Neue Empfehlungen zur stationären Behandlung |
Sven Siebenand |
19.10.2021 13:00 Uhr |
Die S3-Leitlinie »Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit Covid-19« wurde Anfang Oktober aktualisiert. / Foto: Adobe Stock/smolaw11
In einer Pressemeldung weist Cochrane Deutschland sowohl auf die Langfassung der Leitlinie als auch auf eine Kurzzusammenfassung in einem Evidence Brief des Forschungskonsortiums CEOsys hin.
Erstmals als verfügbare medikamentöse Therapieoptionen sind in der aktualisierten Leitlinie monoklonale Antikörper aufgeführt. Virusneutralisierende monoklonale Antikörper besitzen die Fähigkeit, durch Interaktion mit dem Spike-Protein von SARS-CoV-2 den Viruseintritt in die Zelle zu verhindern. Die Leitlinie empfiehlt, bei hospitalisierten Covid-19-Erkrankten, die noch keine eigene Immunantwort auf die Infektion zeigen und keiner oder maximal einer Low-Flow-Sauerstoff-Therapie bedürfen, eine Therapie mit der Kombination aus den SARS-CoV-2-spezifischen monoklonalen Antikörpern Casirivimab und Imdevimab umzusetzen.
Neu ist zudem, dass die Leitlinie den Einsatz von Januskinase (JAK)-Inhibitoren empfiehlt. JAK-Inhibitoren wirken entzündungshemmend und immunmodulierend. Studien zeigen einen Überlebensvorteil, wenn JAK-Inhibitoren bei hospitalisierten Patienten ohne Sauerstoffbedarf oder mit maximal einer Low-Flow-Sauerstoff-Behandlung eingesetzt werden. Wichtig: JAK-Hemmer sollen nicht als Kombinationstherapie mit Tocilizumab eingesetzt werden.
Der Interleukin-6-Rezeptorantagonist sollte eingesetzt werden bei progredient schwerer Erkrankung. Dagegen sollte Tocilizumab nicht eingesetzt werden bei Erkrankung ohne oder mit niedrigem Sauerstoffbedarf sowie bei bestehender invasiver Beatmung.
Wie sieht es mit dem antiviral wirksamen Remdesivir (Veklury®) aus? Laut dem Evidence Brief soll es nicht bei Patienten ohne Sauerstoffbedarf und bei invasiv beatmeten Patienten eingesetzt werden. Bei hospitalisierten Patienten mit Covid-19-Pneumonie und erforderlicher Low-Flow/High-Flow-Sauerstofftherapie oder nicht invasiver Beatmung, könne weder eine Empfehlung für noch gegen eine Therapie mit Remdesivir abgegeben werden.
Stationär behandelte Covid-19-Patienten erhalten bislang standardmäßig eine Thromboseprophylaxe. Die neuen Empfehlungen beinhalten nun, dass in der Frühphase bei hospitalisierten, nicht intensivpflichtigen Covid-19-Patienten mit einem erhöhten Thromboserisiko eine therapeutische Antikoagulation erwogen werden kann, sofern sie ein niedriges Blutungsrisiko haben. Bei Intensivpatienten hingegen sollte eine therapeutische Antikoagulation bei fehlendem Nachweis von Thrombosen oder Embolien nicht erfolgen, da hier das Risiko schwerer Blutungskomplikationen deutlich ansteigt.
»Bereits bei wachen Patienten, die eine hoch dosierte Sauerstofftherapie über eine Nasensonde erhalten oder nicht invasiv beatmet werden, sollte eine Bauchlagerung erfolgen«, so Professor Dr. Stefan Kluge, Koordinator der Leitlinie, in der Pressemeldung. Während der Pandemie wurde im Krankenhaus immer wieder beobachtet, dass sich Covid-19-Patienten selber auf den Bauch lagern und sich dadurch die Sauerstoffversorgung bessert. Eine große prospektive randomisierte Studie konnte zeigen, dass sich die Häufigkeit späterer Intubationen reduziert, wenn in dieser Krankheitsphase bereits eine Bauchlagerung durchgeführt wird. »Dies ist eine neue wichtige Erkenntnis, die helfen kann, eine Intubation und mechanische Beatmung zu vermeiden«, so Kluge.
»Durch die konsequente kritische Analyse einer Vielzahl von medikamentösen Therapieansätzen zur Behandlung von Covid-19 können wir nun auch einen Katalog von Negativ-Empfehlungen, also Empfehlungen gegen bestimmte Therapien, herausgeben«, fügt Kluge hinzu. Er nennt in der Pressemitteilung zum Beispiel Ivermectin und Rekonvaleszenten-Plasma. In dem Evidence Brief wird geraten, Anakinra und Colchicin nicht zu verabreichen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.