Neue Therapieoption bei Milbenallergie |
Carolin Lang |
01.09.2021 13:00 Uhr |
Niesreiz gehört zu den häufigsten Symptomen bei allergischer Rhinitis. / Foto: Adobe Stock/galitskaya
Das Präparat von Stallergenes ist zur Allergen-Immuntherapie (AIT) für Jugendliche ab 12 Jahren und Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer Hausstaubmilben-induzierter allergischer Rhinitis oder Rhinokonjunktivitis zugelassen. Für über 65-Jährige wird diese Behandlung nicht empfohlen.
»Etwa 16 Prozent der deutschen Erwachsenen weisen eine Sensibilisierung gegenüber Hausstaubmilben auf«, legte Professor Dr. Randolf Brehler bei der digitalen Launch-Pressekonferenz des Herstellers dar. Die Sensibilisierung richtet sich dabei gegen Allergene, die in Milbenkörper und -kot vorkommen. Bei der Hausstaubmilben-induzierten allergischen Rhinitis (HSM-AR) kommt es daraufhin zu einer IgE-vermittelten Entzündungsreaktion in der Nasenschleimhaut. Sind zusätzlich die Augen betroffen, liegt eine Rhinokonjunktivitis vor.
Folglich äußert sich eine HSM-Allergie durch nasale und okuläre Symptome wie Niesen, eine verstopfte Nase, Augenjucken, -rötung und -tränen. »Das führt bei den Patienten zu Schlafstörungen, die ein wesentliches Problem darstellen. Sie reduzieren die Tagesaktivität, Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit«, so Brehler. »Damit wirkt sich die Hausstauballergie negativ auf die Lebensqualität aus.«
Da Hausstaubmilben ubiquitär und ganzjährig verbreitet sind, sei die Beeinträchtigung der Lebensqualität stärker als bei Personen mit saisonaler Pollenallergie, führte er weiter aus. Mehr als 80 Prozent der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer allergischer Rhinitis würden über eine Beeinträchtigung ihrer täglichen Aktivitäten berichten. Zu den Hauptsymptomen, die Betroffene einen Arzt aufsuchen lassen, gehörten Schlafstörungen, Rhinorrhö sowie eine verstopfte Nase.
Eine Behandlungsstrategie ist die Allergenvermeidung, beispielsweise durch die Entfernung von Polstermöbeln oder Teppichen. Die Verwendung hypoallergischer Bettwäsche zeige dabei mehrheitlich einen leichten bis moderaten Effekt, referierte Brehler. »Wir können das Hausstaubmilben-Allergen nicht komplett aus dem häuslichen Umfeld verbannen. Das ist genau das Problem.«
Daneben stehen symptomatische Therapieoptionen zur Verfügung. Dazu gehören orale und topische Antihistaminika, abschwellende Nasensprays sowie intranasale Corticosteroide. Letztere seien die wirksamste symptomatische Behandlungsoption der allergischen Rhinitis und bei leichten bis mittelschweren Symptomen die erste Wahl.
Zur ursächlichen Behandlung einer HSM-Allergie dient die Allergen-Immuntherapie, die auf eine Toleranzentwicklung durch die Verabreichung von Allergenen abzielt. Das Allergen wird dabei subkutan (SCIT) oder sublingual (SLIT) verabreicht.
Orylmyte enthält als Sublingualtablette (SLIT) standardisierte HSM-Allergenextrakte aus Dermatophagoides pteronyssinus und Dermatophagoides farinae (jeweils Körper und Kot) zu gleichen Teilen.
Einmal täglich wird die Tablette mit entweder 100 oder 300 IR (Reaktivitätsindex) zur Einnahme unter die Zunge gelegt und muss dort bis zur vollständigen Auflösung verbleiben, bevor geschluckt wird. In den folgenden fünf Minuten sollte weder gegessen noch getrunken werden.
Die Therapie beginnt mit einer Aufdosierung: Die Einnahme der ersten Dosis von 100 IR soll unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, gefolgt von einer 30-minütigen Beobachtung. Am nächsten Tag soll der Patient zwei Tabletten zu je 100 IR als Einmaldosis einnehmen, dies kann er zu Hause tun. Nun ist die Einleitungsbehandlung abgeschlossen. Der Arzt kann die Dosissteigerungsphase, wenn nötig, verlängern. Am dritten Tag wird die Erhaltungsdosis von 300 IR erreicht. Die gesamte Therapie kann von nun an zu Hause weitergeführt werden.
Die optimale Dosis wurde im Rahmen einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II-Dosisfindungs-Studie in einer Allergen-Provokationskammer mit 355 Erwachsenen ermittelt.
Behandlungstag | Dosis | Behandlungsphase |
---|---|---|
Tag 1 | Eine 100 IR Tablette | Einleitungsbehandlung |
Tag 2 | Zwei 100 IR Tabletten gleichzeitig | Einleitungsbehandlung |
Tag 3 | Eine 300 IR Tablette | Fortsetzungsbehandlung |
Wird die Behandlung mit Orylmyte für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen unterbrochen, kann der Patient die Behandlung selbstständig fortsetzen. Anderenfalls sollte er vor der Wiederaufnahme der Behandlung einen Arzt zu konsultieren.
Der Eintritt der klinischen Wirkung wird zwischen etwa acht und 16 Wochen nach Behandlungsbeginn erwartet. Internationale Behandlungsleitlinien empfehlen eine dreijährige Behandlungsdauer für die Allergen-Immuntherapie, um eine Krankheitsmodifikation zu erreichen. Für Orylmyte liegen nur Wirksamkeitsdaten für eine einjährige Behandlung vor. Basierend auf einer Modellrechnung auf Grundlage der Zulassungsstudie können Patienten mit durchschnittlich schwerer HSM-AR laut Hersteller einen spürbaren Rückgang der Symptome erwarten. Falls im ersten Behandlungsjahr keine Verbesserung der Beschwerden beobachtet wird, sollte eine Behandlungsunterbrechung erwogen werden.
Die häufigsten Nebenwirkungen in klinischen Studien waren Reaktionen am Verabreichungsort: oraler Juckreiz, Mundödem, Rachenreizung und Ohrenjucken. Die Nebenwirkungen waren im Allgemeinen leicht oder mittelschwer. Sie traten meistens in den ersten Tagen der Behandlung auf und gingen im Laufe der nächsten drei Monate zurück.
Wie bei jeder sublingualen Allergen-Immuntherapie können auch bei Orylmyte schwere allergische Reaktionen auftreten. Patienten müssen entsprechend über Anzeichen und Symptome aufgeklärt werden. Im Falle schwerer allergischer Reaktionen sollen sie die Behandlung abbrechen und sofort einen Arzt konsultieren.