollten außerdem trockene Hautstellen mit einer alkoholfreien, emollenzienhaltigen Hautpflegecreme eincremen. Beides dient zur Vorbeugung von Haut- und Nageltoxizität. Falls solche Reaktionen auftreten, sollen topische Corticosteroide sowie topische und/oder orale Antibiotika angewendet werden. Entsprechende Rezepte sollten Patienten bei Therapiebeginn vorliegen, um im Bedarfsfall schnell reagieren zu können.
Vorsicht ist geboten bei terminaler Niereninsuffizienz, schwerer Leberfunktionsstörung und bei gleichzeitiger Anwendung mit bestimmten anderen Arzneimitteln. Lazertinib wird primär durch Glutathion-Konjugation sowie über CYP3A4 metabolisiert. Die gleichzeitige Anwendung mit moderaten CYP3A4-Induktoren, mit anderen CYP3A4-Substraten mit enger therapeutischer Breite sowie mit CYP1A2-Substraten und mit BCRP-Substraten mit enger therapeutischer Breite sollte daher mit Vorsicht erfolgen. Die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A4-Induktoren sollte vermieden werden.
Lazertinib darf in der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, der Nutzen für die Frau überwiegt die Risiken für den Fetus. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und für drei Wochen danach zuverlässig verhüten; sie sollen in dieser Zeit auch nicht stillen. Männliche Patienten mit Partnerinnen im gebärfähigen Alter sollen während der Behandlung und für drei Wochen danach kein Kind zeugen.
Ausschlaggebend für die Zulassung waren Ergebnisse der noch laufenden Phase-III-Studie MARIPOSA (NCT04487080). In dieser wurden 1074 Patienten im Verhältnis 2:2:1 randomisiert jeweils einer von drei Behandlungen zugewiesen: Lazertinib plus Amivantamab, Osimertinib allein oder Lazertinib allein. Alle Arzneistoffe wurden wie empfohlen dosiert. Die Patienten hatten ein lokal fortgeschrittenes oder metastasiertes NSCLC mit einer der beiden common Mutations (60 Prozent Exon-19-Deletion, 40 Prozent Exon-21-L858R-Mutation); 62 Prozent waren weiblich und 69 Prozent hatten nie geraucht.
Die Behandlung mit Lazertinib/Amivantamab führte verglichen mit den beiden Monotherapien zu einer statistisch signifikanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS). Dies war der primäre Endpunkt der Studie. Das PFS betrug im Median unter Lazertinib/Amivantamab 23,7 Monate, unter Osimertinib 16,6 Monate und unter Lazertinib 18,5 Monate.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Lazertinib waren Ausschlag (89 Prozent), Nageltoxizität (71 Prozent), Hepatotoxizität (47 Prozent), Stomatitis (43 Prozent), VTE (37 Prozent) und Parästhesie (34 Prozent). Als häufigste schwerwiegende Nebenwirkungen traten VTE (11 Prozent), Pneumonie (4 Prozent) Ausschlag (3,1 Prozent) und interstitielle Lungenerkrankung/Pneumonitis (2,9 Prozent) auf.
Der Wirkmechanismus von Lazertinib ist fernab davon, neu zu sein. EGFR-Inhibitoren gibt es schon eine ganze Reihe. Beispielsweise Osimertinib ist ein anderer Wirkstoff dieser Gruppe mit einem zu Lazertinib sehr ähnlichen Profil. Auch das derzeitige Einsatzgebiet bringt keinen Fortschritt. Man kann also Lazertinib gut mit Osimertinib vergleichen.
Die neue Kombination aus Lazertinib und Amivantamab wurde in der MARIPOSA-Studie gegen Osimertinib allein beziehungsweise Lazertinib allein getestet. Hier zeigte sich, dass die Kombination das progressionsfreie Überleben (PFS) verlängerte. Die beiden Monotherapien unterschieden sich beim PFS allerdings nicht bedeutend (16,6 versus 18,5 Monate). Letzteres ist ein weiterer Hinweis darauf, dass der Kinasehemmer für sich betrachtet kein bedeutender Fortschritt ist und er vorläufig als Analogpräparat einzustufen ist.
Für Patienten ist sicher vorteilhaft, dass sie mit der Kombination aus Lazertinib und Amivantamab ein neues Chemotherapie-freies Therapieregime in dieser Indikation zur Verfügung haben. Kürzlich hat die EU-Kommission auch der subkutanen Gabe von Amivantamab in Kombination mit der oralen Lazertinib-Gabe zugestimmt. Insofern wäre ein Vergleich dieser Kombination mit Osimertinib plus Pemetrexed und platinhaltige Chemotherapie sehr interessant.
Sven Siebenand, Chefredakteur