Neuer Impfpflicht-Kompromiss ab 60 Jahren |
Laut den Plänen vieler Bundestagsabgeordneter könnte es ab Oktober eine Covid-19-Impfpflicht für alle Personen ab 60 Jahren geben. / Foto: imago images/Wolfgang Maria Weber
Kurz vor der geplanten Abstimmung zur Covid-19-Impfpflicht im Bundestag haben die Abgeordneten einen erneuten Kompromiss vorgeschlagen. Für den morgigen Donnerstag ist die Aussprache und Abstimmung geplant. Die Gruppen für die beiden Gesetzentwürfe – Impfpflicht ab 18 Jahren und verpflichtende Impfaufklärung und optionale Impfpflicht ab 50 Jahren – scheinen sich nun auf ein gemeinsames Konzept geeinigt zu haben. Zuvor hatte die Gruppe, die ursprünglich eine Impfpflicht ab 18 Jahren forderte, bereits einen Vorschlag einer Impfpflicht ab 50 Jahren mit optionaler Impfpflicht ab 18 gemacht. Dieser war allerdings nicht auf große Zustimmung bei den anderen Gruppen gestoßen.
Der aktuelle Kompromiss sieht nun eine Impfnachweispflicht für alle Menschen ab 60 Jahren, »der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe« vor. Sie muss laut einem Entwurf der beiden Gruppen, der der PZ vorliegt, ab Oktober erfüllt sein. Allerdings ist diese Idee ebenfalls mit einer Pflicht zur Impfberatung vorgesehen. Sollte die Impfrate aufgrund der Beratungsgespräche über den Sommer »ausreichend« gesteigert sein, könnte die Impfpflicht ab 60 per Bundestagsbeschluss im Juni auch wieder ausgesetzt werden. »Deshalb lassen wir uns regelmäßig von der Bundesregierung über Fortschritte und Entwicklungen unterrichten«, schreiben die beiden Gruppen.
Darüber hinaus sieht der Kompromiss vor, dass der Bundestag im Herbst vor dem Hintergrund der dann aktuellen Erkenntnisse und potentieller Virusvarianten entscheiden soll, ob zusätzlich eine Impfpflicht ab 18 Jahren greifen soll. Beide Gruppen hatten zudem eine mögliche Beteiligung der Apotheken bei einer Impfpflicht angekündigt. Personen, die ihren Impfnachweis gegenüber den Krankenversicherungen vorlegen müssten, könnten etwa in die Apotheke gehen und diese könnten die Nachweise weiterleiten, hieß es bisher.
Schlussendlich heißt es in dem Entwurf zum aktuellen Impfpflicht-Kompromiss ab 60 Jahren, dass es am Donnerstag bei der Schlussabstimmung nur diesen geeinten Gesetzentwurf anstatt der Entwürfe zur geplanten Impfpflicht ab 18 und der Impfpflicht ab 50 Jahren geben soll. Offen ist damit immer noch, ob die beiden Gruppen zusammen ausreichend Abgeordnete hinter sich versammeln können, um eine Mehrheit von 369 Abgeordneten im Bundestag zu erreichen. Die Gruppe, die ursprünglich eine Impfpflicht ab 18 Jahren einführen wollte, versammelt derzeit 237 Abgeordnete hinter sich. Die andere Gruppe (Impfpflicht ab 50 Jahren), konnte zunächst rund 40 Abgeordnete überzeugen.
Beide Gruppen hoffen dabei auf die Unterstützung der Union. Der Vorschlag sehe dieselbe Altersgrenze vor, die der Antrag der Union vorsieht und schließe auch den Vorschlag der Vorbereitung eines Impfregisters mit ein. Dies hat die Union in ihrem Antrag ebenfalls gefordert. Die Union hatte allerdings bereits angekündigt, diesen Kompromiss nicht unterstützen zu wollen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, erklärte am Dienstagabend im Interview mit »ntv.de«: »Wenn der neueste Kompromiss zwischen 18 und 50 jetzt plötzlich bei 60 liegen soll, kann etwas nicht stimmen.« Er bemängelt, dass die Union bei der Kompromissfindung weder informiert noch miteinbezogen wurde. »Das ist kein seriöses Verhandeln mehr.« Sorge betonte, dieser Impfpflicht auf Vorrat werde die Union nicht zustimmen.
Laut einer Mitteilung der Deutschen Presse-Agentur erklärte der FDP-Gesundheitsexperte Professor Andrew Ullmann, bisher Mitinitiator des Antrags einer Impfpflicht ab 50 Jahren, er könne mit dem Kompromiss »sehr gut leben«. Das Ergebnis habe aber nicht alle Unterstützer seiner Gruppe überzeugt, sagte Ullmann dem »Handelsblatt« am Dienstagabend. Er äußerte zudem die Hoffnung, »dass wir im Sommer eine so hohe Impfquote erreicht haben, dass die Impfpflicht nicht mehr nötig ist und sie im Bundestag wieder ausgesetzt wird, wie es der Kompromiss ermöglicht.«
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) ist laut dpa zuversichtlich, dass der Kompromissvorschlag im Bundestag eine Mehrheit findet. »Mit großer Wahrscheinlichkeit kriegen wir das durch«, sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Sendung »Markus Lanz«. 90 Prozent der Corona-Todesfälle entfielen auf Menschen, die über 60 Jahre alt seien. Sollte es keine Mehrheit geben, wäre das eine »herbe Niederlage«, aber für ihn kein Rücktrittsgrund, betonte Lauterbach.
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